Kay Fisker
Danish functionalism and block-based housing
Text: Brinkmann, Ulrich, Berlin
Kay Fisker
Danish functionalism and block-based housing
Text: Brinkmann, Ulrich, Berlin
Als ich vor fünf Jahren in Kopenhagen war, fiel mir im Osten des Stadtzentrums, an der Straße Dronningens Tvaergade, ein ungewöhnliches Wohnprojekt auf: eine achtgeschossige Anlage, zur Hauptstraße mit einer Ladenzeile im Erdgeschoss, darüber von tiefen Loggien durchbrochene Backsteinfassaden in rotem und gelbem Ziegel, zuoberst flach geneigte Giebel, das Blockinnere ein öffentlicher Platz, leider als Abstellfläche für Autos genutzt. Bauzeit? Frühe 50er Jahre, tippte ich. Dass der Architekt der Anlage Kay Fisker war, wusste ich nicht, doch reicht meine Kenntnis der dänischen Architekturgeschichte nicht tief. Fisker war mir bislang nur mit seinem Beitrag zur Berliner Interbau 1957 bekannt, und da ich diesem Gebäude nie viel abgewinnen konnte, hatte ich mich auch nie weitergehend für seinen Schöpfer interessiert. Eine Monographie, die auch andere Werke von ihm dokumentierte, etwa den besagten Stadtblock, war mir nie in die Finger geraten.
Nun ist Abhilfe geschaffen, und das ist eine gute Nachricht für alle, die sich derzeit mit dem Thema städtischer Wohnungsbau befassen. Das Buch „Kay Fisker. Danish functionalism and block-based housing“ ist eine aufwendige und genaue Analyse von drei Kopenhagener Großwohnanlagen aus drei Jahrzehnten seines Schaffens: Hornbaekhus (1923; zusammen mit Gudmund Nyeland Brandt und Poul Henningsen), Vestersøhus (1935–39; zusammen nit C. F. Møller) und eben Dronningegarden (1943–58; ebenfalls mit Møller). Andrew Clancy und Colm Moore haben diese Wohnbebauungen seit 2016 zusammen mit Studierenden an der Queen’s Univer-sity Belfast bearbeitet; 2018 war ihre Auseinandersetzung auf der Architekturbiennale in Venedig zu sehen. Das Buch, das nun daraus entstanden ist, steht in einer Reihe mit der Beschäftigung britischer Architekten mit modernen und verhalten modernen Architekten Kontinentaleuropas, in Buchform etwa mit den von Adam Caruso und Helen Thomas herausgegebenen Bänden zu Architekten wie Fernand Pouillon oder Rudolf Schwarz präsent.
Die Analyse von Fiskers Bauten wird anhand von zahlreichen, gut lesbaren Plangrafiken präsentiert, die vom Lageplan über die Grundrisse und Schnitte bis hin zu Detaillösungen vor allem der Fassaden – Hauseingänge, Fenster, Balkone, Loggien – reichen. Zahlreiche Fotografien zeigen, wie es Fisker mit seinen wechselnden Partnern gelang, die großmaßstäblichen, meist auf Blockgröße bezogenen Projekte in die Stadt einzupassen und einen großen Maßstab zu entwickeln, gleichzeitig aber einen auf die Bewohnerschaft bezogenen und gebrauchsfreundlichen kleinen Maßstab zu etablieren. Das Innere der Wohnungen selbst ist hingegen kein Thema.
Essays von Poul Sverrild, Direktor des Forstadsmuseet im dänischen Hvidovre, zur Geschichte des sozialen bzw. genossenschaftlichen Wohnungsbaus in Dänemark, Martin Søberg, Professur am Institute of Architecture and Culture der Royal Danish Academy in Kopenhagen, über Fiskers Verwurzelung in den Entwurfsprinzipien des nordischen Klassizismus, sowie von den Architekten Job Floris vom Rotterdamer Büro Monadnock und vom Londoner Tony Fretton, die ihre Bezüge zu Fiskers Werk thematisieren, runden dieses empfehlenswerte Buch ab.
Empfehlenswert warum noch mal? Zitat Fisker, aus dem im Buch enthaltenen, 1947 erstmals veröffentlichten Aufsatz „The Moral of Functionalism: „Today the building of houses is an intricate and troublesome business. Ever increasing demands for comfort and mechanical equipment challenge the architect; new modes of liv-ing complicate construction; ever-growing official intervention and restrictions limit planning; and everything is dominated by economy.“ Welche Lösungen Fisker zu seiner Zeit unter diesen, unserer Gegenwart so ähnlichen Bedingungen gefunden hat, kann nach wie vor inspirieren.
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