Bauwelt

Kann uns Gestaltung retten?

Zur 22. Triennale di Milano

Text: Stumm, Alexander, Berlin

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    Den Beitrag für Deutschland liefert der Fotograf und Videokünstler Armin Linke.
    Foto: Martina Pozzano, Armin Linke

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    Im Australischen Pavillon: Die Installation „Theatre of the Alienated Land“.
    Zeichnungen: Francesca Capicchioni, Melinda Barbagallo, Charles Curtin, Isaac Harrisson und Miguel Luis Gilarte

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    Im Australischen Pavillon: Die Installation „Theatre of the Alienated Land“.

    Zeichnungen: Francesca Capicchioni, Melinda Barbagallo, Charles Curtin, Isaac Harrisson und Miguel Luis Gilarte

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    „The Ice Stupa“ von Sonam Wangchuk ist ein künstlicher Gletscher, der den Folgen des Klimawandels
    in der Region Ladakh, im Norden Indiens, entgegen­wirken soll. Er speichert Wasser in Form von Eishaufen. Während des Sommers, schmilzt der Ice Stupa und ermöglicht den Gemeinden, die Wasserversorgung. Das Projekt star­tete 2014 und wird von der studentisch organisierten NGO SECMOL verwaltet.
    Foto: Lobzang Dadul, SECMOL

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    „The Ice Stupa“ von Sonam Wangchuk ist ein künstlicher Gletscher, der den Folgen des Klimawandels
    in der Region Ladakh, im Norden Indiens, entgegen­wirken soll. Er speichert Wasser in Form von Eishaufen. Während des Sommers, schmilzt der Ice Stupa und ermöglicht den Gemeinden, die Wasserversorgung. Das Projekt star­tete 2014 und wird von der studentisch organisierten NGO SECMOL verwaltet.

    Foto: Lobzang Dadul, SECMOL

Kann uns Gestaltung retten?

