Check-in Check-out
Hotelfotografie der Kunstanstalt Brügger Meiringen
Text: Landes, Josepha, Berlin
Check-in Check-out
Hotelfotografie der Kunstanstalt Brügger Meiringen
Text: Landes, Josepha, Berlin
Die Karten in diesem Büchlein sind kurios. Sehen wir ein Film-Still aus „House of Gucci“? Ein Schlitten steht vor den weiten Stufen, Schnee nur wie drapiert unter den Kufen, galante Herren helfen eleganten Damen aus dem Polster. Nein, wir sehen die Vorfahrt des „Hotel Zermatterhof“, datiert 1965–75; den Leopardmantel trägt nicht Lady Gaga alias Patrizia Reggiani. Das Motiv ist eine von vierzig Postkarten, die das Alpine Museum der Schweiz unter dem Titel „Check-in Check-out“ versammelt hat.
Wie ein Beileger wirkt neben den erzählmächtigen Bunt- und Schwarz-Weiß-Drucken der in den vorderen Deckel geklebte Textteil. Doch er ist aufschlussreich und sollte über alles Staunen, Schmunzeln und bisweilen Laut-Herauslachen nicht vernachlässigt werden. Welche Bedeutung der Postkarte als Werbeträger für die Hotellerie vor der Zeit des Smartphones zukam, und wie akribisch die Bearbeiter dieser Fotos – die Kunstanstalt Brügger – für die Erzeugung der perfekten Urlaubsillusion vorgingen, erfährt die Leserin erst hier.
Gestelltes und Beiläufiges, Absurdes und Prunkliegen manchmal nur einen Steinwurf voneinander entfernt. Eine Orange auf dem Balkongeländer, eine getönte Brille wie vergessen auf dem Beistelltisch im vorderen Bildanschnitt abgelegt oder der Blick in einen leeren Speisesaal, vorbei am mit Wellaflex gehaltenen French Twist einer Dame: Jeder Shot lässt Interpretationsspielraum – der Abstecher ins Grand Hotel als Erinnerung an diverse Narrative. So lässt der Blick in die Lobby des „Grandhotel Waldhaus“ in Vulpera eine schaurige Ahnung zu, ob Jack Nicholson in einem der Sessel herumlungere. Oder haben sich vor dem (vermutlich hereinretuschierten) Seeblick aus einem Zimmer des „Hotel Beatus“ in Merlingen gerade noch Max Frisch und Ingeborg Bachmann gezankt?
Die Postkarten vermitteln zum Teil fürs heutige Empfinden groteske Sehnsüchte, etwa nach einem Verlorengehen in Mustern – wie nur sollte einer das camouflierte Bett im Zürcher „Hotel Europa“ finden? – oder nach einem geradezu peinlich zweisamen Dinieren vor Golfplatz-Kulisse im „Golfhotel Crans“. Serviert wird ein gan-
zer Puterich, angerichtet vom Chef de Cuisine höchstpersönlich. Herr Ober in Frack räumt die Vorspeise ab.
zer Puterich, angerichtet vom Chef de Cuisine höchstpersönlich. Herr Ober in Frack räumt die Vorspeise ab.
Die Bilder eines derart gediegenen Urlaubs sind nur im Rückblick charmant. Diese Sammlung bietet ein nostalgisches Moment, denn entweder ist den Orten ihre Stilsicherheit abhandengekommen, oder sie wurden von Geschmacklosigkeit überrollt. Dem Exklusiven der Gegenwart hängt weniger Freiheit und mehr Dekadenz an – vielleicht aber ist das auch nur eine Einschätzung der Gegenwärtigen, und in vierzig Jahren bejubeln wir ein ähnliches Büchlein zu Air-bnbs in Barcelona.
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