Everything Now
Lessons from the City-State of Los Angeles
Text: Brinkmann, Ulrich, Berlin
Everything Now
Lessons from the City-State of Los Angeles
Text: Brinkmann, Ulrich, Berlin
Los Angeles: „An exercise in horror vacui.“ „Algae from the future.“ „Ate at the dream side of my mind.“ Rosecrans Baldwins „Everything Now“ ist nicht unbedingt ein Titel, den man in einer Fachbuchhandlung zur Stadtplanung oder gar Stadtarchitektur sucht. Sein 2021 erschienener, ein Jahr später bereits als Taschenbuch veröffentlichter Text ist jedoch ein vielschichtiges, genau beobachtetes und aus vielen Quellen schöpfendes aktuelles Stadtporträt.
Der gebürtige Chicagoer hat lange in Paris gelebt, bis ihn die Radiosendung des kalifornischen Gastro-Kritikers Jonathan Gold an den westlichen Rand der westlichen Zivilisation zog. So, wie J. Gold durch die vielen unterschiedlichen Nachbarschaften und Stadtteile von Los Angeles kreuzte, um die besten Taco-, Sushi- und Burger-Restaurants ausfindig zu machen, jagt Baldwin die treffendsten Geschichten über die Stadt – und das sind Lebensgeschichten, zumeist. Denn die Quellen des Autors sind zu einem großen Teil die Angelenos selbst. Die meisten der sieben „Unterrichtseinheiten“ – „Lessons“ –, in die der Text geteilt ist, stellen die Bewohner des „Stadtstaates“, wie Baldwin L.A. in Anspielung an die italienischen Stadtrepubliken der frühen Neuzeit nennt, in den Mittelpunkt, Menschen also, mit deren Vita sich jeweils ein Aspekt des Lebens in der Metropole erschließen lässt: die Psycho-Sekten. Die Immigration an der amerikanisch-mexikanischen Grenze. Die Obdachlosigkeit in Skid Row. Die Film-Branche mit ihren Träumen und Alpträumen. Die Waldbrände. Der Rassismus.
Die Unterschiedlichkeit der Lebensgeschichten zu erzählen, ist ein gangbarer Weg, die schwer zu fassende Gestalt und Struktur von Los Angeles greifbar, anschaulich und verständlich zu machen. Und die Überschriften von Baldwins Unterweisungen sind für sich schon die Beschreibung eines Stadtgefühls – von „Anything can happen at Any Second“ bis hin zu „There’s Nothing to See Here, and That‘s the Point“. Uneingeschränkt empfohlen als Handgepäck für den langen Flug an die Pazifikküste.
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