Bauwelt

Hamburg-Ottensen. Der Freiraum

Im Herbst 2019 startete Hamburg den sechsmonatigen Versuch, ein dicht bebautes Quartier autofrei zu gestalten. Trotz großem Zuspruch aus der Bevölkerung musste das Projekt frühzeitig beendet werden.

Text: Mijatović, Maja, Wien

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    Täglich fahren zahlreiche PKWs durch das Stadtteilzentrum Ottensen. Das führt häufig zu Konflikten mit anderen Verkehrsteilnehmern.
    Foto: Isadora Tast/Bezirks­amt Altona

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    Täglich fahren zahlreiche PKWs durch das Stadtteilzentrum Ottensen. Das führt häufig zu Konflikten mit anderen Verkehrsteilnehmern.

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    Fünf Straßenabschnitte wurden für den Modellversuch temporär zu Fußgängerzonen umgewidmet.
    Plan: Bezirksamt Altona

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    Fünf Straßenabschnitte wurden für den Modellversuch temporär zu Fußgängerzonen umgewidmet.

    Plan: Bezirksamt Altona

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    Zum Projektstart wurde Rollrasen über die Fahrbahn gelegt und die Straße in einen kleinen Park verwandelt.
    Foto: Isadora Tast/Bezirks­amt Altona

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    Zum Projektstart wurde Rollrasen über die Fahrbahn gelegt und die Straße in einen kleinen Park verwandelt.

    Foto: Isadora Tast/Bezirks­amt Altona

Hamburg-Ottensen. Der Freiraum

Im Herbst 2019 startete Hamburg den sechsmonatigen Versuch, ein dicht bebautes Quartier autofrei zu gestalten. Trotz großem Zuspruch aus der Bevölkerung musste das Projekt frühzeitig beendet werden.

Text: Mijatović, Maja, Wien

Es war ein besonderer Moment, als man über den leuchtend gelben Bodenbelag mit dem großen Schriftzug „Ottensen macht Platz“ schritt und damit das neue, fast autofreie Quartier im Zentrum Ottensens betrat. Wo sonst Lieferwagen auf der Fahrbahn hielten und PKWs ihre Schleifen auf der Suche nach Parkplätzen drehten, saßen nun kleine Menschengruppen lachend auf gelbem Stadtmobiliar und genossen ihr Feierabendbier. Die schmalen Gehwege, auf denen man sich vorher aneinander vorbeidrängte, waren nur noch eine Option, kein Muss. Statt Blech gab es Aussicht auf die vielen kleinen Läden, aber auch auf ein neues Quartier im Umbruch.
Seit einigen Jahren nimmt in Deutschland die Diskussion um die Verkehrs- und Mobilitätswende Form an. Grund dafür ist die Klimakrise, aber auch die Nachverdichtung von Großstädten. Die zunehmende Belegung des öffentlichen Raums durch den motorisierten Individualverkehr lässt immer mehr Menschen ihr Mobilitätsverhalten kritisch hinterfragen. Muss jeder Ort in der Stadt mit dem eigenen Kraftfahrzeug erreichbar sein?
Um festzustellen, wie eine autoarme Mobilität in dicht bebauten Stadtteilen funktionieren kann, wurde der sechsmonatige Modellversuch „Ottensen macht Platz“ am 1. September 2019 gestartet. Das Experiment war das Ergebnis verschiedener Workshops, die im Rahmen des EU-Projekts Cities4People – einer Kooperation der HafenCity Universität Hamburg und des Bezirks Altona – 2018 in Hamburg stattgefunden haben.
Als Projektgebiet dienten fünf Straßenabschnitte des Ottenser Stadtteilkerns. Diese wurden temporär zu Fußgängerzonen umgewidmet und damit fast komplett autofrei. Die Durchfahrt war lediglich für Radfahrende, Taxis und Anwohner mit Sondergenehmigung in Schrittgeschwindigkeit erlaubt. Anlieferungen für den Einzelhandel sowie Handwerksbetriebe waren zwischen 23 und 11 Uhr gestattet. Mobilitätseingeschränkten Menschen standen sechs sogenannte Pick-up-Points zur Verfügung – besondere Haltebuchten in Seitenstraßen, an denen sie ein- bzw. aussteigen durften. Wissenschaftlich begleitet wurde der Modellversuch durch regelmäßige Erhebungen, Verkehrszählungen sowie Befragungen von Anwohnern, Passanten, Marktbetreibern und lokalen Gewerbetreibenden.
Das ausgewählte Projektgebiet stellte einen idealen Ort für einen solchen Versuch dar: Der funktionsdurchmischte Stadtteil mit seiner dichten und kleinteiligen Bebauungsstruktur ist durch die Vielzahl an Cafés und kleinen Geschäften sowie einem Wochenmarkt bei Anwohnern und Bürgern aus der erweiterten Nachbarschaft sehr beliebt. Zudem befindet sich das Projektgebiet in fußläufiger Nähe zum Bahnhof Altona, einem wichtigen Verkehrsknotenpunkt, der sowohl durch Fern- und Nahverkehrszüge als auch von der S-Bahn und zahlreichen Bussen regelmäßig angefahren wird. Mehrere Parkhäuser rund um den Bahnhof Altona bieten zudem zusätzliche Abstellmöglichkeiten für PKWs.
Bereits kurz nach Projektstart eigneten sich Anrainer und Besucher die neuen Freiräume an. Statt parkender Autos säumten nun eine Tauschbox, Fahrradbügel und große Pflanzenkästen die Stellplätze. Dazwischen bot das neu eingeführte multifunktionale Stadtmobiliar Verweil- und andere Nutzungsmöglichkeiten. Die Begeisterung war groß: Die Mehrheit der Befragten sprach sich für eine dauerhafte Fortführung des Projekts aus.
Doch es gab auch Kritik. Zwei Gewerbetreibende klagten im Eilverfahren vor dem Hamburger Verwaltungsgericht und bekamen Recht. Sie bezogen sich auf die sogenannte „Erprobungsklausel“ der Straßenverkehrsordnung (§45 Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 StVO), die nur dann angewandt werden darf, wenn eine konkrete Gefahrenlage vorliegt. In Ottensen war dies nicht der Fall. Aus diesem Grund wurde das Projekt vier Wochen vor dem eigentlichem Abschluss beendet. Nur wenige Wochen später beschloss die Bezirksversammlung allerdings eine dauerhafte, angepasste Umsetzung des Projekts. Mit dem neuen Titel „freiRaum Ottensen“ startet Mitte Juni die Fortsetzung von „Ottensen macht Platz“. Bis 2024 soll ein kleines Team im Dialog mit Anwohnern und Gewerbetreibenden die Umgestaltung der Straßenräume zugunsten eines autoarmen Quartiers erarbeiten.
Auch jenseits von Ottensen beginnt der Wandel. Im Sommer 2019 wurde ein autofreies Rathausquartier über drei Monate erprobt. Seit Oktober 2020 wird der benachbarte Jungfernstieg weitgehend autofrei umgestaltet. Und im April präsentierte eine lokale Initiative aus Eimsbüttel ihren Projektvorschlag des autoarmen Wohnquartiers „Superbüttel“, das sich am Vorbild der sogenannten Superblocks aus Barcelona orientiert.

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