Bedeutsame Belanglosigkeiten
Kleine Dinge im Stadtraum
Text: Brinkmann, Ulrich, Berlin
Bedeutsame Belanglosigkeiten
Kleine Dinge im Stadtraum
Text: Brinkmann, Ulrich, Berlin
Das neue Buch von Vittorio Magnago Lampugnani ist eine empfehlenswerte Lektüre nicht nur für Architekten und Stadtplaner, sondern für jeden Flaneur und Städter, widmet es sich doch der Geschichte von Ausstattungstücken des öffentlichen Raums, die in Europa, und nur um die Kultur der „europäischen Stadt“ geht es dem Autor bekanntermaßen, selbstverständlicher Bestandteil der urbanen Welt sind, denen die bewusste Wahrnehmung und Wertschätzung aber häufig versagt wird. Es geht um Poller, Bänke, Uhren, Kioske, Laternen, Haltestellenschilder, Brunnen und Wasserspender und dergleichen mehr, also um Mikroarchitekturen, Objekte und Elemente, so die vorgenommene Dreiteilung im Buch.
So austauschbar und beiläufig, wie sie gelegentlich scheinen, sind diese Dinge mitnichten, sie prägen vielmehr das Bild der jeweiligen Stadt entscheidend mit, ob es sich um Rom handelt oder um Wien, um Amsterdam oder Berlin, um Barcelona oder Mailand – der Titel des Buchs ist also treffend gewählt. Der große Gewinn für den Leser ist vor allem die knappe, aber anschauliche und präzise Darstellung der Geschichte dieser Objekte. In den kurzen Essays, die zum Teil seit 2018 im Magazin des Zürcher Tagesanzeigers erschienen sind, erzählt der Autor, wie sie – meist schon in der Antike – in die Welt kamen, im Mittelalter kurzzeitig daraus verschwanden, ab dem Barock allmählich zurückkehrten und im Laufe des 19. Jahrhundert den Höhepunkt ihrer gestalterischen Verfeinerung erreichten; seit dem Anbruch der Moderne in den 20er Jahren befinden sie sich, wie die Architektur und Stadtgestalt, vermutlich unsere Zivilisation im Ganzen, im Niedergang, spätestens seit 1960 herrschen Kitsch und Zufall darüber.
Man muss den mal explizit zu Tage tretenden, mal zwischen den Zeilen schwingenden Kulturpessimismus des Autors nicht teilen, um Freude an dem übrigens hübsch gestalteten und reich bebilderten Büchlein zu finden. Allein dass sich überhaupt mal ein Autor von Rang diesen Dingen annimmt, ist zu begrüßen, Lampugnanis feine Feder macht das Lesen kurzweilig, und der Anhang mit den umfangreichen Literaturangaben zu den behandelten Dingen ist eine Fundgrube, in der man gerne zu kramen beginnt. Auf Entdeckungen sollte man dabei ebenso eingestellt sein wie auf Enttäuschungen gefasst: Ein Buch wie Gorden M. Sessions „Traffic Devices“, 1971 vom Institute of Traffic Engineers in Washington herausgegeben, dürfte hierzulande jedenfalls nicht in jeder Bibliothek aufzutreiben sein.
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