Bauwelt

Hans und Marlene Poelzig

Bauen im Geist des Barock

Text: Katzke, Thomas

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Hans und Marlene Poelzig

Bauen im Geist des Barock

Text: Katzke, Thomas

Hans Poelzig ist kein Unbekannter, doch für den interessierten Laien ist der Name vielmals nur Synonym des Expressionismus, so dass eher der Geist der Gotik denn des Barocks beschworen und Poelzigs Schaffen häufig auf den Umbau des Zirkus Schumann zum Großen Schauspielhaus für Max Reinhardt reduziert wird.Die vorliegende Publikation beansprucht für sich, eine Forschungslücke zu schließen. Ein gewagtes Unterfangen, da bereits viel über Poelzig geschrieben wurde, zum Beispiel von Theodor Heuss und insbesondere von Julius Posener. Im Hinterkopf des Rezensenten taucht daher in leichter Abwandlung ein berühmtes Zitat Poelzigs („warum machste denn det, det kennste doch schon“) auf, in Erwartung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse, gerade im Hin blick auf die im Buchtitel genannte Marlene Poelzig. Die gegenüber Hans Poelzig (1869–1936) 25 Jahre jüngere Marlene Moeschke-Poelzig (1894–1985) war 1921 Mitbegründerin des Bauateliers Poelzig, nachdem sie seit 1918 Vertraute und Mitarbeiterin des Architekten war. 1924 heiratete das Künstlerpaar. Mit der dem Werk anstatt einer Einleitung vorangestellten „Darlegung des Aufbruchs der Kunstunter Führung der Architektur“ beweist die Autorin mit einem ausufernden „name dropping“, dass sie sich umfangreiche Kenntnisse expressionistischer Kunst jeder Art angeeignet hat. Sämtliche Abbildungen, einem Schwarzweiß-Filmstreifen gleich fast über jede Buchseite laufend, haben keine Bildunterschrift, so dass die Lektüre des Buches mit einem permanenten Blättern in Anmerkungen und Abbildungsverzeichnis einhergeht. Grundrisse oder Schnitte sind, wenn überhaupt abgebildet, aufgrund ihrer schlechten Druckqualität von geringem Informationswert. Ist nicht die Zeichnung die Sprache des Architekten? Eigenartigerweise wird die Farbigkeit einzelner Skizzen beschrieben, diese sind dann jedoch schwarzweiß abgebildet. Und da mit man des Blätterns nicht müde wird, befinden sich die im Text beschriebenen Abbildungen teilweise erst 23 Seiten weiter in einem anderen Kapitel. Das ständige Blättern lässt die Lust am Weiterlesen stark schwinden, doch die Neugier auf Marlene Moeschke-Poelzig siegt. Sie wird im nachfolgenden Buchabschnitt, der sich mit dem Großen Schauspielhaus und dem Festspielhausprojekt für Salzburg befasst, als eigenständige, mitunter sogar treibende Kraft dargestellt, etwa bei der plastischen Ausgestaltung der Innenräume des Schauspielhauses. Basis dieser Erkenntnis ist der von Hambrock gesichtete Briefwechsel zwischen Moeschke und Poelzig.
Wichtige Bauwerke aus dem gemeinsamen Schaffen der Poelzigs, wie zum Beispiel das Haus des Rundfunks, das I.G.-Farben-Haus oder das Wohnhaus Poelzig stellt die Autorin nicht vor. Mit Gründung des Bauateliers ließ der Briefwechsel zwischen dem Künstlerpaar nach, und offenbar versiegte damit die beweissichere und zitierfähige Quelle. In Folge fokus siert sich die Publikation auf Hans Poelzigs Entwürfe und Projekte im Bereich der Theater- und Lichtspielhausarchitektur mit einem umfangreichen Exkurs zu seinen Bühnenbildentwürfen. Der im Kapitel Filmarchitekturen und -welten angerissene, unbestrittene Anteil Moeschkes am Entwicklungsprozess der Filmprojekte, vor allem am „Golem“, bleibt indifferent – wie insgesamt ihr Anteil an den vorgestellten Arbeiten. Die Autorin lässt den Leser häufig im Unklaren darüber, ob abgebildete Skizzen nun von Moeschke oder von Poelzig oder von beiden stammen oder wer wen eventuell beeinflusst hat oderworan Urheberschaft und Beeinflussung erkannt werden können. Eine deutlichere Ausarbeitung ihrer Rolle im Atelier Poelzig wäre dankenswert und dem wissenschaftlichen Anspruch geschuldet. Letztendlich hat der geneigte Leser mindestens 736 Mal die Anmerkungen und 268 Mal das Abbildungsverzeichnis aufgeschlagen – und trotzdem sind viele Fragen unbeantwortet geblieben, zum Beispiel die danach, wie denn nun der auf Cover und Buchtitel berufene barocke Geist dem Werk beider Poelzigs innewohnt. Aber Barock beinhaltet neben Renaissance auch jede Menge Gotik, und wie schon Adolf Behne feststellte: ein höchst kompliziertes Gebilde – das Barock!

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