Berliner Monster
1947: Kommissar Adlers erster Fall
Text: Mausbach, Therese, Berlin
Berliner Monster
1947: Kommissar Adlers erster Fall
Text: Mausbach, Therese, Berlin
Berlin, 1947. Der erste Fall von Kommissar Adler wiegt schwer. Drei Kinder sind tot. Von seinem Dienstsitz, der „Roten Burg“ am Alexanderplatz, hat der Zweite Weltkrieg nicht viel übriggelassen. Auf dem Flur der Polizeiwache in der Keibelstraße hat Adler eine unangenehme Begegnung mit seinem Vorgesetzten. Noch innerhalb der Woche solle er den Täter finden, die Sache schade dem Ruf der neu gegründeten DDR, schließlich schätze Genosse Stalin Kinder sehr. Ohne Aussicht auf eine Spur stochert Adler in den Ruinen der Stadt. Zu viele Kinder leben auf den Straßen traumatisiert, verwaist und heimatlos. Die drei Opfer meldet niemand als vermisst, was die Suche nach Tatverdächtigen erschwert. Der einarmige Kommissar – stets auf dem Fahrrad unterwegs – spürt den nahenden Frühling. An den Bäumen, die bis dato nicht verfeuert wurden, kriechen die Knospen hervor. Der lange Winter, sein Hunger und Leid, scheint fast überstanden. Eisige Kälte herrscht unterdessen zwischen den Siegermächten. Die Arbeit des Kommissars gerät in politisches Fahrwasser – und Adler zwischen die Fronten.
Ohne Zweifel, der im Kampa Verlag erschienene Kriminalroman gefällt gewiss allen, die sich für Berlin, dessen Geschichte und das Aufklären von Verbrechen interessieren – zählt aber nicht als Fachliteratur. Doch mag es die Bauwelt-Leserschaft interessieren, da ihr der Autor als Architekturjournalist bekannt ist. Es ist nicht der erste Krimi von Jürgen Tietz, sicherlich auch nicht der erste, mit dem sich der ausgebildete Buchhändler Tietz auseinandersetzte, doch es ist der ers-te unter seinem Namen. Im Kosmos von Hans Adler streut er immer wieder Momentaufnahmen ein, die mit seinen architekturhistorischen Kenntnissen zur Hauptstadt gespickt sind. Der promovierte Kunsthistoriker schafft ein gesellschaftliches Bild jener Nachkriegswirren, die Deutschland stark prägten, aber neben den goldenen Zwanzigern, Hitlers „Machtergreifung“ und dem Wirtschaftswunder heutzutage eher selten bel-letristisch verarbeitet werden. Wie sieht ein Leben in den Ruinen aus? Tietz schildert es eingehend und findet dafür passende Analogien: „Die Stadt atmete weiter. Ganz flach. Aber sie atmete noch.“
Das Taschenbuch mit rotem Farbschnitt ist – typisch für Kampa – schön gestaltet, der Pariser Illustrator Mathieu Persan bildet auf dem in kräf-tigem Orange gehaltenen Einband die Trümmer- szenerie am Potsdamer Platz ab, in der ein Kind und der Kommissar klein und verloren wirken. Die Lektüre lohnt sich, auch wenn die Leserin etwas Geduld mit der Aufarbeitung des Falls haben muss. Dem Kommissar rinnt mit jedem der in Tage untergliederten Kapitel die Zeit davon. Gräbt sich Kommissar Adler schneller durch den zweiten Fall? Wir sind gespannt.
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