Bauwelt

Autohaus-Umnutzung Winterzirkus Mahy, Gent


Nach der Sanierung wartet das ehemalige Autohaus im Genter Winterzirkus auf neue Nutzer: vom Co-working-Space bis zum Veranstaltungszentrum. Atelier Kempe Thill haben sich in Zurückhaltung geübt.


Text: Brinkmann, Ulrich, Berlin


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    Nur von Osten ist das gewaltige Volumen des im Blockinneren versteckten Winterzirkus zu erahnen.
    Foto: Ulrich Schwarz

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    Nur von Osten ist das gewaltige Volumen des im Blockinneren versteckten Winterzirkus zu erahnen.

    Foto: Ulrich Schwarz

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    Vom Vorplatz, zu dem sich auch die 2017 eröffnete Stadtbibliothek orientiert (im Anschnitt), ist der neue Konzertsaal erschlossen.
    Foto: Ulrich Schwarz

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    Vom Vorplatz, zu dem sich auch die 2017 eröffnete Stadtbibliothek orientiert (im Anschnitt), ist der neue Konzertsaal erschlossen.

    Foto: Ulrich Schwarz

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    Der Haupteingang befindet sich in einem historistischen Geschäftshaus an der Sint-Pietersniewstraat, ...
    Foto: Ulrich Schwarz

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    Der Haupteingang befindet sich in einem historistischen Geschäftshaus an der Sint-Pietersniewstraat, ...

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    ... das das Raumerlebnis im Inneren nicht ahnen lässt.
    Foto: Ulrich Schwarz

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    ... das das Raumerlebnis im Inneren nicht ahnen lässt.

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    Mit einer schmalen, großzügig verglasten Fassade wendete sich das Autohaus einst zur Lammerstraat ...
    Foto: Ulrich Schwarz

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    Mit einer schmalen, großzügig verglasten Fassade wendete sich das Autohaus einst zur Lammerstraat ...

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    ... – ein echter Showroom.
    Foto: Ulrich Schwarz

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    ... – ein echter Showroom.

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    Der neue Konzertsaal wurde, konstruktiv vom Bestand getrennt, ...
    Foto: Ulrich Schwarz

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    Der neue Konzertsaal wurde, konstruktiv vom Bestand getrennt, ...

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    ... unter der ehe­maligen Manege an­gelegt.
    Foto: Ulrich Schwarz

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    ... unter der ehe­maligen Manege an­gelegt.

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    Die Rampe des histo­ri­schen „Elefantentunnels“ dient heute als Fluchtweg.
    Foto: Ulrich Schwarz

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    Die Rampe des histo­ri­schen „Elefantentunnels“ dient heute als Fluchtweg.

    Foto: Ulrich Schwarz

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    In Gent haben Kempe Thill das ehemalige Autohaus im Winterzirkus als multifunktionalen Stadtbaustein erneuert.
    Foto: Ulrich Schwarz

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    In Gent haben Kempe Thill das ehemalige Autohaus im Winterzirkus als multifunktionalen Stadtbaustein erneuert.