Zur 22. Triennale di Milano

Text: Stumm, Alexander, Berlin

Mit dem Titel „Broken Nature: Design Takes on Human Survival“ eröffnete im März die XXII. Triennale di Milano. Unter der Präsidentschaft von Architekt Stefano Boeri und der MoMA-Chef­kuratorin Paola Antonelli entstand eine mitunter kämpferische Ausstellung, die sich den inzwischen spürbaren ökologischen Umwälzungen widmet. Wir haben die komplexen Kreisläufe des Planeten aus den Bahnen geworfen, die engen Verbindungsfäden zwischen Mensch und Natur sind ausgefranst, teilweise unwiderruflich durchtrennt. Mit dem Begriff Restorative Designspürt die Ausstellung jenen Gestaltungskonzepten und -objekten nach, die die Komplexität des Systems fassbar und neue Lösungswege gangbar machen. Architektur, so Antonellis zwiespältiger Tenor, kann die Welt zum Besseren wenden oder zumindest „sicherstellen, dass sich die nächste dominante Spezies mit einem Minimum an Respekt an uns erinnert: als würdevolle und fürsorgliche, wenn nicht gar intelligente Wesen.“
In der internationalen Ausstellung versammeln sich deshalb Projekte, die Lösungen für akute oder chronische klimabedingte Funktionsstörungen aufzeigen: So „Ice Stupa“ von Sonam Wangchuk, der in der Hochebene von Ladakh künst­liche Gletscher anlegt, um Wasser für die immer wärmeren Sommermonate zu speichern, oder das von einem internationalen Team initiierte Sandbankprojekt auf den Malediven, das die natürliche Kraft der Wellen nutzen will, um die Erosion der Küsten umzukehren. Daneben finden sich theoretische Untersuchungen, wie Lindsey Wikstrom Lees „Three Material Stories“, in dem die Zusammenhänge von materieller Ressourcen, Raum, Energie, Gesetzgebung und menschlicher Arbeit in der Architektur analysiert wird, oder der Arbeit „PIG 05049“ von Christien Meindertsma, die nachspürt, in wie vielen Produkten die Bestandteile eines einzelnen Schweins stecken: Es sind 185, die wenigsten davon Nahrungsmittel.
Den britischen Pavillon mit dem Fokus Migration bespielt die Gruppe Forensic Architecture rund um Eyal Weizman. Dass Migration nicht nur durch den Klimawandel mitbedingt ist, sondern dass natürliche Barrieren wie Wüsten oder Ozeane auch der politischen und ideologischen Abschottung dienen, zeigt sie in ihren Analysen einer Aktion der von der EU finanzierten und ausgerüsteten libyschen Küstenwache, die am 6. November 2017 von Sea Watch aufgezeichnet wurde.
Der Australische Pavillon zeigt mit der Video­installation „Theatre of the Alienated Land“ eine spekulative Fiktion über das Große Barrieren Riff, das wegen der klimabedingten Erwärmung der Meere substanziell bedroht ist. Das kurato­rische Team um Amaia Sanchez-Velasco macht die von der Politik betriebene „theatrale Ablenkung“ mit Argumenten, die sich auf den (ökonomisch vordefinierten) „gesunden Menschenverstand“ berufen, zum eigentlichen Kern des Problems. Als Gegen-Narrativ erfinden die Kura­toren die Xenofeminist International Corporation. Sie besetzt das Riff und angrenzende Territorien, um die Ausbeutung des Planeten durch die Maximen der Freude und offenen Grenzen zu ersetzen. Die Arbeit wurde mit dem ersten Preis der Triennale ausgezeichnet – einer goldenen Biene.
Eigentlicher Höhepunkt der Triennale ist jedoch der deutsche Beitrag, die Arbeit „Carceri d’Invenzione“ von Fotograf und Filmemacher Armin Linke in Zusammenarbeit mit Giulia Bruno und Giuseppe Ielasi. Schon der Raum, eine anlässlich der von Umberto Eco kuratierten Triennale von 1964 errichtete brutalistische Treppenanlage, die seither ein stiefmütterliches Dasein als Lagerraum fristete, lässt im Zwielicht der Videoprojektionen an die schauerlichen Kerkerarchitekturen von Giovanni Battista Piranesi denken, die der Ausstellung den Titel leihen. Mit seinen offen verlaufenden Wasser-, Elektrizität- und Internetleitungen verweist der Raum zugleich auf die Thematik der sich über mehrere Etagen erstreckenden 5-Kanalvideoinstallation: Die In­frastruktur und Logistik, mit welcher der Lieferkettenkapitalismus Städte, Landschaften und Ozeane überzieht.
Gezeigt werden die Folgen der industriell betriebenen Rohstoffgewinnung mit den schier endlosen Palmölplantagen in Sumatra sowie Bilder experimentellen Raubbaus in der Tiefsee. Der Mensch ist Gefangener erfundener Kerker, in der systemische Imperative der Marktlogik und technologische Innovation zu immer weiterführender Ausbeutung endlicher Ressourcen führen. Die Natur und die abgelegenen und benachteiligten Weltregionen sind dabei die ersten Opfer.
Darüber hinaus hinterfragt die Arbeit die Repräsentationsmodelle des Klimawandels, die durch die wissenschaftliche Akkumulation von Daten entstehen. Sie ist damit eine Weiterführung der von Armin Linke zusammen mit Territorial Agency (John Palmesino, Ann-Sofi Rönnskog) und dem HKW-Kurator Anselm Franke im Rahmen des Anthropozän-Projekts im Haus der Kulturen der Welt (HKW) in Berlin unternommenen Feldforschung des menschlichen Einflusses auf den Planeten.
Die Mailänder Schau ist so eine politisch ambitionierte Ausstellung, die den regierenden Klimaleugnern und Rechtspopulisten im eigenen Land selbstbewusst Paroli bietet.

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