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In die nächste Runde

Der Berliner Senat hat die Debatte über die Zukunft des Tempelhofer Felds wieder eröffnet. Im November soll ein internationaler Ideenwettbewerb starten.

Text: Friedrich, Jan, Berlin

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Foto: © Geoportal Berlin/Digitale farbige TrueOrthophotos 2024

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In die nächste Runde

Der Berliner Senat hat die Debatte über die Zukunft des Tempelhofer Felds wieder eröffnet. Im November soll ein internationaler Ideenwettbewerb starten.

Text: Friedrich, Jan, Berlin

Was ist angesichts des Volksentscheids von 2014, der sich gegen jegliche Veränderung aussprach, davon zu halten?
2010 wurde das Tempelhofer Feld, das ehemalige Flugfeld des zwei Jahre zuvor stillgelegten Tempelhofer Flughafens, als Freifläche der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Seit Juni 2014 schützt das durch einen Volksentscheid zustande gekommene „Gesetz zum Erhalt des Tempelhofer Feldes“ (ThF-Gesetz) das Gelände vor Veränderungen. Die über viele Jahre geplante landschaftsplanerische Umgestaltung des Areals und eine Bebauung der Ränder wurden gestoppt. Der seit April 2023 in Berlin regierende schwarz-rote Senat möchte nun, mit explizitem Bezug auf die Wohnungsnot in der Stadt, die Möglichkeit einer „behutsamen Randbebauung“ erneut prüfen. Wie lässt sich mit größtmöglicher Demokratiehygiene ein auf einem Volksentscheid fußendes Gesetz ändern? An zwei Wochenenden im September sind 275 Berlinerinnen und Berliner, die aus einer Zufallsstichprobe von 20.000 Menschen ausgewählt wurden, zu „Dialogwerkstätten“ über die Zukunft des Areals eingeladen. Ihre Empfehlungen sollen in die Auslobung eines internationalen Ideenwettbewerbs einfließen, der im November starten wird. Wie wird in der Architektenschaft, die letztlich Adressat einer solchen Konkurrenz ist, darüber diskutiert?
„Diese einmalige Art von Stadtaneignung und Stadtbespielung, die wir mit dem Tempelhofer Feld in Berlin haben – die ist ein Riesenerfolg. Es wäre fatal, wenn wir das nun anknabbern würden“, meint Theresa Keilhacker, Präsidentin der Architektenkammer Berlin. Stattdessen müsse man sich endlich ernsthaft mit der Zukunft des Gebäudes des Tempelhofer Flughafens auseinandersetzen und dies entsprechend finanzieren. Denn ganz klar gelte heute: Bestandsentwicklung vor Neubau. „Es gibt so viel Bestand in Berlin, der vor sich hin rottet, den man – auch zum Wohnen – umnutzen könnte. Der bisherige Umgang damit ist vollkommen phantasielos“, beklagt Keilhacker, die sich seit Jahren für all jene Themen engagiert, die wir inzwischen unter dem Begriff Bauwende zusammenfassen. Nun im Rahmen eines Wettbewerbs ein weiteres Mal Ideen für das Feld abzufragen, findet sie ärgerlich: „Es gab schließlich bereits diverse Ideenwettbewerbe in den vergangenen Jahren.“
„Kann ich etwas bauen, das die Struktur des Tempelhofer Feldes nicht zerstört?