Bauwelt

Der Bau der Cheops-Pyramide

Analyse und Modellentwicklung

Text: Escher, Gudrun, Xanten

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Der Bau der Cheops-Pyramide

Analyse und Modellentwicklung

Text: Escher, Gudrun, Xanten

In dem schmalen 65-seitigen Heft konzen­triert sich der Autor auf die rechnerische Ve­ri­fizierung seines Modells einer Wegeführung für die Errichtung der Pyramide des Cheops im Tal der Könige in Ägypten. Die­se wohl berühmteste – und höchste – Pyramide beschäftigt Archäologen seit Jahrhunderten. Insbesondere bleibt es ein Rätsel, wie sie mit den Mitteln der damaligen Zeit vor 4500 Jahren gebaut werden konnte. Ihre Höhe erreicht knapp 150 m bei einer Basislänge von ca. 230 m; sie ist aus Steinquadern mit einer maximalen Höhe von 1,50 m aufgeschichtet. Der antike Schriftsteller Herodot überliefert eine Gesamtbauzeit von 20 bis 30 Jahren.
Mehrere Autoren vor Günter Fischer haben bereits Modelle mit umlaufenden Rampen entwickelt. Fischer variiert diesen Ansatz mit einem „Saumpfad“, wie er es nennt, der spiralig das Bauwerk umläuft und auf der Höhe der heutigen sogenannten Plattform in einer Serpentine endet. Die Spitze der Pyramide mit dem „Pyramidion“ ist verloren. In zahlreichen Formeln, Tabellen und Diagrammen untermauert Fischer sein Modell einschließlich der Arbeitsorganisation auf der Baustelle mit Hilfe von Gespannen, deren Räder auf Holzschienen im Schotterbett laufen, und Überlegungen dazu, wie ein Umlenken der tonnenschweren Lasten um die Ecken der Pyramiden gehandhabt worden sein könnte. Als Absturzsicherung entlang der horizontal verlaufenden Strecken des Saumpfades stellt er sich außen angeschrägte Kantsteine vor, die zugleich in der Endform der Pyramide die heute verlorene glatte Außenhülle bilden sollten. Es darf wohl davon ausgegangen werden, dass die Kalkulationen einer rechnerischen Überprüfung stand halten.
Zweifel eher grundsätzlicher Art scheinen mir jedoch angebracht, und es ist schade, dass Günter Fischer und Bernhard Kerres, obgleich ihre Publikationen fast zeitgleich erschienen sind, ihre jeweiligen Ansätze nicht berücksichtigt haben (vgl. Kerres: „In der Mitte der Pyramide“, Bauwelt 17.2019). In Kenntnis der umfassenden Analyse der Cheops-Pyramide im Kontext der übrigen ägyptischen Pyramiden, ihres Umfeldes, ihrer inneren Disposition und ihrer Bedeutung durch Kerres reduziert sich das Modell von Fischer auf ein theoretisches Rechenexperiment, denn er lässt die meisten übrigen Aspekte des Pyramidenbaus unberücksichtigt, fast so, als ob dieses Bauwerk im luftleeren Raum existierte. Weder interessiert ihn, wie die Baumeister exakt horizontale Ebenen auf jeder Steinlage in der gegebenen Dimension herstellen konnten, wenn nach seinem Modell auf mehreren tatsächlich unterschiedlich hohen „Etagen“ gleichzeitig gearbei­-tet werden sollte, noch wie die Kontrolle über die Schrägen der Außen- und Mittelkanten so prä­zise gewahrt werden konnte, dass die geome­trisch perfekte Pyramide in einer gemeinsamen Spitze mündet, und wie gleichzeitig im Inneren das komplexe und seinerseits messtechnisch genau eingepasste Gang- und Kammersystem erstellt werden konnte, für das u.a. Granitplatten mit über 5 m Länge und einem Einzelgewicht von 50 t zum Einsatz kamen. Auch wurde das unterschiedliche Steinmaterial nicht ausschließlich direkt vor Ort gewonnen, sondern stammt aus Entfernungen bis zu 800 km – die Anlieferung gänzlich zu ignorieren, relativiert Fischers Angaben zur Gesamtbauzeit ebenso wie die Vernachlässigung des Baufeldes selbst mit einem zu bearbeitenden Felsengrund, bereits vorhandenen Bauwerken und weiteren Einrichtungen für die Grablegungszeremonien.
Den „Beweis“ für sein theoretisches, allein mit Durchschnittswerten arbeitendes Saumpfad-Modell leitet Fischer dann kurioserweise von der Zufallssituation der heutigen obersten Plattform auf 137,625 m Höhe ab, deren Zustandekommen sich unserer Kenntnis entzieht. Wo bis dahin in der Analyse allein die Plausibilität regierte, wird nun dem Zufall vertraut. Eine Luftbildaufnahme zeigt dort unregelmäßige Steinlagen. Diese dienen Fischer als Nachweis für die letzte Serpen­tine des Saumpfades. Und weil das Saumpfadmodell – wie alle anderen Rampenmodelle auch – auf dieser Höhe mit ihren kurzen Seitenkanten versagt, greift Fischer zu der Annahme, dass die noch fehlenden 6,975 m der Pyramidenspitze nur aus kleinen händisch transportablen Steinen aufgemauert und mit „Blech“ verkleidet gewesen sei. Beides habe den Windböen der Jahrtausende nicht standgehalten, wofür er wiederum Modellrechnungen anstellt.
Warum sollte ein gottgleicher Pharao, der zu seiner Verewigung eine Pyramide als Sinnbild der Sonnenstrahlen errichten lässt, ein Grabmal also, das ewig bestehen soll und dies bisher jedenfalls und mit Abstrichen durch Grab- und Steinräuberei auch tut - warum sollte der es zulassen, dass die Spitze, Krönung und Vollendung dieses hoch symbolträchtigen Bauwerks, in minderwertigem, vergänglichem Material ausgeführt wird nach dem Motto „da oben sieht es ja keiner“? Ist das plausibel? Bei dem erwähnten „Elektron“ handelt es sich in damaliger Zeit nicht um irgendein „Blech“, wie es bei Fischer heißt, sondern um eine Silber-Gold-Legierung mit bis zu 90-prozentigem Goldanteil, ein kostspieliges Material, das wie Sonnenstrahlen leuchtet. Diese letzte Konkretisierung der Sonnengleichheit sollte nach so gigantischem Aufwand im Unterbau mangelhaft verankert worden sein? Auch steht es fest, dass Grabräuber es nicht nur auf sich nahmen, meterlange Gänge im Inneren zu graben, sondern auch die wertvollen Steine der Außenverkleidung der Pyramide bis zu eben jener Plattform auf 137 m Höhe abzutragen. Warum dann nicht auch die vergoldete Spitze selbst, so schwer sie auch gewesen sein mag? Im Einzelnen mögen die Berechnungen von Günter Fischer interessantes Datenmaterial zu der Thematik antiker Baumethoden liefern, das Rätsel der Cheops-Pyramide lösen sie meines Erachtens nicht.
Fakten
Autor / Herausgeber Günter Fischer
Verlag Mons Verlag, Dresden 2019
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aus Bauwelt 25.2020
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