Alles Geier!
Eine Farce über Architektur, eine Zeitschrift und einen Verlag
Text: Steiner, Dietmar, Wien
Alles Geier!
Eine Farce über Architektur, eine Zeitschrift und einen Verlag
Text: Steiner, Dietmar, Wien
Das musste ja kommen. Ein Insider, einer der besten Architekturkritiker, einer der verschmitzt sprachgewaltigsten Schreiber deutscher Zunge, liefert eine schonungslose Diagnose, nein, eine Farce, des heutigen Zustands der Magazine. Wolfgang Bachmann, gelernter Architekt, entwickelte seine originären Zugänge zur Architektur in der „Bauwelt“ und führte inhaltlich höchst erfolgreich den Münchner „baumeister“ durch die medial boomenden 1990er und die beginnende Medienkrise der 2000er Jahre. Zuerst als Chefredakteur und von 2011 bis 2013 als Herausgeber. Warum er diese Funktion nach nur bereits zwei Jahren verließ und seitdem als freier Autor, Juror und Vortragender sein Talent, sein Wissen und seine Erfahrung am „freien Markt“ anwendet, hat absolut nichts mit den in diesem Buch geschilderten Ereignissen zu tun: „Der Autor ist keiner der erwähnten Personen begegnet, noch hat eines der beschriebenen Ereignisse stattgefunden. Es handelt sich um eine fiktive Erzählung mit frei erfundener Handlung und frei erfunden Charakteren“.
Stimmt. Denn diese Farce hat als Geschäftsmodell inzwischen das gesamte Verlagswesen begonnen zu vernichten. Überall hat eine neue Kaste, ich nenne sie die „schnellen Eliten“, die Macht übernommen. Es sind dies völlig inhaltsbefreite Juristen, Betriebswirte, Berater. Slim-fit-Hugo-Boss-Typen mit Gelhaar, ungemein wichtig telefonierend in den Flughafen-Lounges, mit ihren sinnbefreiten Excel-Tabellen und Powerpoint-Peinlichkeiten, ihren Status mit den Hostien bundesdeutscher „Fat Cars“ (© Erwin Wurm) beweisend. Und diese neue Kaste will nun den für die Inhalte der Magazine zuständigen Redaktionen erklären, wohin die Reise zu gehen hat.
Erfunden wird in dieser Farce eine Strategiesitzung zur prekären Lage eines Architekturverlags. Was Bachmanns Text auszeichnet, zu einer aufklärenden Lektüre macht, ist seine präzise Diagnostik der habituellen Erscheinungen aller Beteiligten in diesem traurigen Geschäft. Die Spieler auf diesem Feld sind klar beschrieben. Und da kommt er schon, der „Unternehmensberater“, der den Verlag retten soll und auf den Redakteur losgeht: „Erzählen sie doch mal... was machen sie so den ganzen Tag ... Er faltete seine Arme so auf dem Tisch, dass sein Breitling-Navitimer gut zu sehen war. Der unterste Knopf an seinem rechten Jackett-Ärmel stand offen, demonstrierte also echte Schneiderarbeit“. Und vollzieht den allseits geübten Dolchstoß: „Er sprach von bedrohlichen Defiziten, mangelnden Reichweiten, vom Ende traditioneller Geschäftsmodelle, alternativen Erlösquel-len, fehlendem Innovationspotential und – unvermeidlich – von Digitalisierung.“
Die Farce geht in die nächste Runde des Aktivismus, den vom Beratungsgewerbe so belieb-ten Gruppenspielen zur Befreiung für neue Ideen. Die Teilnehmer müssen ein Floß bauen, damit einen Fluss überqueren, das Desaster ist absehbar. Da fragt man sich dann schon, ob Bachmann nicht zu viel Dschungelcamp gesehen hat. Oder gibts das wirklich ?
Hilflos aus der Zeit gefallen scheint da der redaktionelle Widerstand, der ein Architekturmagazin als reflektierte Plattform sieht, um Verständnis zu erwirken, um zu erklären was ist und warum. Was das Gebaute, so es Architektur geworden ist, erzählt, bewirkt und Sinn macht. „Bauwerk (so nennt sich das im Buch erfundende Magazin) ist nicht zum Blättern und Bilder Betrachten sondern zum Lesen. Es ist eine Instanz, eine Pflichtlektüre für Architekten“, verteidigt es der Redakteur.
Natürlich erkennt der Redakteur, was die „schnellen Eliten“ von einem Magazin wollen: „Architektur ist damit nur eine Vereinbarung, wie man für Immobilienspekulanten den größten Gewinn erwirtschaften kann. Städtebau und Denkmalpflege werden als hinderliche Kategorien entlarvt, weil Planung für das Gemeinwesen der Projektentwicklung im Weg steht. Das heißt, es wird nicht gebaut, was richtig und wichtig und schön ist, sondern womit sich der größte Reibach machen lässt. Und um diese These zu verbreiten, braucht man Architekturzeitschriften.“
„Alles Geier“ ist ein kluges und vergnüglich zu lesendes Buch. Die Fronten sind geklärt. Es liegt an den Architekten, welcher Art von Publizistik sie Gefolgschaft leisten wollen.
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