Bauwelt

Gemeinde statt Kirche

Eine halbe Million Deutsche verließen 2019 ihre Kirchengemeinde. Die stetig hohen Austrittszahlen haben auch Folgen für die Gotteshäuser. In Hanno­ver wird ein Kirchenbau der Sechziger Jahre abgerissen und durch ein Gemeindezentrum mit Kirchensaal und Kita ersetzt.

Text: Crone, Benedikt, Berlin

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    Die Corvinuskirche in Hannover-Stöcken kurz nach Fertigstellung 1962
    Archiv Roderich Schröder, Wikepedia

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    Die Corvinuskirche in Hannover-Stöcken kurz nach Fertigstellung 1962

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    Innenraum, 1964
    Archiv Börner, Wikipedia

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    1. Preis: Hübotter + Stürken + Dimi­trova, Hannover
    Abb.: Architekten

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    2. Preis: saboArchitekten, Hannover
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    3. Preis: Nehse & Gerstein Architekten, Hannover
    Abb.: Architekten

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Gemeinde statt Kirche

Eine halbe Million Deutsche verließen 2019 ihre Kirchengemeinde. Die stetig hohen Austrittszahlen haben auch Folgen für die Gotteshäuser. In Hanno­ver wird ein Kirchenbau der Sechziger Jahre abgerissen und durch ein Gemeindezentrum mit Kirchensaal und Kita ersetzt.

Text: Crone, Benedikt, Berlin

Man könnte es sich an dieser Stelle einfach machen und den Abriss eines schönen Gebäudes mit großen Worten betrauern. Denn in der Tat ist die Entscheidung über das Ende der Corvinuskirche in dem Hannoveraner Stadtteil Stöcken schwer nachzuvollziehen. Doch hinter der Entscheidung verbirgt sich eine längere Geschichte, die zeigt, aus welcher Lage heraus Kirchen über Erhalt oder Schließung ihrer Häuser vor allem in den Stadtgebieten der Fünfzi­ger und Sechziger Jahre richten müssen.
1962 hatte der hannoversche Architekt Roderich Schröder in Stöcken, in einer luftig grünen Umgebung aus Zeilenbauten und kurvigen Straßenverläufen, eine kleine Backsteinkirche auf fünfeckigem Grundriss mit einem zeltartig zulaufenden Dach realisiert. Daneben setzte er einen 35 Meter hohen Glockenturm. Auf eine Verkleidung verzichtete Schröder, sodass innen das Betontragwerk ebenso sichtbar war wie das Holz in den Deckenkassetten. Mit dem schiefergedeckten Dach und den für die norddeutsche Stadt typischen roten Ziegeln der Mauern gelang dem Architekten der Brückenschlag von der modernen Form des Kirchenbaus zu einer der Ortsgeschichte bedächtig folgenden Materialwahl, was in die sympathische Bescheidenheit eines Sakralgebäudes der späten Nachkriegsmoder­ne mündete. Ein halbes Jahrhundert diente die Corvinuskirche der evangelisch-lutherischen Gemeinde – 2012 wurde der Bau entwidmet, ein Abriss folgt dieses Jahr. Was war geschehen?
2006 waren die schrumpfenden Kirchengemeinden Stöcken und Ledeburg fusioniert. Bei­de verfügten über ein Kirchengebäude, was zu einem Streit darüber führte, welches der beiden als Ort der neuen Doppelgemeinde weitergenutzt werden sollte. Man ging schließlich einen Mittelweg und wollte eine dritte Kirche erwerben, von der katholischen Gemeinde. Diese hätte Gastrecht erhalten. Doch für den Kauf hätte die evangelische Gemeinde mindestens eine ih­rer beiden Kirchengebäude veräußern müssen. Nicht nur das gestaltete sich schwierig. Auch die Verhandlungen mit der katholischen Kirche endeten ohne Erfolg.

