Bauwelt

Gegen Wegwerfarchitektur

Das Buch handelt vom Konsumismus in der Architektur vor dem Hintergrund des Produktionsüberschusses einer kapitalistischen Wirtschaft.

Text: Rost, Sandra, Nürnberg

Eventteaser Image
  • Social Media Items Social Media Items

  • Social Media Items Social Media Items


Gegen Wegwerfarchitektur

Das Buch handelt vom Konsumismus in der Architektur vor dem Hintergrund des Produktionsüberschusses einer kapitalistischen Wirtschaft.

Text: Rost, Sandra, Nürnberg

Ein Buch über Nachhaltigkeit mit dem Titel „Gegen Wegwerfarchitektur“ scheint sich auf den ersten Blick in das Bücherregal aktueller Publikationen einzureihen. Doch schnell wird deutlich, dass es sich hier nicht um ein weiteres Resümee des aktuellen Diskurses handelt, sondern dass dieses Buch die Perspektive ändern möchte. Wer die Leier von CO2-Ausstößen und Abrissen erwartet, der irrt: Das Buch handelt vom Konsumismus in der Architektur vor dem Hintergrund des Produktionsüberschusses einer kapitalistischen Wirtschaft.
Trotz der kaum mehr als 100 Seiten kann man die durch den Architekten und Stadtwissenschaftler Vittorio Magnago Lampugnani erwünschte Diskurserweiterung um die historische und kulturelle Dimension schnell begreifen: Nachhaltigkeit ist eben nicht nur Werkstoff und Konstruktion, sie ist auch Dichte in Städten und Mobiliar, ist auch Ornamentik und Geschmack, und sie ist auch soziale Bewegung und Identität. Der Autor fordert eine vertiefte und präzise Auseinandersetzung mit den Anforderungen der Zukunft. Diese Auseinandersetzung erweitert er nun um den Faktor des Konsumismus. Eine Erweiterung, die lange überfällig war und ohne erhobenen Zeigefinger verdeutlicht, dass wir etwas ändern müssen – und aufzeigt, woran wir uns ein Beispiel nehmen können.
Dafür leitet Lampugnani mit einem Blick in die Vergangenheit ein und entlarvt die vermeintlich revolutionäre Forderung nach Umbau, Rückbau und Weiterbau als bekannt und vielfach praktiziert: Die Kathedrale von Syrakus auf Sizilien durchging eine Verwandlung vom dorischen Athena-Tempel des 5. Jahrhunderts v. Chr. über eine christliche Kirche in der byzantinischen Zeit bis hin zur Moschee nach der Eroberung der Stadt durch die Sarazenen im 9. Jahrhundert, um dann 1093 wieder als Kirche umgestaltet zu werden, die nach einem Erdbeben auch noch eine barocke Fassade bekam. Beeindruckende Bauten und ihre Geschichte werden ebenso behandelt wie jahrhundertelange Diskurse, beginnend bei Vitruv. Es geht außerdem um gesellschaftlichen Wandel wie die Erfüllung des Sozialprestiges durch demonstrativen Konsum und verschiedenePhasen des Stadtumbaus und die Widerstände dagegen, etwa durch aktivistisches oder intellektuelles Engagement.
Aufgrund des essayistischen Schnelldurchlaufs durch die Geschichte und die mögliche Zukunft der Nachhaltigkeit gibt es keine klare Themeneingrenzung. So enden die Kapitel vor dem tieferen Einstieg in die Materie, obwohl der Text die Themen präzise umreißt. Das bildet einen Kontrast, der teilweise sehr gut funktioniert, wenn es sich um die Zusammenfassung von historischen Diskursen handelt, an anderen Stellen droht der Text allerdings an seiner Informa-tionsdichte zu ersticken.
Doch es entsteht gar nicht erst den Eindruck, dass dieses Buch das perfekte Plädoyer sein möchte, sondern vielmehr die versuchte und erhoffte Diskussionserweiterung – und das gelingt Lampugnani sehr gut. Unterstützt wird das durch ein ungewöhnlich stehendes Format: Es erweist sich als angenehm in der Hand liegend und wird bildlich vielseitig ergänzt – hier lohnt sich der Griff ins Bücherregal der Nachhaltigkeit.
Fakten
Autor / Herausgeber Vittorio Magnago Lampugnani
Verlag Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2023
Zum Verlag

Artikel als pdf

0 Kommentare


loading
x
loading

25.2024

Das aktuelle Heft

Bauwelt Newsletter

Das Wichtigste der Woche. Dazu: aktuelle Jobangebote, Auslobungen und Termine. Immer freitags – kostenlos und jederzeit wieder kündbar.