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Mit Blick auf die Zukunft

Die Bauwelt freut sich, den Preis „Das erste Haus“ in diesem Jahr gemeinsam mit Kingspan als neuen Partner an die nächste Generation selbstständiger Architekten vergeben zu können.

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Mike Stenson leitet die Innovationsabteilung bei Kingspan.
Foto: Naoise Culhane

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Mike Stenson leitet die Innovationsabteilung bei Kingspan.

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Mit Blick auf die Zukunft

Die Bauwelt freut sich, den Preis „Das erste Haus“ in diesem Jahr gemeinsam mit Kingspan als neuen Partner an die nächste Generation selbstständiger Architekten vergeben zu können.

Die Unternehmensgruppe setzt damit nicht nur ein Zeichen für das Vertrauen in den Nachwuchs, sondern auch für ein klima­bewusstes und nachhaltiges Bauen. Mike Stenson, Global Head of Innovation bei Kingspan, über den komplexen Weg zu kohlenstoffarmen Materialien, Produkten und Gebäuden
Wie geht Kingspan an die Verringerung des „embodied carbon“ (gebundener Kohlenstoff) in seinen bestehenden Produkten heran?
Wir haben uns öffentlich zu zwei Zielen verpflichtet, die unsere Bemühungen beschleunigen: Das erste ist ein Ziel innerhalb unseres 10-Jahres-Nachhaltigkeitsprogramms Planet Passionate, die Kohlenstoffintensität unserer Primärrohstoffe bis 2030 um 50 Prozent zu reduzieren, und das zweite ist ein wissenschaftlich fundiertes Ziel, die Scope-3-Emissionen, also die Treibhausgasemissionen entlang der Wertschöpfungskette des Unternehmens, bis 2030 um 42 Prozent zu senken.
Wir haben ein jährliches Lieferantenforum eingerichtet, um mit unseren wichtigsten Rohstoff-lieferanten zusammenzuarbeiten, und dies führt bemerkenswert schnell zu Ergebnissen. Wir können uns nun vorstellen, den gebundenen Kohlenstoff unserer QuadCore-Dämmplatten bis 2030 in bestimmten Märkten um etwa 45 Prozent oder mehr zu reduzieren, und auch bei unseren Kooltherm-Dämmplatten sehen wir bis 2030 ein erhebliches Reduktionspotenzial.
Wir haben auch in H2 Green Steel investiert, ein Startup-Unternehmen in Schweden, das 95 Prozent des Kohlenstoffs bei der Stahlherstellung durch grünen Wasserstoff einsparen will. Außerdem führen wir eine Reihe von Pilotprojekten durch, bei denen wir Produktionsabfälle verwenden, um die Möglichkeiten des mechanischen und chemischen Recyclings dieser Produkte am Ende ihrer Lebensdauer zu erproben. Diese Projekte laufen gut, aber das gesamte industrielle Ökosystem muss sich weiterentwickeln, um die Kreislaufwirtschaft in großem Maßstab zu unterstützen. Wir engagieren uns sehr für das neue System der erweiterten Herstellerverantwortung für die nationale Bauindustrie in Frankreich und sind einem der zugelassenen Kollektive als assoziiertes Mitglied beigetreten, und es wird sehr interessant sein zu sehen, wie sich das entwickelt.
Die verschiedenen Produkttypen weisen ein unterschiedliches Kohlenstoffprofil auf. Bei einigen liegt der Großteil des Kohlenstoffs in der Herstellung, bei anderen in den Rohstoffen oder am Ende der Lebensdauer. Die Hersteller müssen also für die verschiedenen Materialien unterschiedliche Strategien anwenden. Heute stellt Kingspan hauptsächlich Dämmplatten und Isolierte Dach- und Wandelemente mit entweder PIR-, QuadCore- oder Mineralfaserdämmkern her. Mit Ausnahme der Mineralfaser haben die­se Produkte einen sehr hohen Wärmewirkungsgrad. Der größte Teil des gebundenen Kohlenstoffs steckt in den Rohstoffen, bei einigen unserer Dämmplatten auch in der Endphase ihres Lebenszyklus.
Wie sehen Sie die Zukunft für neue biobasierte kohlenstoffarme Baumaterialien und welche Rolle werden sie spielen?
Im IKON-Innovationszentrum von Kingspan befinden wir uns in einem frühen Stadium der Erforschung eines sehr breiten Spektrums potenzieller biobasierter Dämmstoffe wie Hanf, Myzel und anderen. Durch diese Forschung beginnen wir zu verstehen, dass diese Produkte zwar einen sehr geringen Anteil an gebundenem Kohlenstoff aufweisen, aber andere Faktoren zu berücksichtigen sind: In der Regel gibt es erhebliche Kompromisse in Bezug auf die thermische Effizienz und das Brandverhalten; es ist nicht bekannt, wie gut einige dieser Materialien über einen langen Zeitraum funktionieren werden, und manchmal kann es notwendig sein, Chemikalien hinzuzufügen, die ihre Kompostierbarkeit oder Recyclingfähigkeit am Ende ihrer Lebensdauer beeinträchtigen könnten. Wir müssen dieses Thema also ganzheitlich betrachten, wissenschaftlich fundierte Entscheidungen bei der Produktauswahl treffen und sicherstellen, dass wir die Kohlenstoffreduzierung während der gesamten Lebensdauer von Gebäuden in Angriff nehmen.
