Trauerhalle in Oliveirinha
Friedhöfe fallen oftmals aus der Zeit. Im portugiesischen Oliveirinha stellten Sónia Lopes da Cruz Arquitectura eine Trauerhalle fertig, die ein altes Verabschiedungsritual ins Hier und Jetzt holt.
Text: Moreira, Inês, Porto
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Gegenüber der Kirche Santo António von Oliveirinha liegt der nördlichere der beiden Friedhöfe der Stadt. Die neue Trauerhalle erweitert das Angebot vor Ort und akzentuiert am Friedhof den Eingang.
Foto: Ivo Tavares Studio
Gegenüber der Kirche Santo António von Oliveirinha liegt der nördlichere der beiden Friedhöfe der Stadt. Die neue Trauerhalle erweitert das Angebot vor Ort und akzentuiert am Friedhof den Eingang.
Foto: Ivo Tavares Studio
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Wie eine Verlängerung der Friedhofsmauer schließt der Neubau die Lücke zwischen den Mausoleen, ohne dabei jedoch direkt an den Bestand anzudocken.
Foto: Ivo Tavares Studio
Wie eine Verlängerung der Friedhofsmauer schließt der Neubau die Lücke zwischen den Mausoleen, ohne dabei jedoch direkt an den Bestand anzudocken.
Foto: Ivo Tavares Studio
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Auch an älteren Friedhofsanlagen liegt am Eingangsportal oftmals die benötigte Infrastruktur. Durch ihre
horizontale Formensprache hebt sich die Trauerhalle trotz gleicher Farbigkeit vom Bestand ab.
Foto: Ivo Tavares Studio
Auch an älteren Friedhofsanlagen liegt am Eingangsportal oftmals die benötigte Infrastruktur. Durch ihre
horizontale Formensprache hebt sich die Trauerhalle trotz gleicher Farbigkeit vom Bestand ab.
Foto: Ivo Tavares Studio
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Der Innenraum der Aussegnungshalle ist funktional ausgestattet, die handgefertigten Möbel aus lokalem Holz sind dem begrenzten Budget angepasst.
Foto: Ivo Tavares Studio
Der Innenraum der Aussegnungshalle ist funktional ausgestattet, die handgefertigten Möbel aus lokalem Holz sind dem begrenzten Budget angepasst.
Foto: Ivo Tavares Studio
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Die Überdachung des Neubaus kragt so aus, dass sie vor Regen und Sonne schützt.
Foto: Ivo Tavares Studio
Die Überdachung des Neubaus kragt so aus, dass sie vor Regen und Sonne schützt.
Foto: Ivo Tavares Studio
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Die Kirche wird durch die scharfen Kanten gerahmt.
Foto: Ivo Tavares Studio
Die Kirche wird durch die scharfen Kanten gerahmt.
Foto: Ivo Tavares Studio
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An der Innen- und Außenseite der Eingangsmauer entstehen neue Sitzflächen – eine simple, aber freundliche Geste.
Foto: Ivo Tavares Studio
An der Innen- und Außenseite der Eingangsmauer entstehen neue Sitzflächen – eine simple, aber freundliche Geste.
Foto: Ivo Tavares Studio
Neue Architektur unterliegt stets den symbolischen und funktionalen Bedürfnissen ihrer Zeit. Wenn es um den Tod geht, ist es von größter Wichtigkeit, Rituale und ihre Bedeutung und die funktionalen Aspekte des Trauerprozesses und des Abschiednehmens generell, genauso wie die Werte und Lebensrealitäten der Trauernden zu verstehen. Während größtenteils Traditionen vornehmlich religiöser Prägung die Gestaltung von mit dem Tod verbundenen Räumen bestimmen, gibt es mancherorts neue Entwicklungen, die sich in Architektur manifestieren. So auch in der portugiesischen Gemeinde Oliveirinha im Landkreis Aveiro.
Die Architektin Sónia Lopes da Cruz plante und realisierte hier 2023 eine Leichenhalle. In dieser ausgesprochen konservativen Gemeinde verändert diese neue Architektur still und leise die Beziehung zu Trauer, Fürsorge sowie zur Bestattungszeremonie.
Zwei Faktoren sind in Hinsicht auf den transformativen Effekt, den eine kleine architektonische Infrastruktur auf den Umgang der lokalen Gemeinde mit dem Tod hat, erwähnenswert. Zunächst der Ort, Oliveirinha selbst. Ganz am Rand des Landkreises Aveiro gelegen, ist es ein flaches, ruhiges Dorf, das landwirtschaftlich geprägt ist. Hier vergeht die Zeit langsam. Ausgedehnte Ackerflächen und kleine Siedlungen wahren ein gemächliches, gemeinschaftliches Leben. Die Baustruktur wird auf bescheidene Weise durch religiöse Gebäude, Schulen und Bürgerzentren unterbrochen, diskret zwischen der informell gewachsenen örtlichen Architektur. Wenn auch in der Nähe Aveiros gelegen – einer Universitätsstadt mit öffentlicher Infrastruktur und einem historischen Zentrum – das heute Kulisse für Tourismus, Zuwanderung und Pendlerverkehr nach Porto ist – behält Oliveirinha seine ländliche Identität, die Bevölkerung ist verhältnismäßig alt, es herrscht ein gewisser Stillstand. Die 4500 Menschen sind konservativer und der katholischen Religion näher als in anderen portugiesischen Gegenden. Zeitgenössische Architektur hat in der Nachbarschaft keine nennenswerte Präsenz.