    Foto: Ulrich Schwarz

Aus den Straßen der Stadt lässt sich die Größe des Gebäudes kaum ahnen: Lediglich ein Portal in einem historistischen Geschäftshaus und ein – allerdings sehr großes – Schaufenster in einer schmalen, nachkriegsmodernistisch angehauchten Fassade gibt das ehemalige Autohaus im Winterzirkus zur Sint Pietersnieuwstraat und zur Lammerstraat von sich preis. Umso stärker der Eindruck, wenn man durch die dunkle Passage ins Innere gelangt: Eine Arena unter einer weit spannenden Kuppel dehnt sich da im Blockinneren, umstellt von Beton- und Backsteinfassaden mit großen Öffnungen, hinter denen sich Rampen in die Höhe winden. Ein wenig fühlt man sich an italienische Stadträume erinnert, etwa an die Umbauung antiker Amphitheater mit Stadthäusern im Mittelalter wie in Lucca. Doch so weit reicht die Geschichte dieses Komplexes nicht zurück. Der Winterzirkus in Gent, soeben frisch saniert nach Plänen der Rotterdamer Architekten Kempe Thill und aNNo architecten aus Gent, ist gerade einmal 120 Jahre alt, und seine heutige Gestalt verdankt er vor allem der Umnutzung zum Autohaus nach dem Zweiten Weltkrieg.
Als Resultat „belgischer inspirierter Verrücktheit“, als dadaistischen „Merz-Bau“ à la Schwitters beschreibt mir Architekt André Kempe den Winterzirkus in seinem Büro in der Rotterdamer Van Nelle-Fabrik. Vom strengen Funktionalismus des Industriebaus von Brinkman & Van der Vlught ist der Bau in Flandern in der Tat weit entfernt, wie ich mich am nächsten Tage mit eigenen Augen vergewissern kann: Was hier Ende der vierziger Jahre, zwischen den erwähnten Straßen und dem Flüsschen Muinkschelde im Südosten des Genter Stadtzentrums entstand, ist eher als pragmatische, situative Aneignung des 1894 nach Plänen des Architekten Emile De Weerdt errichteten, nach einem Brand im Jahr 1920 drei Jahre später vom Architekten Jules Pascal Ledoux als Betonkonstruktion mit allen technischen Raffinessen der Zeit für 3500 Zuschauer wiederaufgebauten Winterzirkus zu lesen. Eine Aneignung, die vor Bastelei, Improvisation und spontaner Eingebung nicht zurückschreckte – natürlich vieles ohne Baugenehmigung, wie Kempe ironisch anfügt, und ohne Rücksicht auf Vorschriften und Normen für Kurvenradien und Rampenneigungswinkel. Als das Autohaus 1978 schloss, hatte Inhaber Ghislain Mahy hier Platz für rund 1000 Fahrzeuge geschaffen, für Werkstätten, Büros, eine Tankstelle und sogar einen Frisiersalon, um den Autokauf als Wohlfühlereignis zu inszenieren – eine Vorwegnahme heutiger Einkaufserlebniswelten. Fotos aus den 1950er Jahren zeigen die Faszina­tion für die glamouröse Seite der Massenmotorisierung, für die die damals hier vertriebenen Fiat-Modelle ein Inbegriff sind.
Kempe Thill, die Architekten des Umbaus, die eher als strenge Konzeptionalisten bekannt sind, zeigen sich fasziniert von diesem baulichen Konglomerat – nicht die schlechteste Voraussetzung für ihre Planung, die André Kempe als situationistisch charakterisiert, quasi auf den Spuren Mahys: „Dessen gesamter Umbau scheint die flämische Mentalität widerzuspiegeln: Modernität geht konfliktfrei einher mit einem Einfühlungsvermögen im kleinen Maßstab, das scheinbar aus einem Handwerkergeist aus einer längst vergangenen Zeit stammt, und einer fast fetischistischen Liebe zum Detail.“So bot das Gebäude beste Bedingungen für die Unterbringung der Oldtimersammlung des Inhabers, die inzwischen aber auch schon viele Jahre anderenorts, in einer ehemaligen Textilfabrik im wallonischen Leuze-en-Hainaut, ausgestellt wird – der Winterzirkus stand seit 1997 leer.
Nachdem die städtische Liegenschaftsgesellschaft Sogent das Gebäude im Jahr 2005 gekauft hatte, lobte die Stadt 2012 einen eingeladenen Wettbewerb für die Umnutzung aus. Damals stand noch eine Nutzung des Gebäudes durch das Flämische Archiv für audiovisuelle Medien und eine Bibliothek im Fokus der Umnutzung, doch obwohl sich diese Perspektive zerschlagen hat und die Wettbewerbssieger Kempe Thill nach dem Bauantrag ausschieden, entspricht das Ergebnis ziemlich genau ihrem Entwurf. Dessen Ansatz war bestechend einleuchtend: Den gewünschten Konzertsaal für 500 Zuschauer unter der einstigen, 1200 Quadratmeter großen Manege anzulegen, um das Gebäude selbst nicht antasten zu müssen. Dieses wurde lediglich gedämmt und mit neuen Fenstern ausgestattet – zum Glück aber nicht im inneren Rund, wo die originale Stahl-, Beton- und Backsteinkonstruktion, die filigranen Stahlfenster und die Spuren der Zeit und Nutzung ablesbar geblieben sind.
Nun, nach Abschluss der Arbeiten, die SUM Architects in Zusammenarbeit mit BARO architecten betreut haben, ist von diesem neuen Konzertsaal wenig zu ahnen, wenn man oben, im ehemaligen Autohaus steht, und zwar weder optisch noch akustisch: Der Konzertsaal ist eine Haus-im-Haus-Konstruktion. Auch seine Erschließung zeigt sich unabhängig organisiert vom Rest des Gebäudes, was möglich war aufgrund des zur Muinkschelde hin abfallenden Geländes: Von dort ist der Zugang zum Konzertsaal ebenerdig, unterhalb des einstigen Autohauses, angeordnet. Rückseiten-Atmosphäre kommt trotzdem nicht auf – direkt nebenan wurde 2017 die neue Stadtbibliothek „De Krook“ nach Plänen der spanischen Pritzker-Preisträger RCR Arquitectes eröffnet und ein neuer Platz angelegt. Eine Besonderheit ist die Rampe, über die einst die Tiere in die Manege geführt wurden. Sie war dem Denkmalschutz besonders wichtig und dient heute als Fluchtweg für die Konzertbesucher.



Fakten
Architekten Atelier Kempe Thill, Rotterdam; aNNo architects, Gent; Baro Architectuur, Gent; SUM Project, Brüssel
Adresse Miriam Makebaplein 2, 9000 Gent, Belgien


aus Bauwelt 2.2023
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