Bauwelt

Wir haben inzwischen 3700 Normen nur im Wohnungsbau

Die bezahlbare Wohnung ist ein Sehnsuchtsort, vor allem in München. Die GWG München bewirt­­schaf­tet und verwal­­tet knapp 30.000 Wohnungen. Geschäfts­führerin Gerda Peter im Gespräch

Text: Schade-Bünsow, Boris, Berlin

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    Die GWG Wohnanlage in der Badgasteinerstraße.
    Fotos: Eric-Jan Ouwerkerk (links), Stefan Müller-Naumann (unten)

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    Fotos: Eric-Jan Ouwerkerk (links), Stefan Müller-Naumann (unten)

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Wir haben inzwischen 3700 Normen nur im Wohnungsbau

Die bezahlbare Wohnung ist ein Sehnsuchtsort, vor allem in München. Die GWG München bewirt­­schaf­tet und verwal­­tet knapp 30.000 Wohnungen. Geschäfts­führerin Gerda Peter im Gespräch

Text: Schade-Bünsow, Boris, Berlin

Die Zahl der Haushalte in Deutschland steigt, die Struktur verändert sich: Welche Wohnungen werden künftig gefragt sein?
Gerda Peter Wir leben in einer viel differenzierteren Gesellschaft also noch vor 30 Jahren. Diese Individualisierung von Lebens- und Haushaltsformen nehmen auch wir wahr. Deswegen brauchen wir viel mehr Sonderwohnformen, auch wenn die GWG München schon viele unterschiedliche Formen bietet, wie WG‘s, verschiedene Heimformen von Clusterwohnungen bis Inklusionswohnungen, alles neben der klassischen 1- bis 5-Zimmerwohnung. Jedoch beginnt die Zukunft des Wohnens schon in der Stadtplanung, im Städtebau und seinem Angebot rund ums Wohnen, im Quartier.
Bei Neubauwohnungen lag die Durchschnittsmiete 2018 in München bei 19,90 Euro pro Quadratmeter: Für die Neubauten der GWG garantieren Sie einen Mietpreis von 7,35 Euro pro Quadratmeter. Diese neuen Wohnformen, die Sie ansprechen und die mit Dienstleistungsangeboten einhergehen, wie ist das wirtschaftlich realisierbar?
Es ist eine wahnsinnige Herausforderung. Wir finanzieren die Wohnungen über unser Eigenkapital, klassische Fremddarlehen und über Fördermittel. In diesem Mix ist es möglich, aber wirtschaftlich wirklich schwierig.
Was sind für Sie weitere Schwierigkeiten und Hemmnisse wirtschaftlich so zu bauen?
Mit voller Überzeugung kann ich hier sagen: die starken Regulierungen, die wir haben. Wir haben inzwischen über 3700 Normen nur im Wohnungsbau. Ein weiteres Hemmnis ist natürlich die Bodenpolitik und derzeit die Marktlage. Auch wenn die Baukostensteigerung nur ein Symptom ist und nicht die Ursache.
Viele Ihrer Wohnanlagen zeichnen sich durch besonders gestaltete Freiräume – besser gesagt Innenhöfe – aus, die zur Sicherung einer Wohn- und Freizeitqualität unabdingbar sind. Welche Konzepte verfolgen Sie?
Uns ist wichtig, dass es eine Differenzierung zwischen öffentlich, halb-öffentlich und privatem Freiraum gibt. Das ist vor allem bei Erdgeschosswohnungen von Bedeutung. Diesen Wohnungen bieten wir einen kleinen geschlossenen oder begrenzten Terrassenbereich, der als solcher auch gegenüber den sogenannten Kommunikationszonen für alle Bewohner und den Spielbereichen für Kinder erkennbar ist.
Erreichen Sie ihr Ziel aus dem Jahr 2017, 3700 neue Wohnungen bis 2021 zu bauen?
Das Ziel erreichen wir, ja. Und das Ziel bis 2026 ist es, weitere 3600 Wohnungen zu realisieren.
Wie definieren Sie Nachhaltigkeit im Wohnungsbau?
Nachhaltigkeit beginnt bei uns mit dem Einsatz der richtigen Ressourcen und der Auswahl der richtigen Baustoffe und Energiekonzepte. Bei unseren Mietern versuchen wir zum Beispiel Anreize zu schaffen, in dem die Wohnanlagen eigene Mobilitätsstationen bekommen, die Platz für Räder und Lastenräder bieten oder an denen man diese leihen kann. Als Unternehmen selbst setzen wir auf Nachhaltigkeit, indem zum Beispiel unser Fuhrpark aus Elektroautos besteht oder wir unsere Mitarbeiter dazu motivieren, die öffentlichen Verkehrsmittel zu nutzen.
