Bauwelt

Die Intelligenz der Vielen

Von der Entwicklung einer intelligenten Datenbank bis zur Weitergabe „weichen Wissens“ – Volker Staab erklärt im Gespräch, wie neue Strukturen helfen, das Wissen aller zu nutzen.

Text: Hoetzel, Dagmar, Berlin

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Ende November fand das Gespräch in den Büroräumen von Staab Architekten statt. Volker Staab gründete 1991 das Architekturbüro Volker Staab. Er lehrte an verschiedenen Universitäten und Hochschulen.
Foto: Jasmin Schuller

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Ende November fand das Gespräch in den Büroräumen von Staab Architekten statt. Volker Staab gründete 1991 das Architekturbüro Volker Staab. Er lehrte an verschiedenen Universitäten und Hochschulen.

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Die Intelligenz der Vielen

Von der Entwicklung einer intelligenten Datenbank bis zur Weitergabe „weichen Wissens“ – Volker Staab erklärt im Gespräch, wie neue Strukturen helfen, das Wissen aller zu nutzen.

Text: Hoetzel, Dagmar, Berlin

Wie und was wird im Büro archiviert?
Volker Staab Es gibt verschiedene Aspekte der Archivierung. Zum einen die zehnjährige Dokumentationspflicht – juristischer Schriftverkehr oder Planungsunterlagen, mit denen nachgewiesen werden muss, welche Arbeiten zu einem bestimmten Zeitpunkt durchgeführt wurden. Und dann die Archivierung unserer Projekte: Einerseits gibt es das klassische Archiv mit Modellen und physischen Materialien. Der Großteil ist jedoch digital. Wir bauen gerade mit einem neuen Programm eine umfassende Datenbank auf. Ein Kollege aus unserem Büro hat gemeinsam mit einem Freund ein Datenbanksystem entwickelt. Wir testen den Prototyp. Dabei werden beispielsweise Bilder, Pläne und Projektdaten für die Öffentlichkeitsarbeit archiviert. Alle Fotos, die wir haben, sind unter verschiedenen Schlagworten zu finden. Man kann nach verschiedenen Themen oder natürlich auch projektweise suchen. In dieser Datenbank befinden sich also all die Unterlagen, die für die Öffentlichkeitsarbeit gebraucht werden – aber darüber hinaus auch unsere ganze Detail-Datenbank. Das ist tatsächlich ein Archivierungstool, mit dem auch in den Projekten viel gearbeitet wird.
Das Ziel ist, dass alle Daten eines Projekts in die Datenbank eingespeist werden?
Genau. Es werden Daten in unterschiedlichen Kategorien gesammelt: von Bausumme, Bauzeit über Mitarbeiter bis zu Fotos und Bildrechten. Das System weist eine komplexe Vernetzung auf.
Musste man dafür immer jemanden fragen?
Ja. Die Köpfe der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bilden unser großes Archiv, aber wir versuchen, uns durch das digitale Archiv von der Abhängigkeit einzelner Personen zu lösen. Wir haben ja schon lange sogenannte Detailpaten – Spezialisten für bestimmte Themen wie Türen, Fenster, Fassade etc. Sie beraten Kolleginnen und Kollegen. Das bleibt unverändert, aber nun kann vieles auch über die Datenbank recherchiert werden. Wahrscheinlich wird es jedoch weiterhin so sein, dass die Detailpaten zu Beginn beraten und dann Hinweise für die Suche in der Datenbank geben.
Wird die Datenbank kuratiert?
Ein Team, das sich aus den Detailpaten und der erweiterten Geschäftsleitung zusammensetzt, übernimmt die Kuratierung der Datenbank. Wenn ein Projekt fertig ist, werden alle Details angeschaut und kategorisiert. Das Ziel ist, dass jedes Projekt bewertet wird; ob das Detail sich bewährt hat, gestalterisch und konstruktiv. Wir neigen ja immer dazu, die ganze Welt bei jedem Projekt neu zu erfinden und irgendwann haben wir festgestellt, dass das nicht so sinnvoll ist. Man muss eine Kellertür in der Technikzentrale nicht jedes Mal neu recherchieren, jetzt kann man auf diese ganzen Daten zurückgreifen.
Aber es gibt ja auch ein Wissen, das geht noch weit darüber hinaus.
Genau, ein „weiches“ Wissen gibt es auch. Das ist eigentlich unser größtes Kapital. Wir haben sehr viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die schon sehr lange bei uns sind. Ihr Wissen kann man gar nicht abstrakt in einer Datenbank ablegen. Es basiert auf viel Erfahrung und umfasst Themen wie die Organisation der Arbeit, das Verständnis von Tragwerksplanung und die Fähigkeit, effektiv mit Tragwerksplanern zu kommunizieren. Und vor allem auch welche architekto­nische Haltung verfolgen wir im Büro. Ein Detail in der Datenbank zeigt noch lange nicht, warum es genau so aussieht.
