Bauwelt

Achtung vor dem Blumenkübel!

Die Fußgängerzone als Element des Städtebaus

Text: Kirsch, Antje, Dresden

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Achtung vor dem Blumenkübel!

Die Fußgängerzone als Element des Städtebaus

Text: Kirsch, Antje, Dresden

Die Fußgängerzone als Raumgebilde der gegliederten Stadt ist in Bedrängnis. Das Re­likt der Stadtplanung der Nachkriegsepoche befindet sich, lokal geprägt, unter großem Nutzungsdruck oder ist „einer schleichenden kommerziellen Auszehrung ausgeliefert“ – die Gegner heißen Shoppingcenter und Internethandel. So lautet der Befund von Ulrich Brinkmann, der sich über das Medium der Ansichtspostkarte den Fußgängerzonen Deutschlands nähert. Einst waren diese Stadträume stolze Vorzeigeobjekte der Kommunen und üblicherweise auf Postkarten abgebildet. Diese wiederum, als das gängige Medium des (analogen) Bilderaustausches, haben ihre prominente Funktion in der Bildproduktion der Städte längst eingebüßt. Sie sind aber ein ausgezeichneter Untersuchungsgegenstand für eine Bildanalyse mit weitreichenden Potentialen, wie der Autor anhand von 196 Postkarten von 84 Orten in ganz Deutschland belegt.
Die Gliederung des Buches folgt chronologischen und typologischen Gesichtspunkten. Ergänzende Texte beleuchten den Untersuchungsgegenstand nahezu systematisch. Dem Autor geht es allerdings nicht um den bildlichen Vergleich mit dem aktuellen Zustand der Fußgängerzonen. Er zeigt sie in dem Moment, als sie neu und prominent waren. Und diese Methode fördert Erstaunliches zu Tage: So das Phänomen derPflasterung zum Beispiel, das völlig im toten Winkel der Wahrnehmung der Passanten liegen dürfte, inzwischen aber die Denkmalpflege beschäftigt. Die architektonische Entwicklung von einer Straße der Händler, die in eigenen Häusern Geschäfte betrieben, der späteren Filialisierung, dem Aufkommen des Automobils, des öffentlichen Nahverkehrs bis hin zur völligen Verkehrsberuhigung zugunsten des ungestörten Einkaufens und Flanierens ist an den Ansichten der Westernstraße in Paderborn zu erleben. Sichtbar wird auch die sich wandelnde Akzentuierung in den Ansichten der Straße durch den jeweiligen Fotografen zwischen 1902 und 1980.
Gezeigt werden die „Stars“ des Wiederaufbaus: die Lijnbaan in Rotterdam, die Treppenstraße in Kassel, die Schulstraße in Stuttgart oder die Holstenstraße in Kiel. Sie wurden Vorbilder für andere Städte und nicht zuletzt für den Wiederaufbau der Stadtzentren in der DDR. Ähnlichkeiten und Unterschiede werden sichtbar. Die Rolle des Konsums in den verschiedenen Gesellschaftssystemen manifestierte sich auch in der Gestaltung und Ausstattung der Fußgängerzonen: Weniger Leuchtwerbung in der Dresdner Prager Straße, dafür gewaltige, markante Brunnenanlagen, ausgedehnte Grünflächen. Und Blumenkübel, deren Oberflächen sogar künstlerisch gestaltet waren.
Das Buch ist eine Bestandsaufnahme des Phänomens Fußgängerzone, die auch der bislang marginalen Forschung zum Thema wichtige Impulse verleihen kann. Brinkmann empfiehlt, diese Relikte einer vergangenen Stadtplanung in West wie Ost zu erhalten, um ein Stück lokale Identität zu stärken.
Fakten
Autor / Herausgeber Ulrich Brinkmann
Verlag DOM Publishers, Berlin 2020
Zum Verlag
aus Bauwelt 6.2020
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