Viele Einfamilienhäuser und ein Flughafen
Zwei Bücher über Bauten von gmp
Text: Hotze, Benedikt, Berlin
Viele Einfamilienhäuser und ein Flughafen
Zwei Bücher über Bauten von gmp
Text: Hotze, Benedikt, Berlin
Junge Architektinnen und Architekten, die sich selbständig machen, erhalten ihren ersten Auftrag oft aus dem Familien- oder Freundeskreis für den Bau oder Umbau eines Einfamilienhauses. Nicht so bei Meinhard von Gerkan und Volkwin Marg: Ihr Erstling direkt nach dem Studium war bekanntlich ein internationaler Flughafen.
In ihrem seit Tegel schnell hochgezoomten Büro gmp entstanden seitdem unzählige Gewerbe- und Bürobauten, viele davon als Wettbewerbsgewinne. Als der Rezensent einst in die Bauwelt-Redaktion eintrat, galt dort dennoch eine unausgesprochene gmp-Blacklist: Alles sei zwar nicht unter einem bestimmten Niveau, aber auch nicht darüber, hieß es. Veröffentlicht wur-de von dem Hamburger Großbüro damals jedenfalls nichts.
Inzwischen haben gmp sich altersweitsichtig weiterentwickelt: Meinhard von Gerkan interessiert sich seit Jahren hauptsächlich für Kultur- und Repräsentationsbauten weltweit, und Volkwin Marg entwirft internationale Sportstätten und Messen und engagiert sich für das Weiterbauen im Bestand, was allerdings nicht immer mit den strengen Prinzipien der Denkmalpflege korrespondiert, auch wenn er das anders sehen mag.
Und nun also ein Buch über Einfamilienhäuser aus dem gmp-Portfolio! Das passt erst einmal nicht in das Narrativ, und so kann man denn auch davon ausgehen, dass die Einfamilienhäu-ser eher auf einem Nebenstrang der Büroroutinen entstanden sind, maßgeblich beeinflusst durch die jeweiligen Bauherren. Und davon gibt es einige: Meinhard von Gerkan ist allein mit fünf Häusern für sich selbst vertreten, darunter ein bewohnbarer Architektursalon und zwei Ferienhäuser. Volkwin Marg ist mit seinem bis heu-te genutzten Umbau unter der Bauherrschaft seiner Frau dabei. Wer in dem von außen unscheinbaren Haus einmal eine musikalische Matinee erlebt hat, weiß die räumlichen Qualitäten zu schätzen. Richtig interessant wird das großzügig aufgemachte und bestens dokumentierte Buch aber dort, wo neue Wege beschritten werden, zum Beispiel beim Ferienhaus aus der Feder von Doris Schäffler an einem See im Berliner Umland: Hier wurde eine im Detail anspruchsvolle Holzkonstruktion von einem örtlichen Zimmermann umgesetzt, der das Motto pflegt: „Das haben wir ja noch nie gemacht, das finde ich spannend“ statt „Das haben wir noch nie gemacht, das geht nicht!“
Kehren wir damit zum Ausgangspunkt zurück, zum Berliner Flughafen. Sofern wir von dem aus der Zeit gefallenen, kürzlich eröffneten BER reden, sind die Kritiken durch die Bank wenig schmeichelhaft: „Hilfloser Konservatismus der Fassaden“ (Der Spiegel), „Postsowjetischer Kulturpalast“ (Süddeutsche Zeitung) oder „Das Auge fliegt nicht mit“ (taz). Das war in Tegel damals anders: Das ikonische Sechseck wurde von Manfred Sack in der „Zeit“ zur Eröffnung 1974 als „der beste Flughafen der Bundesrepublik“ bezeichnet, „vermutlich gibt es nirgendwo einen besseren“.
Pünktlich zur Tegel-Schließung erschien nun das Buch „TXL“; auch dieses maßgeblich lanciert von gmp. Nicht zuletzt dank reichlich vorhandenen Bildmaterials aus der Planungs-, Bau- und Fertigstellungszeit ist es eine opulente Monographie geworden. Tegel 1974 wirkt heute erstaunlich frisch; zeitbedingte Gestaltungsmoden gewinnen keinen großen Einfluss auf das Look and Feel des Flughafens der kurzen Wege. Uninspiriert und provisorisch erweitert, strahlte das TXL-Sechseck dennoch bis zuletzt eine würdevolle Souveränität aus. So gesehen ist die Schließung ein Jammer; andererseits wird das 2019 unter Denkmalschutz gestellte Terminal-Gebäude unter (allerdings nicht ganz friktionsfreier) Mitwirkung der gmp-Architekten demnächst umgenutzt für Hochschulzwecke. Dieses wunderbare Buch setzt dem Top-Sympathen aller deutschen Flughäfen ein fröhliches und unsentimentales Denkmal.
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