Sigurd Lewerentz
Architect of Death and Life
Text: Hamm, Oliver G., Berlin
Sigurd Lewerentz
Architect of Death and Life
Text: Hamm, Oliver G., Berlin
Nur wenigen Architekten des 20. Jahrhunderts wurde bislang die Ehre zuteil, dass ein einzelnes ihrer Werke als UNESCO-Weltkulturerbe deklariert wurde. Einer der wenigen ist Sigurd Lewerentz (1885–1975) mit seinem – nach einem gemeinsamen Wettbewerbsentwurf mit Gunnar Asplund von 1915 – über einen Zeitraum mehrerer Jahrzehnte realisierten Waldfriedhof Skogskyrkogården im Süden von Stockholm. Doch trotz der posthumen Auszeichnung und seiner großen Wertschätzung in Architekturkreisen ist Lewerentz so etwas wie der große Unbekannte unter den namhaften skandinavischen Baumeistern des letzten Jahrhunderts geblieben. Das ist nicht weiter verwunderlich, hat er doch nur wenig Schriftliches hinterlassen. Er war kein Theoretiker, schon gar kein Protagonist einer gewissen Denkschule, sondern ein auch als Bautechniker ausgebildeter Praktiker, dabei kein Verfechter eines bestimmten architektonischen Stils. Dank regelmäßiger Reisen durch Europa, insbesondere nach Italien, und dank erster praktischer Erfahrungen ab 1907 zunächst in Berlin (bei Bruno Möhring) und München (bei Theodor Fischer und Richard Riemerschmid) war er sowohl mit der klassischen Architektur als auch mit verschiedenen Strömungen der Moder-ne vertraut. Ab 1911 entwickelte er im eigenen Büro in Stockholm (bis 1916 mit Torsten Stubelius) seine ganz spezifische Handschrift, die unter anderem in Tausenden von Zeichnungen Gestalt annahm.
Eine große Auswahl seiner Zeichnungen, die – gemeinsam mit seinem persönlichen Archiv und seiner Bibliothek – im nationalen schwedischen Architektur- und Designmuseum Ark-Des in Stockholm verwahrt werden, bildet den Grundstock des opulenten Bandes „Sigurd Lewerentz: Architect of Death and Life“. Er ist anlässlich der ersten großen monografischen Ausstellung über Lewerentz im ArkDes erschienen, die das Ergebnis einer vierjährigen Forschungsarbeit war. Fast 400 (von 712) Seiten sind den Zeichnungen – und zum erheblich kleineren Teil auch zeitgenössischen Fotografien und Modell-fotos – aus Lewerentz’ Œuvre vorbehalten: ausgeführte und nicht realisierte Entwürfe für Wohn-, Geschäfts- und Sakralbauten, für Friedhöfe und Landschaftsgestaltungen, für Möbel, Innen- und Ausstellungsarchitektur und für Grafik- und Industriedesign. Dazu kommen ganz- oder gar doppelseitige Fotos seiner wichtigsten Bauten (von Johan Dehlin) aus dem Sommer 2020 auf 80 Seiten, ein sparsam illustrierter biografischer Essay von Johann Örn in fünf Kapiteln auf fast 200 Seiten und ein Einführungstext von Kieran Long, der sich insbesondere mit der Werk-rezeption des schwedischen Baumeisters beschäftigt.
Bei dem verdienstvollen, schwergewichtigen Buch mit größtenteils erstmals überhaupt publiziertem Archivmaterial handelt es sich ohne Zweifel um die bislang weitreichendste Darstellung von Lewerentz’ Leben und Werk. Dem Mythos um seine Person und sein architektonisches Vermächtnis gibt es neue, nicht immer leicht verdauliche Nahrung.
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