Bauwelt

Ein Konzerthaus auf Eis

Schon vor dem Einbruch der öffentlichen Haushalte infolge der Corona-Pandemie war das im Münchner „Werksviertel“ geplante Konzerthaus umstritten. Doch nun will der Bayerische Landtag das Vorhaben auf die lange Bank schieben.

Text: Stock, Wolfgang Jean, München

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Das Terrain für das Münchner Konzerthaus hinter dem Ostbahnhof bleibt vorest leer. Gebaut wurde ein 86 m hoher Hotelturm.
Foto: Sebastian Schels

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Das Terrain für das Münchner Konzerthaus hinter dem Ostbahnhof bleibt vorest leer. Gebaut wurde ein 86 m hoher Hotelturm.

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Ein Konzerthaus auf Eis

Schon vor dem Einbruch der öffentlichen Haushalte infolge der Corona-Pandemie war das im Münchner „Werksviertel“ geplante Konzerthaus umstritten. Doch nun will der Bayerische Landtag das Vorhaben auf die lange Bank schieben.

Text: Stock, Wolfgang Jean, München

Auf dem Projekt für das neue Münchner Konzerthaus lag von Anfang an kein Segen. Wie wir vor drei Jahren berichtet haben (Bauwelt 1.2018), gab es zunächst einen Hickhack um den Standort. Trotz heftiger Einwände einigte man sich schließlich auf einen Kompromiss: Der Neubau, gewünscht vor allem als Heimstätte für das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, sollte im Werksviertel jenseits des Münchner Ostbahnhofs entstehen. Der damalige Chefdirigent Mariss Jansons willigte ein, weil er befürchtete, ansonsten kein Haus für sein Orchester zu bekommen. Darauf folgte ein nicht offener Wettbewerb, den im Herbst 2017 die Vorarlberger Architekten Cukrowicz Nachbaur gewannen.

Auf der Bremse

Bauherr des neuen Gebäudes ist der Freistaat. Somit spielt der Haushaltsausschuss des Bayerischen Landtags eine entscheidende Rolle: Er muss die Gelder bewilligen. Und dieser Ausschuss trat schon Ende 2017 auf die Bremse, wenige Wochen nach Abschluss des Wettbewerbs – er verweigerte Mittel für den Aushub der Baugrube, da „die weiteren Baumaßnahmen noch nicht terminiert werden können“. Große Proteste in der Münchner Kulturszene blieben aus, denn nur wenige konnten sich mit dem preisgekrönten Entwurf anfreunden. Von da an hing das Projekt in der Schwebe. Zwar bekannte sich im Frühjahr 2018 der neue Ministerpräsident Markus Söder zum Neubau. Der Staatssäckel war ja noch gut gefüllt. Im Landtag aber verstärkte sich die Distanz zum Neubau. Kein Wunder: Bayern ist ein Flächenstaat mit 13,5 Millionen Einwohnern und acht Großstädten – da gibt es viele Begehrlichkeiten, die politisch befriedigt sein wollen. Der „Wasserkopf“ München ist im Land nicht gerade beliebt.
So verkündete der Ministerpräsident eine salomonische Lösung: München soll den Neubau bekommen, aber auch Nürnberg – mit staatlicher Unterstützung – ein neues Konzerthaus. Dieses Junktim ist mittlerweile obsolet, weil die Stadt Nürnberg im Herbst letzten Jahres ihr Projekt we­­gen fehlender Eigenmittel beerdigte. Bewegung in die Debatte über das Münchner Projekt brachten im Landtag die finanziellen Probleme für den Staatshaushalt aufgrund der Pandemie. Weil zudem die voraussichtlichen Baukosten von etwa 400 auf mindestens 750 Millionen Euro gestiegen waren und die Abgeordneten ein Elbphilharmonie-Desaster befürchten, meldete sich im Mai 2020 als Erster der prominente CSU-Vertreter Winfried Bausback im Kunstausschuss zu Wort: „Für mich steht ein Fragezeichen dahinter, inwieweit ein solches Projekt jetzt darstellbar ist.“ In der gleichen Sitzung sagte der FDP-Abgeordnete Wolfgang Heubisch, die Staatsregierung habe wohl festgestellt, dass der Bauplatz zu knapp bemessen sei. Schon Arno Lederer, der Vorsitzende des Preisgerichts, hatte uns gegenüber den Standort im Nachhinein als „beschissen“ bezeichnet.
Für einen Paukenschlag sorgte nun Anfang dieses Jahres eine Äußerung von Josef Zellmeier, CSU-Abgeordneter und Vorsitzender des Haushaltsausschusses. Angesichts der Umstände solle man das Projekt „auf die lange Bank schieben“. Auf meine Bitte um Erläuterung teilte er mit: „Das Konzerthaus München ist kein Projekt, zu dem aktuell eine Entscheidung getroffen werden muss. Hier gilt für mich: Sorgfalt vor Schnelligkeit. Zunächst müssen die Vorplanungen abgeschlossen werden. Erst dann lassen sich ehrlich die Kosten prognostizieren. Wenn diese vorliegen, müssen wir ernsthaft darüber nachdenken, ob diese große Maßnahme gerade jetzt umgesetzt werden muss. Jetzt geht es darum, alles zu tun, dass wir gut aus der Coronakrise kommen.“

Kritik aus der Bürgerschaft

Nach diesem eindeutigen Statement wird das neue Konzerthaus zumindest auf Eis liegen. Den Politikern ist zudem aufgefallen, dass sich für dieses Projekt in München keine große Bürgerbewegung einsetzt wie in den 1990er Jahren für die Pinakothek der Moderne. Im Gegenteil: Immer wieder erscheinen vor allem in der „Süddeutschen Zeitung“ Leserbriefe mit teilweise heftiger Kritik. Stellvertretend sei hier aus der Zuschrift der international geschätzten Münchner Pianistin Yaara Tal in der SZ vom 30. September 2020 zitiert. Mit Blick auf Hamburg schrieb sie: „Dort haben die ansässigen Kaufleute ihre Elbphilharmonie mit zig Millionen unterstützt, während sich bis jetzt die Münchner mit zarten drei Millionen an dem Projekt beteiligt haben. Es sollte niemanden wundern, wenn sich die Münchner Bürgerschaft für das Ostpark-Hinterhof-Projekt nicht erwärmen kann: Ein zeitgemäßes Konzerthaus gehört nun mal an einen auratischen Ort – oder ins kulturelle Zentrum einer Stadt.“
Der von Yaara Tal apostrophierte Hinterhof offenbart sich neuerdings mehr denn je. Nachdem bereits die Architekten Hild & K ein siebengeschossiges Hotel vor das geplante Konzerthaus gesetzt haben, ragt nun auch noch der 86 Meter hohe Hotelturm von Steidle Architekten (Werk 4) unmittelbar neben dem Bauplatz empor. Wie soll da ein wesentlich niedrigeres Konzerthaus auf seiner Restfläche würdevoll zur Geltung kommen? Architekt Gert Goergens, bis 2016 Münchner Stadtheimatpfleger, unterstützt die Kritik der Musikerin Tal: Weil die Innenstadt geschwächt aus der Pandemie herauskommen werde, gehöre der neue Konzertsaal nun erst recht ins Zentrum, um für Belebung zu sorgen. So gilt weiterhin, was vor drei Jahren in der Bauwelt stand: Das aufblühende Werksviertel – siehe das Werk 12 von MVRDV als Finalist beim aktuellen DAM-Preis – braucht das Konzerthaus nicht, dieses aber einen angemessenen Ort.

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