Die Garnisonkirchen des Barock in Berlin und Potsdam
Baukunst im Kontext
Text: Kiem, Karl, Siegen
Die Garnisonkirchen des Barock in Berlin und Potsdam
Baukunst im Kontext
Text: Kiem, Karl, Siegen
Die steigende Lebenserwartung führt dazu, dass Rentner in zunehmendem Maße an Universitäten nicht nur Vorlesungen besu-chen, sondern manchmal auch ein komplet-tes Studium absolvieren. Der Autor Ludwig (Christian) Bamberg gehört zu diesen Spätberufenen. Er hat um die sechziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts an der TU Berlin Architektur studiert und war danach u.a. drei Jahrzehnte Kreisbaurat in Goslar. Nach seiner Pensionierung im Jahr 2000 hat er an der FU Berlin noch ein Studium der Kunstgeschichte angehängt. Die entsprechende Magisterarbeit ist 2006 unter dem Titel „Die Potsdamer Garnisonkirche, Baugeschichte – Ausstattung – Bedeutung“ als Buch erschienen.
Diese Magisterarbeit sollte dann noch zu einer Dissertation ausgeweitet werden, die in die hier betrachtete Buchpublikation mündete. Diese ist mehr als 600 Seiten lang, im Format DIN A4. In der Untersuchung wird über die Potsdamer Garnisonkirche (1735) hinaus auch die Berliner Garnisonkirche (1720) in die nähere Betrachtung einbezogen. In beiden Fällen war der preußische König Friedrich Wilhelm I der Bauherr und sein Oberbaudirektor Philipp Gerlach der Architekt. Typologisch handelt es sich um protestantische Querkirchen in dreischiffiger Form. Die beiden Gebäude unterscheiden sich hinsichtlich des Turmes, der bei der Potsdamer Garnisonkirche relativ hoch war, während die Berliner Garnisonkirche ohne ein solches Bauteil auskommen muss-te. Sowohl die Berliner als auch die Potsdamer Garnisonkirche wurden im Zweiten Weltkrieg erheblich beschädigt und in der DDR-Zeit beseitigt. Die Ruine der 1968 gesprengten Potsdamer Garnisonkirche kannte der Autor noch aus eigener Anschauung.
An etlichen Stellen des Buches merkt man den Anfänger, wie z.B. bezüglich des Berichts in den Quellen über Klagen hinsichtlich des schlechten baulichen Zustandes des gerade einmal 15 Jah-re alten Vorgängergebäudes der Potsdamer Garnisonkirche. Der Profi weiß, dass es bei solchen Klagen in der Regel darum geht, ein größeres und schöneres Gebäude zu bekommen und weniger um eine Beschreibung der Fakten. Im vorliegenden Fall ist es offensichtlich, dass der König auf die Dauer bei all der ihm nachgesagten Sparsamkeit auf die Dauer doch keinen billigen Schuppen aus Fachwerk als Garnison- und Hofkirche haben wollte und schon gar nicht vor der Haustüre seines Schlosses.
Die Darstellung der Entstehungsgeschichte der beiden Garnisonkirchen profitiert bei dem hier vorliegenden Buch davon, dass nun anstelle der gedruckten Quellen wie bei der Magisterarbeit die Originale bearbeitet wurden. Die Entwicklung der beiden Gebäude bis hin zu ihrem Verschwinden beruht ebenfalls auf der Grundlage einer soliden Quellenforschung und hat zu einer umfangreichen sowie differenzierten Darstellung geführt. Der entsprechende Forschungsstand hinsichtlich der Bearbeitung der Schriftquellen zum Bau und zur Geschichte der beiden Garnisonkirchen dürfte lange Bestand haben.
Sobald die Untersuchung ihren konkreten Gegenstand verlässt und komplexes Denken erfordert, verliert sie ihre Stringenz. Dies gilt für den gesamten vergleichenden Teil, sowohl im Hinblick auf die beiden Hallenbauteile als auch auf den Turm. In diesen Abschnitten wird zwar eine Vielzahl von möglichen Vorbildern und Vergleichsbeispielen angeführt, aber die jeweilige entwurfliche Genese bleibt nebulös. In diesem Zusammenhang erweist sich auch die Hinzuziehung der Berliner Garnisonkirche in die nähere Untersuchung in erster Linie als bloße Ausweitung des Stoffes ohne einen nennenswerten Gewinn an besonderer Erkenntnis. Dass der Autor einmal Architektur studiert hat – man ahnt es nicht.
Dem Mangel an analytischer Durchdringung entspricht eine schwache inhaltliche Fokussierung, die die Arbeit immer wieder ausufern lässt. Dies gilt für die ersten fünfzig Seiten, auf denen die Entwicklung des Militär- und Religionswesens in Brandenburg-Preußen referiert wird. Schon klar, dass sich der Autor zu diesem Thema einlesen musste. Aber für die vorliegende Untersuchung hätte es gereicht, das zum Verständnis der beiden Kirchengebäude Notwendige beiläufig einfließen zu lassen. Schließlich kommt auch noch der alte Herr Kreisbaurat zum Vorschein, als dieser unter dem Vorwand der Beschreibung der städtebaulichen Einbindung der Garnisonkirche jovial durch die Schönheiten der Stadt Potsdam und anderswo führt. Endlich darf auch der Abdruck von Quellenmaterial im Anhangauf vierzig Seiten vor allem als umfangsfördern-de Maßnahme betrachtet werden. Wer sich ernsthaft für diese Unterlagen interessiert, geht ins Archiv und studiert dort die Originale.
Mit dem fehlenden Anschluss an die in den letzten Dekaden erfolgte Methodenintegration in den Geschichtswissenschaften wirkt die hier vorliegende Arbeit seltsam schmalspurig und aus der Zeit gefallen. Letzteres gilt auch für den monarchistischen Unterton. Bei all dem bleibt die Behauptung von Andreas Kitschke, die Potsdamer Garnisonkirche (1991.9) sei „eine der reizvollsten Schöpfungen des preußischen Barock und städtebauliche Meisterleistung ersten Ranges“ nach wie vor eine unbewiesene Behauptung.
In seiner Magisterarbeit von 2006 hat der Au-tor noch für den Wiederaufbau der Potsdamer Garnisonkirche plädiert. Dieser Wunsch war bei der Drucklegung der hier vorliegenden Arbeit zumindest bezüglich des Turmes in Erfüllung gegangen. Es darf angenommen werden, dass Umfang und Format der hier vorliegenden Arbeit dem Rekonstruktionsprojekt Bedeutung verleihen sollen. Alles in allem eine Arbeit nach dem Motto „Pour la gloire de Dieu et du Roi de Prusse“.
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