Promenade des Shkodra-Sees in Shiroka
Am Ufer des Shkodra-Sees haben Casanova + Hernandez eine Art allumfassenden Raum geschaffen, der ganz auf die Verbindung von Stadt und Landschaft abzielt.
Text: Islami, Gjergji, Tirana
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Nahtlos verbindet der neue Belag Stadt und See.
Foto: E. Zhabjaku
Nahtlos verbindet der neue Belag Stadt und See.
Foto: E. Zhabjaku
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Die Mitte des Platzes wurde für Events freigehalten.
Foto: Architekten
Die Mitte des Platzes wurde für Events freigehalten.
Foto: Architekten
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Früher war das Ufer des Shkodra-Sees unzugänglich ...
Foto: Architekten
Früher war das Ufer des Shkodra-Sees unzugänglich ...
Foto: Architekten
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... und von illegalen Kleinbauten besetzt.
Foto: Architekten
... und von illegalen Kleinbauten besetzt.
Foto: Architekten
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Wege, Sitzplätze ...
Foto: Orestia Kapidani
Wege, Sitzplätze ...
Foto: Orestia Kapidani
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... und Stufen sind mit schwarzen und weißen Granitsteinen bedeckt.
Foto: Architekten
... und Stufen sind mit schwarzen und weißen Granitsteinen bedeckt.
Foto: Architekten
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Freizeitaktivitäten, Aufenthaltsmöglichkeiten und Aussichtssituationen reihen sich am Ufer entlang.
Foto: Architekten
Freizeitaktivitäten, Aufenthaltsmöglichkeiten und Aussichtssituationen reihen sich am Ufer entlang.
Foto: Architekten
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Uferpromenade in Shiroka an der albanischen Küste des Shkodra-Sees.
Foto: E. Zhabjaku
Uferpromenade in Shiroka an der albanischen Küste des Shkodra-Sees.
Foto: E. Zhabjaku
Der Shkodra-See ist eines der faszinierendsten ökologischen und landschaftlichen Systeme, die Nordalbanien zu bieten hat. Mit einer Wasserfläche von 368 Quadratkilometern ist er der größte See auf der Balkanhalbinsel. Zwar ist er nach der Stadt Shkodra benannt, doch liegen etliche weitere Dörfer und Ortschaften, deren Existenz vom Wasser des Shkodra-Sees abhängt, verstreut an den Ufern.
Eine der frühen Siedlungen, die am südwest-lichen Ufer entstanden sind, ist Shiroka. Das einstige Fischerdorf hat sich zu einem Touristen- und Erholungsort entwickelt. In der Übergangszeit nach dem Zusammenbruch des Kommunismus in Albanien Anfang der 1990er Jahre war die Region aufgrund spontaner und informeller Bautätigkeit erheblichen Veränderungen und Umgestaltungen unterworfen. Auch das Seeufer vonShiroka war von diesem Phänomen betroffen und mutierte so zu einem Unort voller hässlichen Bauten, die die Beziehung des Dorfes zum See bestimmten.
2019 wurde auf der Grundlage der „Nationalen Agenda für die urbane Wiederbelebung“ eine Intervention eingeleitet, um das Ufer in Shiroka neu zu gestalten und den öffentlichen Raum am See zurückzugewinnen. Das Projekt wurde dem Rotterdamer Architekturbüro Casanova + Hernandez anvertraut. Dessen Entwurf zielte darauf ab, die organische Verbindung zwischen dem Dorf und dem See wiederherzustellen und diese Verbindung neu zu interpretieren. Der auf diese Weise neu geschaffene öffentliche Raum wird auf der einen Seite durch die Autostraße, die Bebauung des Dorfes und den Taraboshi-Berg begrenzt, auf der anderen Seite durch das Seeufer und die Naturlandschaft der Wasserfläche, die sich im Nordosten bis zur Silhouette der Alpen erstreckt.