Grundsätzlich sind wir der Meinung, dass wir als Industrie den gebundenen Kohlenstoff von bewährten Hochleistungsdämmstoffen – wie denen, die Kingspan herstellt –, die bereits heute auf dem Markt sind, reduzieren und gleichzeitig neue Dämmstoffe mit sehr geringem gebundenem Kohlenstoff einführen müssen. Allerdings erst, nachdem wir ihre Leistungsmerkmale und ihren angemessenen Einsatz in Gebäuden vollständig verstanden haben.
Zunächst einmal ist es wichtig, daran zu denken, dass bis zur vollständigen Umstellung des Energiesystems auf erneuerbare Energien der durch den Betrieb von Gebäuden erzeugte Kohlenstoff den gebundenen Kohlenstoff bei weitem überwiegen wird. Auch wenn die Verringerung des gebundenen Kohlenstoffs in Baumaterialien im Vordergrund steht und dies absolut richtig ist, sollte dies nicht auf Kosten der Verringerung des betriebsbedingten Kohlenstoffs geschehen.
Es gibt noch eine weitere Überlegung. Auf die Bauindustrie entfallen etwa 40 Prozent aller Ressourcen, die der Erde jedes Jahr entnommen werden. Es stellt sich also auch die Frage, welche Menge an Baumaterialien realistischerweise auf biobasierte Materialien umgestellt werden kann, ohne dass dies negative Auswirkungen auf die Flächennutzung für Biodiversität und Nahrungsmittel hat.
Aus all diesen Gründen sehen wir die Zukunft in einem Mix aus Dämmstoffen, die aus Rohstoffen wie petrochemischen Rohstoffen, Stein und anderen Materialien hergestellt werden (natürlich mit kohlenstoffarmer Herstellung und einem Kreislaufkonzept), und biobasierten Dämmstoffen.
Was lernen Sie über die Umweltproduktdeklaration EPD (Environmental Product Declaration) und die Messung des grauen/gebundenen Kohlenstoffs in Produkten und Gebäuden?
Wir sind der festen Überzeugung, dass EPDs unverzichtbar sind, aber das System ist im Moment einfach nicht robust genug, um den gebundenen Kohlenstoff verschiedener Produkte sinnvoll zu vergleichen. Was nicht allgemein verstanden wird, ist, dass es zwei verschiedene Datenquellen gibt, aus denen die EPD-Betreiber schöpfen können, und dass es auch die Möglichkeit gibt, sehr unterschiedliche Annahmen zu treffen, was bedeutet, dass es möglich ist, sehr unterschiedliche EPDs für genau dasselbe Produkt zu erstellen. Wir brauchen wirklich unsere Industrieverbände, um dieses Problem anzugehen.
Außerdem ist die richtige Art und Weise, wie man den gebundenen Kohlenstoff von Produkten vergleicht, im Allgemeinen nur unzureichend bekannt. Um einen aussagekräftigen Vergleich zwischen zwei Produkten anstellen zu können, ist es wichtig, sie nach funktionalen Einheiten und nicht nach Kubikmetern zu vergleichen. So
ist beispielsweise QuadCore ein viel dünnerer Dämmstoff als Steinwolle, so dass der Vergleich auf der Dicke der beiden Produkte basieren sollte, die erforderlich ist, um einen bestimmten U-Wert zu erreichen.
Und schließlich sollten alle Entscheidungen auf der Ebene des gesamten Gebäudes und der gesamten Lebensdauer getroffen werden. Um ein Beispiel zu nennen, warum dies wichtig ist: Ein Produkt kann einen höheren gebundenen Kohlenstoffgehalt haben als eine Alternative, aber es kann Kohlenstoff in Bezug auf den Transport oder die Gebäudestruktur einsparen und kann daher die bessere Wahl sein, wenn ein Vergleich für das gesamte Gebäude durchgeführt wird.
Wie muss sich die Bauindustrie anpassen, um die Verwendung von Materialien mit geringerem Kohlenstoffgehalt zu erleichtern?
Wie bereits erwähnt, ist ein robustes System zur Messung und zum Vergleich des in Produkten enthaltenen Kohlenstoffs unerlässlich. Außerdemsind wir der festen Überzeugung, dass der Massenausgleich erleichtert werden muss, wenn wir einen echten Wandel in großem Maßstab erreichen wollen. Dies ist ein sehr neues Prinzip für Produkte in der Bauindustrie und muss von den EPD-Betreibern akzeptiert werden, die nicht immer die Realitäten der Umwandlung großer komplexer Produktionsprozesse verstehen. Der Massenausgleich ist das Prinzip der Einführung von chemisch recycelten oder biobasierten Rohstoffen in Rohstoffe, die dann eine komplexe chemische Umwandlung durchlaufen.
Und schließlich müssen wir als Industrie in Zusammenarbeit mit den nationalen Regierungen zusammenkommen, um Kreislaufwirtschaft in großem Maßstab zu ermöglichen.

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