Leandro Valencia Locsin
Filipino Architect
Text: Henning, Moritz, Berlin
Leandro Valencia Locsin
Filipino Architect
Text: Henning, Moritz, Berlin
Um es gleich vorweg zu nehmen: Dem Schweizer Jean-Claude Girard ist mit „Leandro Valencia Locsin. Filipino Architect“ ein eindrucksvolles Werk gelungen, welches allen, die sich auch nur ein bisschen für die Architekturgeschichte jenseits der westlichen Welt interessieren, wärmstens ans Herz gelegt sei.
Mit ca. 240 Projekten, ungefähr die Hälfte davon realisiert, war Locsin (1928–1994) einer der produktivsten und wichtigsten Architekturschaffenden der postkolonialen Moderne auf den Philippinen. Hierzulande ist er jedoch vermutlich nur wenigen bekannt. Eine erste, umfassende und opulent bebilderte Dokumentation seines Werks leistete Nicholas Polites 1977 mit „The Architecture of Leandro V. Locsin“. Dem deutschen Publikum brachte Udo Kultermann den Architekten in seinem 1980 erschienenen Buch „Architekten der Dritten Welt“ näher. Girard nun ergänzt das seitdem nur punktuell erweiterte Material mit seiner in Buchform gebrachten Dissertation, die alle Schaffensperioden Locsins umfasst. Hierfür hat er auch das Archiv des Architekten gesichtet und umfangreiches Planmaterial ans Tageslicht befördert.
Leonardo Valencia Locsin kann der dritten Generation philippinischer Architekten zugerechnet werden, die nach der Erlangung der Unabhängigkeit des Landes im Jahre 1946 den architektonischen Ausdruck der jungen Nation prägten. Trotzdem die Philippinen nicht offiziell in den Zweiten Weltkrieg involviert waren, war Manila 1945 eine der meistzerstörtesten Städte der Welt. Während der unmittelbar folgende Wiederaufbau, so beschreibt es Girard, architektonisch eher konzeptlos verlief, war es dieser dritten Generation ab den späten 1950er Jahren vorbehalten, eine spezifisch philippinische Architektur zu entwickeln. Diese war zwar nach wie vor geprägt von internationalen Trends, jedoch ebenso von lokalen Einflüssen. Locsin selbst hatte, im Gegensatz zu vielen anderen dieser Epoche, nicht im Ausland studiert. Doch das heißt nicht, dass er unbeeindruckt von Einflüssen aus dem Ausland blieb: 1956 besuchte er Japan, 1959 Amerika, wo er unter anderem Philip Johnson und Eero Saarinen traf und Frank Lloyd Wrights Taliesin West besuchte. Beide Reisen hinterließen tiefe Spuren in seinem Schaffen.
Seinen ersten Entwurf, eine katholische Kapelle, konnte er 1955 umsetzen, doch richtig in Fahrt kam seine Karriere ab Mitte der 1960er Jahre unter dem Regime von Präsident Ferdinand Marcos und der First Lady Imelda Marcos. Architektur wurde zur Verkörperung eines postkolonialen Nationalismus und Locsin zum Chefarchitekten der mächtigen Marcos-Familie. In dieser Zeit realisierte er einige seiner ambitioniertesten Bauten, darunter viele Kulturbauten und mit dem ebenso monumentalen wie räumlich faszinierenden Theater of Performing Arts in Manila sein wohl bekanntestes Werk.
Girard gliedert Locsins Oeuvre nach Themen wie „Monumentalität“, „Internationale Einflüsse“, dem Bautypus der Villa oder der Entwicklung der Fassade. Dies wirkt sich nicht immer positiv auf die Nachvollziehbarkeit von Locsins Werdegang aus, doch kann man so z.B. am Beispiel der Villenbauten wunderbar nachverfolgen, wie er vom Vorbild des amerikanischen Bungalows zu einer an den Bedürfnissen der wohlhabenden Philippinos, am Klima und historischen Wohntypologi-en orientierten Architektur fand und dabei westliche und östliche Einflüsse verschmolz.
Der Autor seziert Locsins Werk in präzisen Texten, bindet es ein in einen Überblick über die Kolonial- und Architekturgeschichte des Landes und liefert ein detailliertes Werkverzeichnis. Ein paar Wermutstropfen sollen allerdings nicht unerwähnt bleiben: So gibt es nur wenige aktuelle Fotos im Buch, und die historischen sind nicht immer von bester Qualität. Die Zeichnungen, das eigentliche Herzstück des Buches, sind oftmals viel zu klein abgebildet, und nicht zuletzt ist die Typografie hier und da recht verwirrend. Doch das schmälert nur wenig den Wert der Publikation, die einmal mehr zeigt, dass in dieser Region eigenständige architektonische Positionen der Moderne entstanden sind, die denen der ungleich berühmteren, westlichen Architekten und Architektinnen allemal ebenbürtig sind.
0 Kommentare