80 Prozent Bayern
Erfahrungsbericht
Text: Skorka, Manuela, München; Müller-Herbers, Sabine, München
80 Prozent Bayern
Erfahrungsbericht
Text: Skorka, Manuela, München; Müller-Herbers, Sabine, München
Das bayerische Modellvorhaben „Revitalisierung von Einfamilienhausgebieten der 50er bis 70er Jahre“
hat seinen Ausgangspunkt in den Bemühungen, den Flächenverbrauch in Bayern zu reduzieren. Einfamilienhäuser nehmen den Großteil der besiedelten Fläche Bayerns ein. In vielen Häusern wohnen heute ältere Menschen, die fast alle in 10 bis 20 Jahren ihr Haus verkaufen oder vererben werden. Doch vielerorts wird auch die klassische Zielgruppe für Einfamilienhäuser, die „jungen Familien“, weniger. Den Ein- und Zweifamilienhäusern, die 80 Prozent des bayerischen Baubestands bilden, stehen 2025 voraussichtlich 80 Prozent Ein- und Zweipersonenhaushalte gegenüber. Zugleich werden gerade in strukturschwachen Gegenden immer noch viele Einfamilienhausgebiete ausgewiesen. Der Gebäudebestand entspricht eindeutig nicht mehr den gesellschaftlichen Gegebenheiten und Anforderungen.
Diese Aspekte wurden in den Modellkommunen Karlstadt (Foto), Langenneufnach und Marktrodach diskutiert. Es zeigte sich ein unterschiedliches Problembewusstsein der Akteure. Während wir von einzelnen Politikern hörten „Wir brauchen neue Bauplätze in 1-a-Lagen, um der Nachfrage junger Familie nachzukommen“, sahen die Immobilienabteilungen der Banken eher die Konsequenzen einer solchen Politik: „Jede Neuausweisung am Ortsrand bedeutet einen Leerstand in den bestehenden Gebieten. Hier gibt es einen klaren Zusammenhang.“ Im Gespräch mit den Bewohnern erwies sich die Frage, in welcher Situation sie sich im Alter befinden werden und was mit dem eigenen Haus passiert, als sehr sensibel. Fast nur Beteiligte, die aufgrund von Erfahrungen in der eigenen Familie oder im Beruf mit solchen Themen vertraut sind, waren bereits zu Beginn des Projekts engagierte Partner. Andere zeigten wenig Verständnis für Veränderungen, für sie ist das Privatsache.
Aber selbst bei Bereitschaft zu Veränderung stoßen die Bewohner an strukturelle Probleme, wie ein älteres Ehepaar beschrieb: „Bei einem attraktiven Wohnangebot für uns Ältere in der Nähe würden wir unser großes Haus kostengünstig abgeben, zum Beispiel an eine junge Familie. Hauptsache, wir können im vertrauten Quartier bleiben. Hier gibt es aber keine passende Wohnung.“ Viele möchten zwar frühzeitig umziehen, um ihren Kindern nicht zur Last zu fallen – den Komfort ihres alten Wohnumfelds aber nicht ganz aufgeben: „Da ich es gewohnt bin, im Einfamilienhaus zu leben, möchte ich etwas Platz haben, individuelle Gestaltungsfreiheiten und vielleicht einen kleinen Garten oder eine Terrasse.“ Doch, so ein Interviewpartner aus der Bauverwaltung: „Bauträger bauen nur Standardgrundrisse. Für innovative Wohnprojekte müssen neue Partner gefunden werden.“
Umso widersinniger ist die Tatsache, dass bei Neuausweisung weiterhin gleichförmige Gebietsstrukturen sowie Gebäudetypologien, die auf die klassische Familie ausgerichtet sind, entstehen. Ein Ansatz im Modellvorhaben ist es, die Planung und den (Um)Bau von „generationengerechten Einfamilienhäusern“ zu fördern, also die Häuser für unterschiedliche Lebensphasen und Haushaltsgrößen attraktiv zu machen. Zudem gilt es, kleinteilige, individuelle und barrierefreie Wohnungen im gewohnten Umfeld zu etablieren. Ein geeignetes Angebot würde dazu beitragen, dass bestehende Häuser früher von der nachfolgenden Generation bezogen werden – und somit auch Neuausweisungen mit weiteren Einfamilienhäusern vermieden werden können.
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