Karl Ganser
Integratives Planen und Handeln
Text: Escher, Gudrun, Xanten
Karl Ganser
Integratives Planen und Handeln
Text: Escher, Gudrun, Xanten
Welche Kategorie Buch ist das? Für einen Nachruf auf den 2022 Verstorbenen kommt es zu spät, eine kritische Aufarbeitung bietet es allenfalls in Teilen und eine Festschrift, wie es sie früher für verdiente Wissenschaftler gab, ist es auch nicht, denn dort fanden Mitarbeiter und Schüler üblicherweise Gelegenheit, eigene Forschungsergebnisse zu publizieren. Hier ist Karl Ganser – zum wiederholten Male, denn es ist beileibe nicht das erste Buch, das seine Verdienste würdigt – das alleinige Thema, ausgebreitet auf über 300 Seiten mit Beiträgen von rund 50 Autorinnen und Autoren und eingeleitet von nicht weniger als vier Grußworten, das erste vom aktuellen Ministerpräsidenten des Landes NRW Hendrik Wüst. Dabei hat der gebürtige Franke Ganser zunächst in Bayern gewirkt und erst später in NRW, genauer gesagt in der Landesregierung unter dem damaligen Minister Christoph Zöpel (Grußwort Nr. 2) und schließlich im Ruhrgebiet. Dort ist er untrennbar mit der legendär gewordenen Internationalen Bauausstellung Emscherpark verbunden. Um diese, ihre Facetten, ihr Werden und Nachwirken ranken sich denn auch die meisten Beiträge.
Äußerer Anlass des Buches ist laut „Vorwort der Herausgeber“ (sic) Anna Kloke, Heiner Monheim und Uli Paetzel, dass sich 2023 der Todestag des Geehrten jährte, inhaltlicher Anlass der Verweis darauf, dass die Architekturhistorikerin Anna Kloke an der TU Dortmund ein Forschungsstipendium erhielt zur Aufarbeitung des persönlichen Archivs von Karl Ganser, das bereits 2021 auf Betreiben von Zöpel dem Baukunstarchiv NRW in Dortmund übergeben wurde. Die Beiträge im Buch reflektieren denn auch verschiedenste Facetten dieses außergewöhnlichen Beziehungsgeflechts namens Karl Ganser. Der zweite Herausgeber Heiner Monheim war Schüler und später Mitarbeiter von Ganser und erhielt seine Professur nach der IBA als Raumplaner in Trier. Er fasst auf zehn Seiten Gansers Kampf „für eine nachhaltige Stadt- und Regionalplanung“ zusammen. Der dritte im Bunde profitierte von der IBA insofern, als er als Vorstand der Emschergenossenschaft das IBA-Projekt „Umbau der Emscher“ vom Abwasserkanal zurück zu einem lebendigen Flusslauf verantwortete, ein Jahrhundertprojekt im Umfang mehrerer Milliarden Euro, das – auch das gibt es in Deutschland! – im Zeit- und Kostenrahmen im Herbst 2022 zum Abschluss kam.
Das Buch ist in mehrere Themenblöcke gegliedert und beginnt mit „Erinnerungen an Karl Ganser“ (u.a. mit dem oben erwähnten Beitrag von Monheim) gefolgt von „Aufsätze, Redemanuskripte und Korrespondenzen“ mit ersten Einblicken in das Archiv, darunter, gemeinsam mit Thomas Sieverts, ein Überblick über Planungskulturen in der BRD „Vom Aufbaustab Speer bis zur Internationalen Bauausstellung Emscher Park und darüber hinaus“. Es folgen Beiträge über das Wirken in verschiedenen Fachdisziplinen, zu Idee, Umsetzung und Folgen der IBA Emscherpark und endet mit Folgeprojekten. Darunter zu nennen die Routen Industriekultur
als touristisches Erschließungsvehikel der Region, die Kulturhauptstadt Europas „Ruhr 2020“, die Ruhrtriennalen (dieses Jahr unter Intendanz von Ivo van Hove), das Instrument der Regionalen (2025 ist Südwestfalen dran) sowie die Gründung der Bundesstiftung Baukultur. Kritisch stand er der „Festivalisierung“ gegenüber, obgleich genau solche Großereignisse der Renner in der Region sind wie etwa die jährliche „Nacht der Industriekultur“, die Tausende mobilisiert.
als touristisches Erschließungsvehikel der Region, die Kulturhauptstadt Europas „Ruhr 2020“, die Ruhrtriennalen (dieses Jahr unter Intendanz von Ivo van Hove), das Instrument der Regionalen (2025 ist Südwestfalen dran) sowie die Gründung der Bundesstiftung Baukultur. Kritisch stand er der „Festivalisierung“ gegenüber, obgleich genau solche Großereignisse der Renner in der Region sind wie etwa die jährliche „Nacht der Industriekultur“, die Tausende mobilisiert.
Als Ganser 2008 Grundgedanken darüber publizierte, wie Regionalpolitik vom „Wachstumsdiktat zur Schrumpfungsrealität“ umschalten könne, geschah dies vor dem Hintergrund, dass die Wachstumshoffnungen durch den Aufbau Ost nach der Wiedervereinigung sich nicht erfüllten und die langfristigen Prognosen düster aussahen. Manche seiner Vorhersagen etwa über den Megatrend Metropolenwachstum und die wachsende Diskrepanz zwischen arm und reich erwiesen sich als nur allzu zutreffend. Ebenso beachtenswert seine Vorschläge für „Überlebensstrategien“ hin zu mehr Regionalität, Flexibilität und Denken in Kreisläufen. Nicht vorhersehbar war der Zustrom von Migranten seit 2015 sowie eine partielle Renaissance der Industrieregion Ruhr auf neuer Basis. Für deren weiteres Gedeihen stellt die Zerstückelung von Arealen und die Umwidmung zu Wohngebieten nicht zuletzt in Folge von IBA-Projekten eines der Hindernisse dar, weil zusammenhängende Großflächen zunehmend fehlen oder wegen Umgebungsschutz der 24-Stunden-Betrieb ausgeschlossen ist. Für eine kritische Bilanzierung ist es wohl noch zu früh.
Wollte man ein Fazit ziehen, so steht das bereits im Titel des Buches als sein methodisches Vermächtnis: „Integratives Planen und Handeln“. Ein solches soll wohl das neue Miteinander von Industrierelikten und Natur illustrieren, wie es das Umschlagbild mit der Draufsicht auf die früheren Erzbunker des Hüttenwerks Meiderich und ihren Baumbewuchs schmückt.
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