Einpassung und Eigensinn
Walter von Lom. Bauten und Entwürfe 1972–2012
Text: Winterhager, Uta, Bonn
Einpassung und Eigensinn
Walter von Lom. Bauten und Entwürfe 1972–2012
Text: Winterhager, Uta, Bonn
Im Juli dieses Jahres feierte der Kölner Architekt Walter von Lom seinen 85 Geburtstag. Im September erschien eine 300 Seiten starke umfassende Monografie „Einpassung und Eigensinn“, die seinem Schaffen von 1972 bis 2012 gewidmet ist. Rund 450 Bauten und Entwürfe sind in vierzig Jahren entstanden, 39 davon zeigt das Buch im Detail, 150 ausgewählte führt das Werkverzeichnis auf. Doch es geht nicht nur um das Gebaute und das Gezeichnete, es sind die vielen Gespräche und Gedanken darüber und darüber hinaus, die alles so schlüssig zusammenführen. Und so fühlt sich dieses Buch, das tatsächlich das erste über den Architekten von Lom und seine Architektur ist, gewichtig und endgültig an. Es ist zum Bleiben gemacht.
Sieben Jahre vergingen von der Idee, die von Lom mit dem Architekturkritiker und -redakteur Andreas Denk entwickelt hat, bis zum fertigen Buch. Zweimal wurde „Einpassung und Eigensinn“ in Form einer Ausstellung getestet, dann verstarb Denk im Sommer 2021. David Kasperek, zunächst nur als Gestalter beteiligt, übernahm nun als Ko-Herausgeber. So ist das Buch unter diesem Aspekt chronologisch aufgebaut und beginnt mit einem Aufsatz von Andreas Denk. Grundlage für die gemeinsame Arbeit an dem Buch war von Loms privates Archiv, ein beeindruckender Raum voller Modelle, Dias und Zeichnungen und ein System akribisch geführter Projektordner, darüber hinaus aber auch sein schier unglaubliches Erinnerungsvermögen an Menschen, an Gespräche, an Details, wodurch das Buch weit über die eigentliche Werkschau hinausgeht. Mit neun Kapitel, sieben davon nach Themen geordnet – darunter „Bauen für die Kirche“, „Bauen und Wohnen“, „Bauen für den Verkehr“ –, gelingt es, die Fülle des Materials trotz einiger Überschneidungen in eine Gliederung einzupassen.
Den ersten Projekten ist ein eigenes Kapitel gewidmet, sie „skizzieren die Leitlinien der Architektur des jungen von Lom eindrücklich“. Da ist das eigene Haus in der Kölner Rheingasse (1974), ein Lückenschluss mit skulpturalen Qualitäten, im Buch zurecht als „Raumwunder“ bezeichnet. Zugleich ist es der frühe Versuch einer Baugruppe, der nach dem Ausscheiden mehrerer Parteien dazu führte, dass außer Familie von Lom auch das Büro einzog. Denn nach dem Gewinn von drei Wettbewerben, die von Lom parallel zum Bau des Hauses noch weitgehend allein entworfen und gezeichnet hatte, wuchs das Büro. So konnten gleichzeitig die Stadtmitte Lemgo, die Kirche St. Marien Heimsuchung in Herten und das Freilichtmuseum Kommern realisiert werden. Das sorgsame Lesen des Bestands, die ebenso feinfühlige wie mutige Fortschreibung mit zeitgemäßen Mitteln, die Haltung und Handwerk gehen auch auf die Lehrjahre im Büro Schürmann zurück, sind jedoch schon früh etwas sehr Eigenes geworden. Die ersten Projek-te, wie auch alle nachfolgenden, stellt das Buch mit Originalplänen und bauzeitlichen Fotos vor. Nichts wird nachträglich geschönt oder überzeichnet. So wirkt diese Chronologie sehr unmittelbar, sehr authentisch. Sie führt von den 70ern über die 80er in die 90er Jahre, seitdem von Lom das Büro bis zum Ende der Baupraxis mit drei Partnern geführt hat. Auch an ihm ging der Zeitgeist nicht spurlos vorüber, er zeigte sichoffen für Neues, baute filigran mit Holz und Stahl, solide mit Stein und Beton, brach gerne das eine mit dem anderen auf.
Eine reflektierte Einordnung nimmt von Lom selbst in den Gesprächen vor, von denen er die ersten mit Andreas Denk führte. Nicht unkritisch beantwortet er die Fragen von David Kasparek in den Kapiteln „Kölner Projekte“ und „Das Entwerfen als architektonische Praxis“, in denen sie jene Entwürfe betrachten, die nicht realisiert wurden. Seit der Bürogründung hat von Lom an nahezu jedem Wettbewerb in Köln teilgenommen. Wallraf-Richartz-Museum, Rheinauhafen, Kolumba, zuletzt 2008 MiQua, die großen Coups landeten hier andere. Doch mit jeder Entscheidung hat von Lom sich intensiv auseinandergesetzt, Scheitern und/oder Gedeihen eigener und fremder Ideen bis heute verfolgt. Dabei fällt auf, wie genau er diese Stadt kennt und einschätzen kann, nicht nur als der bauende Akteur, sondern auch als Bewohner und Beobachter.
Ludmila Siman beschäftigte sich in ihrer Dissertation mit dem Werk von Loms. Sie ergänzt das Buch mit der kunsthistorischen Betrachtung „Wohlabgewogene Disziplin und Vielfältigkeit“ und den Beschreibungen des 150 Projekte umfassenden Werkverzeichnisses. So ist dies ein Buch zum Lesen, Schauen und Studieren ge-worden, eines, das ruhig seinen Platz im Regal einnehmen kann, die ständig drängender Aktualität wird es nicht überrollen.
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