“ Das wäre die Frage, die es für Planerinnen und Planer in einem Wettbewerb zu beantworten gelte, sagt Andrea Gebhard, Präsidentin der Bundesarchitektenkammer. Es sei schön, dass die Menschen den Freiraum dort so sehr schätzen, eine Bebauung müsse daher absolut untergeordnet sein. Die Forderung, alles solle selbstverständlich genau so bleiben, wie es jetzt ist, sei jedoch eine sehr egoistische Haltung. „Heute ist der Park, wenn man es überspitzt ausdrückt, im Sommer eigentlich nur für junge Leute geeignet, die keine Angst haben müssen, dort einen Hitzschlag zu bekommen. Das Tempelhofer Feld muss aber ein Park für alle Menschen sein“, mahnt die Landschaftsarchitektin und Stadtplanerin an. Natürlich sei der baumlose Freiraum, der das Tempelhofer Feld heute ist, auch ein Kaltluftentstehungsgebiet, doch der Ort brauche darüber hinaus Aufenthaltsqualität. „Und wir sind heute, mehr als vor zehn Jahren, an einem Punkt, wo wir dringend Wohnraum brauchen. Es gibt verschiedene Parameter, die man aushandeln muss. Das muss man offen diskutieren!“
„Für mich ist die gegenwärtige Diskussion um das Tempelhofer Feld keine Debatte, die auf der Ebene von Stadtplanung zu führen ist, sondern auf der Ebene von Demokratieverständnis“, meint hingegen der Berliner Architekt Arno Brandlhuber, der vor zehn Jahren Mitinitiator der Initiative StadtNeudenken war, die sich – erfolgreich – gegen den weiteren Ausverkauf landeseigener Liegenschaften in Berlin engagierte. „Es gab 2014 einen Volksentscheid, ein Element direkter Demokratie. Die jetzige Berliner Landesregierung möchte offensichtlich ein anderes Regierungshandeln zeigen, weg von plebiszitären Strukturen, zurück zum reinen repräsentativen System. Von Bottom-up-Elementen zu Top-down-Strukturen. Das sollten die Protagonisten dann aber auch so mitteilen.“ Stattdessen beabsichtigten sie, das Tempelhofer Feld zum Stellvertreterobjekt dieser Debatte um das Demokratieverständnis zu machen. Dazu gehöre auch der Versuch, den Volksentscheid in Misskredit zu bringen, indem man impliziere, dass wegen des Volksentscheids in Berlin Wohnungsknappheit bestehe, was „offensichtlich völliger Unsinn ist“. Wenn man unbedingt am Tempelhofer Feld Wohnungen bauen möchte, so Brandlhuber, dann gäbe es ausreichend unbebaute Flächen, deren Bebauung nicht vom Tempelhofer-Feld-Gesetz ausgeschlossen seien. „Dazu müsste man die Flächen vor dem ehemaligen Flughafengebäude in den Blick nehmen. Wir haben mit Studierenden an der ETH Zürich analysiert, dass dort Potenzial für den Bau von Tausenden Wohnungen bestünde.“
„Ich sehe die Frage nach einer möglichen Randbebauung räumlich differenziert“, erläutert Julia Dahlhaus, Vorsitzende des BDA Berlin. Ihr Blick auf das Feld habe sich im Laufe der Jahre gewandelt. „Inzwischen hielte ich es für einen Fehler, die Neuköllner Seite des Tempelhofer Feldes zu bebauen. Neukölln ist ein extrem dicht bewohnter Bezirk.“ Dort für noch mehr Menschen Wohnraum zu schaffen, würde die öffentlichen Räume überlasten. Außerdem funktioniere die Kante zwischen Oderstraße und dem Feld räumlich hervorragend. „Entlang des Tempelhofer Damms sollte man eine Bebauung prüfen. Die stadträumliche Situation ist dort unbefriedigend. Eine Bebauung kann sowohl der Straße als auch dem Feld guttun. Und am südlichen Rand Gewerbe oder besser noch eine Mischung aus Gewerbe und Wohnen anzusiedeln, das sollte ebenso geprüft werden.“ Was hält Dahlhaus von den vom Senat veranstalteten Dialogwerkstätten, die Kritiker als Feigenblatt bezeichnen? „Ich finde solche Dialogverfahren grundsätzlich erst einmal spannend. Manchmal führen sie zu wesentlich mutigeren Ergebnissen als konventionelle Prozesse.“ Und sollte man bei dem angekündigten Wettbewerb mitmachen oder angesichts der heiklen Gemengelage lieber die Finger davonlassen? „Selbstverständlich sollten wir Planerinnen und Planer bei dem Wettbewerb mitmachen! Wir erzeugen schließlich die Raumbilder, über die die Öffentlichkeit dann debattieren kann.“

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