Obwohl mit der vorgeschlagenen Lösung ein attraktiver Ort geschaffen wurde, bleibt der Charakter des Raums unweigerlich mit der Straße verbunden, die entlang des Sees verläuft – eine Autostraße, die die in dem Gebiet entstandenen touristischen Orte miteinander verbindet. Somit gehört dieser öffentliche Raum wahrscheinlich eher den Touristen als den Einheimischen. Beim Vorbeifahren wird der Autofahrer durch die plötzliche Veränderung der Landschaft nun nachgerade dazu gezwungen, langsamer zu werden und auf dem einzigen nicht-ruralen Inselchen am südwestlichen Seeufer eine Pause einzulegen. Der neue Platz und die neue Promenade werden durch einen ausgedehnten Parkplatz angekündigt, auf dem sich die Fahrzeuge hinter einer dekorativen Bepflanzung verstecken. Die Existenz von Parkplätzen ist zwar eine funktionale Notwendigkeit, scheint aber den angespannten Dialog zu unterstreichen, der sich zwischen dem traditionellen Dorf und dem See entwickelt hat – ein gut artikulierter, aber etwas unnatürlicher Dialog.
Nationale Identität
„Albanischer Teppich“ haben Casanova + Hernandez ihren Entwurf genannt und sich für die Darstellung von traditionellen Teppichdekorationen auf dem Straßenbelag des Dorfzentrums entschieden. Es ist nicht klar, ob der Bezug zum albanischen Teppich auf den verwendeten Motiven beruht oder auf der geografischen Lage, in der der Megateppich verlegt wurde. Tatsächlich sind ähnliche Motive unter dem kulturellen Einfluss des Osmanischen Reiches, das die Region fünf Jahrhunderte lang beherrschte, auf dem gesamten Balkan verbreitet. Obwohl die folkloristische Symbolik etwas oberflächlich ist und nicht direkt mit der Tradition und dem Charakter von Shiroka in Verbindung steht, ist sie für alle Besucherinnen und Besucher leicht verständlich, sogar ohne tiefgreifende Kenntnisse der Ethnographie, der lokalen Kultur oder der Architektur. Die Darstellung von Formen, die durch die Architek-tur auf die nationale Kultur verweisen, ist in Albanien sehr wohl als ideologischer Ansatz während der kommunistischen Jahre bekannt, in denen die „nationale Form“ ein notwendiges Kriterium der sozialistischen Architektur war. Als Beispiel für dieses Phänomen sei der Sportpalast in Korça genannt, dessen Hallendecke nach eigenen Angaben des Architekten mit Teppichmotiven verziert wurde, um das Kriterium zu erfüllen.
Dasselbe Phänomen ist in den letzten Jahren mit zunehmender Intensität in großen Architekturprojekten in ganz Albanien wieder aufgetaucht, seien es Gebäude oder öffentliche Räume. Beispiele dafür sind das von Archea Associati entworfene rot-schwarze Stadion in Tirana, das auch mit traditionellen Teppichmotiven verziert ist, Daniel Libeskinds „Adler im Flug“ und viele andere Werke, bei denen die formale Darstellung der „nationalen Identität“ in der Architektur fortbesteht. Es handelt sich um Projekte internationaler Architekten, die von der albanischen Regierung eingeladen und unterstützt werden. Dieser populistische Versuch ausländischer Architekturbüros, den nationalistischen Geist in der Architektur wiederzubeleben, scheint eine Forderung ihrer Auftraggeber zu sein.
Jenseits der theoretischen Diskussion über die Kommunikation und das Verhältnis zwischen Architektur und kulturellem und politischem Kontext bleibt der albanische Teppich in Shiroka jedoch ein fröhlicher und recht erfolgreicher öffentlicher Raum in einem Land, das Qualitätsimpulse braucht. Dieses Projekt ist eines der we-nigen Beispiele für Investitionen in den öffentlichen Raum, die in Albanien in ländlichen Ge-bieten oder kleinen Siedlungen getätigt wurden.
Die eigentliche Herausforderung bleibt aktu-ell die Frage nach dem Management dieses Raums durch die Kommune, denn die Situation scheint sich rapide zu verschlechtern. Trotz der Bemühungen von Casanova + Hernandez gelingt es nicht, das Verhalten der Nutzerinnen und Nutzer zu disziplinieren und zu koordinieren. Durch den Fahrzeugverkehr, illegales Parken und wachsende Besucherzahlen kam es häufig zu chaotischen Situationen, die die Diskrepanz zwischen den bescheidenen Kapazitäten dieser ländlichen Gemeinde und dem Bestreben, erfolgreiche Modelle der Stadtgestaltung zu importieren, deutlich machen.
Aus dem Englischen von Beate Staib
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