Bauwelt

Unterwegs in die Moderne

Friedrich Pützers (1871–1922) Bauten, Straßen, Plätze in Darmstadt

Text: Hamm, Oliver G., Berlin

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Unterwegs in die Moderne

Friedrich Pützers (1871–1922) Bauten, Straßen, Plätze in Darmstadt

Text: Hamm, Oliver G., Berlin

„Von ihrer hohen Planungskompetenz und ihren bedeutenden Architekten hat die Stadt Darmstadt in den letzten Jahrzehnten kaum Gebrauch gemacht. Das war vor 120 Jahren anders. Pützer hat hier vorbildlich gewirkt.“ Jochen Rahe legt mit den Schlusssätzen im finalen Buchbeitrag „Friedrich Pützer aus heutiger Sicht“ einerseits den Finger in eine offene Wunde – den im Gesamtbild unbefriedigenden Zustand der im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigten und danach oft mit wenig Fortune wiederaufgebauten und erweiterten ehemaligen Residenzstadt. Andererseits subsumiert er die Bedeutung des 1871 in Aachen geborenen und dort auch ausgebildeten Architekten, der 1897 – zunächst als Assistent und ab 1900 als Professor an der damaligen Technischen Hochschule – nach Darmstadt übersiedelte und vor allem dort ein umfangreiches architektonisches Werk hinterließ, als er 1922 – im Alter von lediglich 50 Jahren – starb. Mit dem Hauptbahnhof, mit jeweils mehreren Villen – auch auf der Mathildenhöhe – und Bauten sowohl für die Technische Hochschule als auch für die Firma Merck, mit zahlreichen Kirchenneu- und -umbauten und vor allem mit der Anlage des Paulusviertels (ursprünglich Villenkolonie Böllenfalltor") gestaltete er wichtige Teile der Stadt in der Zeit der vorletzten Jahrhundertwende, die wie keine andere Darmstadt prägte, ehe die Bausubstanz in der Innenstadt (zu 78 Prozent) und auch in anderen Stadtteilen im Zweiten Weltkrieg schwere Verluste erlitt.

Pützers Werk und Einfluss waren lange in Vergessenheit geraten, was erstaunt, war er doch auch Mitautor des ersten modernen deutschen Denkmalschutzgesetzes (des Großherzogtums Hessen und bei Rhein, 1902), erster Denkmalpfleger der Provinz Rheinhessen (1902–07) und ab 1908, als Katholik, Kirchenbaumeister der Evangelischen Landeskirche im Großherzogtum Hessen-Darmstadt. Dabei hatte er mit seinem malerisch-künstlerischen Städtebau im Sinne Camillo Sittes, mit seiner landschafts- und ortsgerechten Architektur und auch mit seiner Art eines einfühlsamen Bauens im Bestand einen ebenso großen Einfluss auf die Entwicklung Darmstadts wie Joseph Maria Olbrich und andere mit dem Jugendstil-Ensemble auf der Mathildenhöhe. Erst eine Ausstellung 2015 in der Kunsthalle Darmstadt mit Begleitkatalog („In die Umgebung hineingedichtet“) rückte das Werk Pützers wieder in den Fokus.
Dass ihm sich nur sechs Jahre später eine weitere Publikation widmet, ist zunächst das Verdienst der Werkbundakademie Darmstadt und des mittlerweile zwölften Darmstädter Stadtfotografen Vitus Saloshanka, der sich auf eine persönliche Spurensuche Friedrich Pützers begeben hat. Die jeweils auf einer Einzel- oder Doppelseite präsentierten Aufnahmen des 1974 in Minsk geborenen, 2001 nach Deutschland übersiedelten Fotografen nehmen fast ein Drittel des Buches ein. Ergänzt werden sie durch einige zeitgenössische Fotografien, die Pützer selbst beauftragt hatte (darunter Innenräume seines eigenen Hauses auf der Mathildenhöhe und auch von Kirchenräumen, die in der ursprünglichen Fassung nicht erhalten sind), durch historische Zeichnungen und vor allem durch eine Rei-he von Aufsätzen diverser Autoren, die leider teilweise etwas kurz geraten und dadurch (zu) wenig tiefgreifend sind. Das Buch konzentriert sich auf Darmstadt. Wer sich umfassender mit Pützers Werk – auch in anderen Städten – beschäftigen will, sollte auf „In die Umgebung hineingedichtet“ (Spurbuchverlag, Baunach 2015) zurückgreifen.
Fakten

Verlag Jovis Verlag, Berlin 2021
aus Bauwelt 1.2025
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