Gibt es eine Strategie zur Wissensvermittlung?
Wir sind gerade dabei, das ganze Büro zu transformieren. Irgendwann werde ich nicht mehr dabei sein und mein Ausstieg muss vorbereitet werden. Deshalb gibt es jetzt eine erweiterte Geschäftsleitung in der alle Themen des Büros abgebildet sind. Auch ein sogenanntes Gestaltteam. Das ist eine Gruppe von fünf Leuten, die die architektonischen, inhaltlichen Konzeptionen des Büros synchronisieren sollen.
Das Wettbewerbsteam ist fest? Es weiß um die Haltung und Philosophie des Büros.
Drei langjährige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter leiten das Wettbewerbsteam. Dazu kommen junge Mitarbeiter, oft ehemalige Studierende von mir aus Braunschweig. Sie beginnen im Wettbewerbsteam und wechseln nach etwa zwei Jahren in ein Projektteam. Die jetzige Leitung hat diese Karriere schon hinter sich.
Wie setzen sich die Planungsteams zusammen?
Wir nennen es die „Intelligenz der Vielen“. Es ist von Vorteil, wenn in einem Team unterschiedliche Talente zusammenkommen. Das Wissen, das in ein solches Projekt einfließt, setzt sich aus vielen verschiedenen Elementen zusammen – von digitalem Fachwissen bis hin zu praktischen Kenntnissen, wie man etwa die Abdichtung einer Terrassentür richtig umsetzt und wie das dann auf der Baustelle aussieht.
Alfred Nieuwenhuizen, der seit 1996 dein Partner war, ist bereits ausgeschieden. Wie wird sein Wissen und seine Erfahrung kompensiert?
Wie schon erwähnt gibt es Gruppen, die sich mit den Themen der erweiteren Geschäftsleitung befassen, wie Gestaltung, Büroleitung, Planung, Bauleitung, Akquisition sowie Verträgen und Finanzen befassen. Alfreds Ausstieg war nicht von heute auf morgen. Seine Themen wie Projektkalkulation und Management oder Laborbau wurden nach und nach von einer Gruppe übernommen. Wir überlegen, welche Gesellschaftsstruktur das Büro künftig haben könnte. Ich möchte mich in drei Jahren zumindest aus der Geschäftsleitung zurückziehen und, je nachdem wie es mir Spaß macht, noch ein bisschen Wettbewerb betreuen. Das heißt aber auch, dass ich mich zurücknehmen muss, um den Nachfolgern Platz zu lassen. Ein Büro mit 120 Leuten kann man nicht einfach schließen, wenn man keine Lust mehr hat.
Ihr habt ein Forum geschaffen. Was ist das?
Das gehört auch mit zu diesem Transformationsprozess und zur neuen Struktur. Es gibt die
erweiterte Geschäftsleitung bzw. Geschäftsleitungskreise. Und dann gibt es das Forum. Das wird paritätisch aus allen Kolleginnen und Kollegen besetzt: mindestens 50 Prozent Frauen
sowie ein Bauleiter und ein Projektleiter. Alle zwei Jahre wird es neu gewählt durch eine sogenannte Widerstandsabfrage, an der alle im Büro teilnehmen dürfen. Nominierte Personen, die am wenigsten Widerstand bekommen und in diese verschiedenen Kategorien passen, bilden das Forum. Es tagt einmal im Monat. Es werden strategische Dinge besprochen und Themen diskutiert, die in unseren Arbeitsgruppen, zum Beispiel der Nachhaltigkeit-AG, bearbeitet werden.
Die AGs beschäftigen sich mit bestimmten Themen und bringen sie ins Forum ein?
Ja, das Forum funktioniert wie ein Parlament. Jeder kann dort Themen einbringen. Es gibt ein Board, auf dem man Vorschläge einträgt, die dann daraufhin diskutiert werden sollen. Von dort aus werden Aufträge an die Geschäftsleitung weitergegeben. Diese ist dann eher so die Exekutive.
Könnte man sagen, dass diese Struktur, ähnlich wie eine Datenbank, das Wissen und die Perspektiven aller nutzt?
Das Forum bringt viele Perspektiven ein, auch solche, die ich nicht unbedingt teile. Es wird spannend, wenn meine Generation ausscheidet.
Gibt es Überlegungen, einem institutionellen Archiv etwas zu übergeben?
Es wird ein Archiv geben, aber ob es sich um ein institutionelles Archiv handeln wird, ist noch unklar. Ehrlich gesagt habe ich mir dazu keine Gedanken gemacht. Das erlebbarste Archiv sind unsere Häuser, die wir geplant haben. Sie stehen ja und werden es hoffentlich noch eine Weile tun.
Fakten
Architekten Staab Architekten, Berlin
aus Bauwelt 1.2025
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