Eventisierung der Stadt
Wir haben es mit einem trockenen und in Teilen verklausulierten Werk zu tun, dessen Erkenntnisgewinn für Städtebaus oder Eventorganisation vernachlässigbar ist.
Text: Klauser, Wilhelm, Berlin
Eventisierung der Stadt
Wir haben es mit einem trockenen und in Teilen verklausulierten Werk zu tun, dessen Erkenntnisgewinn für Städtebaus oder Eventorganisation vernachlässigbar ist.
Text: Klauser, Wilhelm, Berlin
Selbst der stinknormale Kindergeburtstag ist kaum noch denkbar ohne Zauberer und Indoor-Abenteuerspielplatz, wa-rum soll das also nicht auch in der Stadt funktionieren? Die Menschen treffen sich, um gemeinsam auf Verkehrsinseln zu speisen, um an bestimmten Tagen gemeinsam durch Kunstgalerien zu streifen, während der „critical mass“ in den Nächten auf Fahrrädern gemeinsam durch die Stadt zu fahren. Die Renderings der Planer zeigen in den Wettbewerben immer wieder aufs Neue eine dauerlächelnde Gesellschaft, für die jede Form des gemeinschaftlichen Handelns mit einer kalkulierten Außenwirkung verbunden ist. Originalität ist Trumpf, und neue Ereignisse werden erfunden, die den Ansprüchen der Besucher an instagram-taugliche Hintergründe genügen müssen. Die Events treten in den Wettbewerb mit überlieferten Open Air-Veranstaltungen und Messen, sie teilen sich den Raum mit Politik und öffentlichem Diskurs, aber auch mit dem Markt und dem Sportverein. „Und immer mehr Menschen gehen da hin, wo sie vermuten beziehungsweise darauf hoffen können, es sei etwas, woran mit vielen Anderen zusammen teil zu haben ihnen Spaß machen könnte “, wie es Ronald Hitzler beschrieb (Urbane Events, 2007).
Die Maschine brummt. Die Stadt befindet sich im Dauerevent – und längst ist daraus ein eigenständiger Wirtschaftszweig entstanden, der professionell Dauererregung schürt, denn diese ist Teil des kalkulierten Konsums. Der Alltag zählt in der Aufmerksamkeitsökonomie nicht. Gesellschaft und Teilhabe werden immer häufiger bezahlt, und damit einher geht die Frage nach Zugehörigkeit und Offenheit: Die situationistische Stadt wird exklusiv und reglementiert Verhalten. Neue Clubs, Theater und Festivals sind entstanden und prägen das Image einer Kultur- und Trendstadt, die keineswegs so offen sein muss, wie sie sich gibt. Sie verspricht außeralltägliche Erfahrungen und soziale Distinktion. Zugleich gerät Kritik an der „Eventitis“ einer 24-Stunden-Gesellschaft auf die politische Agenda: Menschen fühlen sich von Lärm und Abfall gestört, Freiräume werden Mangelware. Wem gehört diese Stadt? Der Blick auf die Betonhindernisse vor den Weihnachtsmärkten oder die Absperrungen beim Public Viewing wirft Fragen auf, und die Müllabfuhr klaubt am nächsten Morgen schweigend die Wegwerfbecher aus den Baumscheiben.
Die vorliegende Untersuchung summiert auf über 400 Seiten die Erkenntnisse eines Forschungsprojekts des Schweizer Nationalfonds, das zwischen 2014 und 2017 gelaufen ist. Aus kulturwissenschaftlicher Perspektive und aus Sicht des Fachbereichs „Soziale Arbeit“ an der Züricher Hochschule für angewandte Wissenschaften (ZHAW) werden Exklusion und Inklusion, die mit der Eventisierung der Stadt verbunden sind, am Fallbeispiel Zürich kritisch untersucht. Wir haben es mit einem reichlich trockenen und in weiten Teilen auch verklausulierten Werk zu tun, dessen Erkenntnisgewinn für die Praxis des Städtebaus oder der Eventorganisation vernachlässigbar ist, da eine Übertragbarkeit der Ergebnisse nicht möglich ist. Zudem hat offensichtlich keine Aktualisierung der Forschungsergebnisse stattgefunden. Bedauerlich ist aber vor allem, dass sich das Buch bei der Bewertung der Erkenntnisse und ihrer kritischen Einordnung nicht positioniert. Ein gekonntes Lektorat hätte geholfen, Doppelungen zu vermeiden und Aussagen zu schärfen.
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