CIAM Archipelago
The Letters by Helena Syrkus
Text: Brosowsky, Bettina Maria, Braunschweig
CIAM Archipelago
The Letters by Helena Syrkus
Text: Brosowsky, Bettina Maria, Braunschweig
Zugegeben, mir war das Warschauer Architektenehepaar Szymon Syrkus (1893–1964) und Helena Syrku-sowa (1900–1982) kein Begriff.
Aber, so lernt man schnell beim ersten Durchblättern des Buches: Beide waren bedeutende Persönlichkeiten einer polnischen Avantgarde, bestens vernetzt in entsprechenden internationalen Zirkel ihrer Profession, 1926 Initiatoren der fünfköpfigen polnischen Architektengruppe „Praesens“, 1928 die polnische Sektion des CIAM. 1933 wird Helena Syrkus, so der westliche Namensgebrauch, Sekretärin des CIAM, aufgrund ihrer Stenografie-Kenntnisse und Vielsprachigkeit bestens geeignet, etwa die auf dem vierten CIAM-Kongress erarbeitete Charta von Athen zu notieren, zu übersetzen und zu kommunizieren. 1947 wird sie Vizepräsidentin des CIAM, der sich nach seinem elften Kongress 1959 dann auflöst.
Aber, so lernt man schnell beim ersten Durchblättern des Buches: Beide waren bedeutende Persönlichkeiten einer polnischen Avantgarde, bestens vernetzt in entsprechenden internationalen Zirkel ihrer Profession, 1926 Initiatoren der fünfköpfigen polnischen Architektengruppe „Praesens“, 1928 die polnische Sektion des CIAM. 1933 wird Helena Syrkus, so der westliche Namensgebrauch, Sekretärin des CIAM, aufgrund ihrer Stenografie-Kenntnisse und Vielsprachigkeit bestens geeignet, etwa die auf dem vierten CIAM-Kongress erarbeitete Charta von Athen zu notieren, zu übersetzen und zu kommunizieren. 1947 wird sie Vizepräsidentin des CIAM, der sich nach seinem elften Kongress 1959 dann auflöst.
Der vorliegende Band ist der erste einer Reihe von „Quellen“, die das Nationale Institut für Architektur und Urbanistik Polens herauszugeben sich vorgenommen hat. Die Korrespondenz von Helena Syrkus umfasst eine Spanne von fast 40 Jahren und stellt den professionellen wie privaten und, aufgrund der jüdischen Abstammung beider Ehepartner, immer wieder in persönlichen, politischen oder kriegsbedingten Problemlagen auch Hilfe suchenden Austausch mit der renommiertesten internationalen Architektenschaft dar. Zu den Briefpartnern zählen Wal-ter und Ise Gropius („Pius und Pia“), Cornelis van Eesteren, Konrad Wachsmann, Sigfried Giedi-on und weitere Schweizer Architekten wie Werner Max Moser, Rudolf Steiger oder Max Ernst Haefeli.
Der erste, im Faksimile wiedergegebene Brief des Ehepaars Syrkus datiert vom 5. März 1935, adressiert an die seit Ende 1934 verwaiste Wohnung Gropius in Berlin. Er ist wie viele folgende in Deutsch verfasst und will Gropius auf eine Publikation zum Warschauer Städtebau aufmerksam machen. Ein zweiter Brief folgt Ende März, nachdem der „bewundernswert arbeitsame Mann“ Martin Wagner die neue Londoner Adresse der Gropius’ mitgeteilt hat. Gropius antwortet etwas larmoyant, dass er versuche, sich ein neues Arbeitsfeld zu schaffen, da er in Deutschland keine Aufträge mehr erhalten habe. Bei den politischen Verhältnissen scheine das Schicksal des Neuen Bauens zu sein, seine theoretischen Erkenntnisse mehr und mehr auszubauen. Die Praxis werde erst in einer zweiten Welle kommen, die vielleicht erst sehr viel später ansetzt. Am 28. Januar 1937 folgt die Gratulation zur Professur in Harvard, die Gropius am 1. April antreten wird, verbunden mit dem wohl nicht ganz unernst gemeinten Angebot durch die „treue Helena“ als „tüchtige Assistentin“ für seine neue Wirkungsstätte. Gropius erstattet kontinuierlich Rapport. So mit Datum 29. September 1938, dem Tag des Münchener Abkommens, wie er anmerkt: „Uns geht es hier ausgezeichnet“. Er sei nun Chairman der Architekturabteilung, arbeite mit Marcel Breuer an Universität und im Architekturbüro, den kürzlich hergekommenen Martin Wagner habe er in der Stadtbauabteilung untergebracht. Eine alte Dame habe ihm ein Haus finanziert, er arbeite „fieberhaft“ mit Herbert Bayer an der im November beginnenden Bauhaus-Ausstellung im MoMA. 1939 fühlen sich auch die Syrkus we-gen der nicht nur beruflich aussichtslosen Lage in Zentraleuropa gedrängt, „den Wanderstab zu ergreifen“, und bitten van Eesteren, bei Gropius vorstellig zu werden. Bemühungen von Gropius (und Philip Johnson) scheitern an den verschärften Einreisebedingungen in die USA, ebenso 1940 Interventionen von Giedion, über die Schweiz eine Emigration nach Südamerika zu ermöglichen. Erst am 6. Januar 1945, dem Tag ihrer Verhaftung, wird die Korrespondenz mit Gropius per Telegramm wieder aufgenommen: Szymon Syrkus, aus dem KZ Auschwitz zum Arbeitseinsatz nach Straßburg verlegt, ist verschollen, Helena Syrkus denkt aber schon an einen internationalen Wettbewerb zum Wiederaufbau Warschaus. Szymon Syrkus nimmt in Mai und Juni 1945 auf Französisch Kontakt mit Giedion und weiteren Schweizern auf: Sein Beruf als Architekt habe ihm das Leben gerettet, er bittet, in einem Sanatorium zu Kräften kommen
zu dürfen. 1946 starten dann beide als CIAM-Delegierte in die USA, danach schließen sich arbeitsreiche, ideologisch konforme Jahre im sozialistischen Polen an sowie politisch nicht konfliktfreie im CIAM. Auch der Briefwechsel mit Gropius wird erst 1965 wieder aufgenommen.
zu dürfen. 1946 starten dann beide als CIAM-Delegierte in die USA, danach schließen sich arbeitsreiche, ideologisch konforme Jahre im sozialistischen Polen an sowie politisch nicht konfliktfreie im CIAM. Auch der Briefwechsel mit Gropius wird erst 1965 wieder aufgenommen.
In ihrem Nachwort brechen die drei Herausgeberinnen dem hand- oder maschinenschriftlichen Brief als Quelldokument der Architekturgeschichte eine Lanze. Das Buch ist Ergebnis eines Zufalls, entstanden im Rahmen eines 2016 angetretenen Forschungsstipendium der Stiftung Bauhaus Dessau, um dem Lebensniederschlag des Migranten Gropius in US-amerikanischen Archiven nachzuspüren. In Boston stieß eine der Herausgeberinnen auf Briefe zwischen Helena Syrkus und dem Ehepaar Gropius aus dem Jahr 1950 – das Forschungsinteresse an der polnischen Architektin war geweckt. Die vorliegende Briefauswahl, mit eingelegten Fotos zu einem persönlichen Tagebuch erweitert, soll einen Einblick in die gesichtete Materialfülle geben und weitere Forscher und Forscherinnen motivieren, sich mit frischem Ansatz der komplexen polnischen Architekturgeschichte zu widmen.
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