Architekten helfen Tsunami-Opfern
Aedes präsentiert „ArchiAid“
Text: Kowa, Günter, Berlin
Architekten helfen Tsunami-Opfern
Aedes präsentiert „ArchiAid“
Text: Kowa, Günter, Berlin
Am 11. März 2011 bebte die Erde im Meer vor Japan, und die Wellenberge eines Tsumani überrollten die Küsten. Die Katastrophe wird heute auf die folgenschwere Explosion im Atomkraftwerk Fukushima verkürzt, während die Bilder von Trümmerfeldern und Wüstenlandschaften allmählich verblassen.
Genau dort liegen die Schauplätze von „ArchiAid“, einer Aktion, die derzeit zum ersten Mal in einer Ausstellung dokumentiert ist.
Mit Aedes in Berlin ist ein angemessener Ort dafür gefunden, denn die Initiative ist so etwas wie eine Wegmarke im Architekturgeschehen. Einige der Initiatoren waren zur Eröffnung für eine zweistündige Konferenz zugegen, um von ihren Erfahrungen zu berichten. Das Ausstellungsdesign knüpft unmittelbar an ein Ereignis an, mit dem die Bevölkerung inmitten der Verwüstung ein Zeichen des Überlebenswillens setzte. In der Grundschule von Yuriage trugen Helfer zusammen, was sie aus dem Schutt der Kleinstadt bargen, deren Holzhäuser die Flut verschluckt hatte: körbeweise Schulranzen, Bücher, Aktenordner und zahllose Fotos aus Familienalben. Die wurden getrocknet, gereinigt und auf Fischernetzen aufgehängt, damit sie von ihren Besitzern abgeholt würden. Bei Aedes sind auf solchen Netzen Fotos der Projekte von ArchiAid verstreut.
Es waren Professoren von Architekturschulen, die noch am Abend der Katastrophe per Mail erörterten, was sie an Hilfe beitragen könnten. Ein erstes Treffen folgte drei Tage später, am Monatsende war ArchiAid samt Logo aus der Taufe gehoben. Zwischen 20 und 30 Hochschullehrer beteiligen sich und mit ihnen hunderte ihrer Studenten. Die extreme Situation ist für sie eine berufliche und menschliche Bewährungsprobe.
Was sich nach einer Art „Schneller Eingreiftruppe“ junger Architekten anhören mag, wirkt auf vielen Bildern wie partizipatorische Stadtplanung, die wünschenswert normal erscheint: Workshops mit Bürgern, die sich in angeregter Diskussion um Arbeitstische mit Planskizzen und topografischen Modellen scharen. Besprochen wird eine Lebenswelt, in der die Naturgewalten alle Strukturen ausgelöscht haben und ein Weiterleben Neuanfang bedeutet, oft an einem neuen Ort und unter Entbehrungen.
Das Engagement der Studenten scheint auf die Zustimmung der lokalen Verwaltungen zu treffen, deren Planungsämter an der Kapazitätsgrenze arbeiten. Vorgaben in staatlichen Hilfspläne werden durch die Ergebnisse der Arbeit der Studenten modifiziert – Neusiedlungen etwa den Landschaftsformen angepasst statt in Raster gezwängt. Anderswo fließen Bürgerbefragung und Recherchen in Architekturwettbewerbe ein, etwa für den Neubau von Schulen. Als Beispiel ist eine Grundschule aus flachen Holzbauten zu sehen, die im Geviert um einen großen Spielhof gruppiert sind. In einem völlig zerstörten Fischerdorf bauten Studenten eine einfache Holzkonstruktion als tragendes und überdachtes Außengerüst, in das die Bewohner in Selbsthilfe die Wände für kleine Werkstätten einbauen können.
Mit den nicht sichtbaren Folgen des Tsunamis und ihrer Bewältigung beschäftigt sich ein gänzlich anderes studentisches Projekt. In Modellen bauten sie zerstörte Städte und Quartiere nach. Die überlebenden Einwohner waren eingeladen, Erinnerungen an ihr verlorenes Lebensumfeld auf kleine Fähnchen zu schreiben, die auf den Modellen verteilt wurden.
ArchiAid lebt vom Engagement genauso wie von Sponsoren. „Wir haben keine fertige Antwort auf das Desaster“, sagt einer der Mitbegründer, „wir schaffen eine Plattform für Ideen“. Im Raum nebenan zeigt Aedes gleichzeitig eine Werkschau von Titus Bernhard. Der Architekt, der diskrete Premium-Villen „mit Wow-Effekt“ für Bauhaus-affines Klientel entwirft, zeigt seinen Wettbewerbsbeitrag fürs Humboldtforum und seine Quadrat-Häuser – der Kontrast könnte kaum größer sein.
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