Ein zweiter Aspekt bezieht sich auf kulturelle Bestattungsriten, die möglicherweise schon vor Jahrhunderten etabliert wurden. In Oliveirinha behielten Familien bis zur Eröffnung der Trauerhalle 2023 den Leichnam nach dem Tod und vor der religiösen Trauerfeier in der Kirche und auf dem Friedhof zuhause, um ihn in der ersten Nachtnach dem Tod zu verschleiern. Diese alte Praxis, die hier immer noch gelebt wird, ging in den meisten Teilen des Landes verloren und unterscheidet sich schon von derjenigen in der unmittelbaren Nachbarschaft. Dort ist der Kirche von São Bernardo eine Leichenhalle angegliedert, umden Körper außerhalb des eigenen Hauses, aber innerhalb kirchlicher Strukturen zu verschleiern. Der Neubau machte das alte Ritual zu einer weltlichen Praxis. Auch Oliveirinha sollte solch eine Struktur bekommen.
Was ist eine Leichenhalle, speziell in Portugal? Es ist der Ort, an dem der Leichnam in einem Sarg verabschiedet wird, wo sich Freunde und Familie während der Totenwache versammeln, um der verstorbenen Person die letzte Ehre zu erweisen und Abschied zu nehmen. Gewöhnlicherwei-se ist sie einfacher gestaltet als die in einem Bestattungsunternehmen, konzentriert auf die Privatsphäre und den Komfort der Angehörigen während der Abschiedsphase, den Stunden bevor der Leichnam für die Beerdigung auf dem Friedhof oder die Kremierung freigegeben wird. Traditionell befindet sich die Leichenhalle neben der Kirche und bleibt abends für die Totenwache geöffnet.
Der Friedhof in Oliveirinha dient der Bevölkerung von Aveiro seit Jahrzehnten und ist ein klassisches Beispiel der Vielseitigkeit der Grabkultur auf portugiesischen Gemeindefriedhöfen: Gräber, Mausoleen, Erdparzellen, Blumenschmuck, Fotografien, Kruzifixe, Kerzen – zunehmend gibt es auch Laser- und digitale Elemente zwischen der traditionellen Dekoration. Die Architektur von Sónia Lopes da Cruz schafft einen neuen Übergang zum bestehenden Friedhof, einen Portikus, der mit der Kirche in Beziehung steht und Urbanität erzeugt. Der diskrete Baukörper ist eine Verlängerung der Friedhofsmauer. Unabhängig von Kirche oder Friedhof zu betreten, bietet er Platz für Totenwachen zu jeder Tageszeit, um den Gemeindemitgliedern die Unabhängigkeit zu geben, die sie für ihre Abschiednahme brauchen.
Das bescheidene, geradlinige Gebäude transportiert mit grauem und weiß verputztem Mauerwerk, Glas und Holz eine ruhige Atmosphäre. Im Innenraum erfüllt sich die sonst in Gebäuden ähnlicher Funktionen gefundene Fülle an Dekoration nicht. Zwei Eingriffe bestimmen den Raum: Ein großes Fenster mit Blick auf eine Wiese hinter dem Sarg nimmt dem Moment der Begegnung mit dem Tod die Schwere und ersetzt die Idee eines Altars. Zweitens begrenzt die hölzerne Decke, die dunkler als der Boden ist, den Bau eindeutig nach oben. Das erinnert in dem Raum, in dem Boden und Wände weiß sind und sich farblich nicht voneinander abheben, dass dies ein materieller Ort ist, der Ort der Begegnung mit dem menschlichen Tod.
Die Trauerhalle verkörpert Vergänglichkeit undist den letzten Momenten der Fürsorge für einen anderen Menschen gewidmet. Sie bedeutet nicht nur eine Verbesserung der Friedhofsinfrastruktur, sondern übernimmt Verantwortung für das emotionale Wohlbefinden derer, die hier einen Verlust erleben. Ihre zeitgenössische und einladende Architektursprache zeugt von einer gesellschaftlichen Entwicklung bezüglich Tod und Trauer und dem Vorhandensein einer neuen architektonischen Präsenz in einer traditionell geprägten Gegend.
Aus dem Englischen von Caroline Kraft
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