Heilsbringender Neubau
Da die Nutzung der bisherigen zwei Kirchen eine Sanierung und einen weiterhin teuren Unterhalt bedeutet hätte, entschied sich die Gemeinde für den Abriss der Corvinuskirche und einen Neubau an gleicher Stelle. Doch die Erben des Architekten Schröder intervenierten und erreichten, dass der Kirchenbau 2012 unter Denkmalschutz gestellt wurde. Darauf wurde ein Ideenwettbewerb zur Umnutzung und Erweiterung der Corvinuskirche durchgeführt, die Gemeinde bewertete die Ergebnisse aber als zu teuer. 2017 erstrittdie Gemeinde schließlich das Recht zum Abriss des Kirchenbaus. Die Richter erklärten, das Landesamt für Denkmalschutz hätte nicht ausreichend darlegen können, warum dem Bauwerk gegenüber anderen Kirchen jener Zeit eine besondere Bedeutung zukomme. Nicht alle in der Gemeinde waren von diesem Erfolg angetan; einzelne Mitglieder, die sich für den Erhalt der Corvinuskirche einsetzten, traten vom Kirchenvorstand zurück.
In dieser zerstrittenen Atmosphäre setzt die Gemeinde nun große Hoffnung auf einen vielleicht heilsbringenden Neubau. Die überwiegend in Hannover ansässigen Teilnehmer eines Einladungswettbewerbs standen damit vor der Aufgabe, ein für einen Neuanfang stehendes Gemeindezentrum mit Kirchensaal, Kita-Gruppenräumen, Büros und neuem Glockenturm zu entwerfen, das unweigerlich dem Vergleich mit dem Vorgängerbau standhalten musste.

Einladend oder feierlich
Dem Entwurf des 1. Preisträgers, des Hannoveraner Büros Hübotter + Stürken + Dimitrova, gelingt ein klarer Grundriss mit einer übersichtlichen Reihung der Kitaräume, einem geschickten seitlichen Zugang zum Kirchensaal und einer Integration des teilverglasten Turms ins zweigeschossige Gebäude. Ein Vorplatz im Osten und bodentiefe Fenster der Gemeinderäume bilden die für den Bauherrn wichtige „einladende Geste“. Leider nur fällt es schwer sich vorzustellen, der helle Kratzputz könne der Fassade einen besonderen Reiz verleihen.
Beachtet man die Geschichte von Stadt wie Standort, liegen die Ziegelfassaden der beiden anderen Preisträger näher. Gerade der aus zwei Baukörpern zusammengesetzte, eingeschossi­ge Entwurf von Nehse & Gerstein Architekten (3. Preis) könnte mit seinem Ziegelturm und den Dachaufbauten wohl ein Gebäude ergeben, das der Gemeinde im Viertel tatsächlich eine neue Präsenz verleiht. Manche Preisrichter störten sichaber gerade an dieser „feierlichen“ Erscheinung. Auch fiel Kritik am Grundriss: am Gegenüber von Gruppen- und Verwaltungsräumen, an der fensterlosen Küche und der von außen einsehbaren Büros am Eingangsbereich.
Es bleibt nach dem Wettbewerb dabei – und daran konnten die Teilnehmer wenig ändern –, dass der Neubau einen schweren Start haben wird. Aus bauhistorischer Sicht, aber auch öko­logisch, ist der Abriss fragwürdig. Klar ist aber auch: Die Ansprüche an die Kirche, die in dem Bau mehr Funktionen zu bündeln hat als in der Kirche vor 50 Jahren, haben sich gewandelt, die Gemeinde schrumpft, Einnahmen sinken. Wenn niemand der Kirche einen neuen, „profanen“ Nutzen abgewinnen kann, wäre auch so ein Verfall nur schwer vermeidbar gewesen.
Einladungswettbewerb
1. Preis (6000 Euro) Hübotter + Stürken + Dimitrova Architektur & Stadtplanung, Hannover; Lohaus Carl Köhlmos Landschaftsarchitekten, Hannover; H2A, Hannover; Proforma, Kassel
2. Preis (4000 Euro) saboArchitekten, Hannover; plateau Landschaftsarchitekten, Hannover; AiR Ingenieurbüro, Hannover; H2A, Hannover
3. Preis (2100 Euro) Nehse & Gerstein Architekten, Hannover; IPJ, Köln; Müller-BBM, Planegg/München
Juryvorsitz
Zvonko Turkali
Wettbewerbsbetreuung
Kleine + Assoziierte, Hannover
Auslober
Evangelisch-Lutherische Kirchengemeinde Ledeburg-Stöcken

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