Deutschland strebt bis 2050 einen nahezu klimaneutralen Gebäudebestand an, was bedeutet das für die GWG?
Die Stadt München hat uns die Klimaneutralität durch einen Stadtratsbeschluss im Dezember 2019 auferlegt − allerdings schon bis 2030. Ich denke, dass die Klimaneutralität insbesondere durch eine kluge Energieversorgung erreicht werden kann. Das bedeutet für die GWG, dass vor allem die Zusammenarbeit mit Energieversorgern verstärkt werden muss. Dabei ergeben sich grundsätzliche Fragen: Wie gehen wir mit Neubauten um? Wo liegt der richtige Gebäudestandard? Gewünscht wird von der Stadt München im Neubau eine Effizienz im KfW40-Standard. Für Sanierung müssen wir jetzt den rich­tigen Gebäudestandard definieren. Das Ziel ist von einzelnen Gebäudestandards wegzukommen und Gesamtlösungen zu suchen.
Was bedeutet das für ihre Mieter? Die Mieten in ihren Objekten sollen auch nach Sanierung und Modernisierung nicht steigen.
Wir haben den Mietendeckel deswegen können wir fünf Jahre lang keine Miete erhöhen. Innerhalb dieser Jahre wird das auch so bleiben. Die Umlagefähigkeit für Sanierungen ist in München auch durch einen Stadtratsbeschluss von acht Prozent auf fünf Prozent reduziert worden. So können die Mieten nach Sanierungen auch nach fünf Jahren nicht wirklich steigen. Deswegen müssen wir uns darum bemühen zusätzliche Förder- und Finanzierungsmittel zu bekommen.
Wie löst München das Bauland-Problem? Mit Nachverdichtung und dem Bauen in die Höhe oder durch das Ausweichen ins Umland?
Derzeit stehen für unseren Wirtschaftsplanzeitraum noch ausreichend Flächen zur Verfügung. Unsere Zukunftsperspektive sieht jedoch definitiv vor, in Ergänzung in die Höhe zu bauen und dichter. Das Umland ist bei uns nur im begrenzten Maße ein Thema. Wir sind zum Beispiel in der Gemeinde Poing tätig, aber verstehen unseren Auftrag dann aber doch im Ballungsraum München zu bleiben.
Bauen in die Höhe ist in München nicht besonders populär. Wie schaffen Sie Akzeptanz in der Bevölkerung für solche Maßnahmen?
Die kann man nur über gute Architektur und Vermittlung schaffen.
Bleiben wir bei dem Wort Akzeptanz. Ist sie manchmal ein Problem, wenn man Sozialwohnungen in bestehende Quartiere integrieren will?
Damit haben wir Erfahrungen. Man muss die Nachbarschaft mitnehmen! Das heißt, früh und mehrfach Informationen an die Bürger weitergeben – über alles, was man vorhat. Wichtig ist, damit auch aufzuzeigen, welchen Mehrwert ein wachsendes Quartier für die Bestandsbewohner hat.
Eine ganzheitliche architektonische und städtebauliche Qualität, also ein baukultureller Anspruch, sorgt dafür, dass die Identifikation der Menschen die dort Leben höher ist.
Den Aspekt der Baukultur berücksichtigen wir, indem wir von vorne herein auf die Formensprache, insbesondere auf die Fassade, wertlegen. Ich denke, dass man mit einfachen Gestaltungsmitteln gute Häuser entwickeln kann. Man muss sie jedoch auch immer wieder differenzieren, in ihrer Körnung, in ihrer Qualität der Materialität. Wir betonen gern den Sockel und die Erd­geschosse. Was machen wir, um das Quartier zu prägen? Wir haben Hausverwaltungen vor Ort, in größeren Quartieren gibt es auch Mitarbeiter mit sozial-pädagogischem Hintergrund. Unser Slogan ist ja „GWG – gut zu wohnen“ und unser Ansatz ist, dass unsere Mieter möglichst lange ein selbstbestimmtes Leben in ihrer Wohnung führen können und wir unterstützen sie darin.
Wie prognostizieren Sie den Wohnungsbau in München in den kommenden 20 Jahren?
Man muss daran arbeiten, Flächen zu optimieren und kluge Energiekonzepte zu entwickeln. Ober­themen wie Mobilität und Digitalisierung müssen eine weitaus wichtigere Rolle spielen als noch derzeit, desweiteren werden Dienstleistungsangebote immer wichtiger.

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