Cloud to ground
Israel Pavilion
Text: Brinkmann, Ulrich, Berlin
Cloud to ground
Israel Pavilion
Text: Brinkmann, Ulrich, Berlin
Wer 2023 nicht zum ersten Mal die Archi-tekturbiennale in Venedig besucht hat, wird sich vor dem israelischen Pavillon die Augen gerieben haben – anstelle des einladend-gläsernen 50er Jahre-Baus standen die Besucher in diesem Jahr vor einer fensterlosen, abweisenden, unzugänglichen Box. Die geglückte Verwandlung der historischen Ausstellungsarchitektur in etwas, das ein Hochregallager, ein Logistikzentrum oder ein Data Center sein könn-te, ist das sichtbarste Exponat der Ausstellung, die unter dem Titel „Cloud to ground“ der Infrastruktur der jüngsten, digitalen industriellen Revolution in Israel nachspürt, und wer es nicht nach Venedig geschafft haben sollte, kann sich in der Publikation mit dem selben Titel eingehender mit dem Thema befassen.
„Cloud to ground“ ist ein Begriff aus der Meteorologie, der den Verlauf von Blitzen bezeichnet – das israelische Kuratorenteam aber verwendet ihn metaphorisch, bezogen auf die Hardware der Digitalisierung. Das im Schweizer Verlag Park Books erschienene Buch zur Installation/Ausstellung des Pavillons enthält aber mehr als eine sehr interessante, dazu graphisch ansprechend aufbereitete Recherche zur digitalen Infrastruktur. Die Publikation beschränkt sich nämlich nicht auf die unter architektonischen Aspekten zumindest äußerlich eher überschaubar ergiebigen Datenzentren, die derzeit meist in peripheren Lagen aus dem Boden schießen, und die dazugehörigen unsichtbaren, weil unterirdisch oder auf dem Meeresgrund verlegten Kabeltrassen – diese werden erst im dritten und letzten Teil der Publikation unter die Lupe genommen. Zuvor aber geht es um die baulichen Vorläufer der heutigen Kommunikationsinfrastruktur: um die Telephone Exchange Buildings, die zwischen 1920 und 1990, mit einem Schwerpunkt in den 50er und 60er Jahren als Teil des Nation Building des jungen Staates Israel errichtet worden sind und heute in vielen Fällen vor ungewisser Zukunft stehen. Nicht nur haben die Herausgeber eine große Zahl dieser Gebäude lokalisiert und sowohl zeichnerisch als auch fotografisch katalogisiert, sie holen auch die für diese Gebäude verantwortlichen Architekten in der Bauabteilung Ma’atz der israelischen Regierung aus der Anonymität und zeichnen ihren Werdegang nach: Gad Ascher etwa, Chefarchitekt der Abteilung für öffentliche Bauten von 1948 bis zu seinem frü-hen Tod 1965 etwa wurde als Günther Fritz Ascher1908 in Berlin geboren und arbeitete in Erich Mendelsohns Büro in Jerusalem, bis dieser in die USA weiterzog.
Aufschlussreich und überraschend ist auch Teil 2 der Recherche, in dem die heutigen Verkabelungsprojekte der kalifornischen Tech-Giganten mit den Routen antiker Handelsrouten überblendet werden und so die Rolle Israels als historischen Korridor für den Transport von Waren wie Informationen zwischen Orient und Okzident nachzeichnen. Auf diese Weise wird zunehmend anschaulich und räumlich analysiert, was meist übersehen wird auf dem weiten Feld der Innovationen in der Speicher- und Kommunikationstechnik. Die Wolke wird geerdet.
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