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„Architektur ermöglicht eine ganz bestimmte Weltsicht“

Sechs Fragen an den spanischen Pritzker-Preisträger Rafael Moneo

Text: Macher, Julia, Madrid

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Rafael Moneo wurde 1996 als bislang einziger spanischer Architekt mit dem Pritzker-Preis ausgezeichnet
Foto: Miguel Gruzmán, © Rafael Moneo/Cortesía Fundacíon Barrié

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Rafael Moneo wurde 1996 als bislang einziger spanischer Architekt mit dem Pritzker-Preis ausgezeichnet

Foto: Miguel Gruzmán, © Rafael Moneo/Cortesía Fundacíon Barrié


„Architektur ermöglicht eine ganz bestimmte Weltsicht“

Sechs Fragen an den spanischen Pritzker-Preisträger Rafael Moneo

Text: Macher, Julia, Madrid

Interview mit Rafael Moneo
Herr Moneo, die Baubranche gehört zu den Haupt­leidtragenden der spanischen Wirtschaftskrise. Spürt auch ein international renommiertes Büro wie das Ihre davon etwas?
Natürlich. Wir haben drei, vier sehr wichtige Projekte verloren; unter anderem ein Kulturhaus in Navarra und den AVE-Bahnhof in Granada. Unter der Krise leiden wir alle. Aber mit Blick auf die letzten Jahrzehnte hatte ich natürlich das große Privileg, mich mit den architektonischen Fragen auseinandersetzen zu können, die mich wirklich interessiert haben.
Der Stellenwert des Berufsstandes hat sich radikal gewandelt: Vor wenigen Jahren noch hatten Architek­ten in Spanien fast Popstar-Status. Von Sevilla bis Santiago de Compostela konkurrierten die Städte um die berühmtesten Büros, scheuten weder Kosten noch Mühen ...
In gewisser Weise haben wir spanischen Architekten damals das Vertrauen der Politiker missbraucht. Wir hatten freie Hand: Die Projekte mussten nicht funktional, keiner konkreten Aufgabe untergeordnet sein, keinen Respekt vor dem Nutzer zeigen. Viele Projekte misslangen, weil sie überdimensioniert waren. Dieser absoluten formalen Freiheit hat die Krise ein Ende gesetzt. Allerdings hat sie auch nicht wenige vielversprechende, ehrgeizige Programme mit sich gerissen.
Damals gaben sich in Spanien auch die Großen des global agierenden Architektur-Geschäfts die Klinke in die Hand: Peter Eisenman, Zaha Hadid, Frank O. Gehry ... Rechnen Sie sich selbst dieser Riege eigentlich auch zu?
Die Tatsache, dass ich mich immer sehr persönlich um meine Arbeit gekümmert habe – und zwar sowohl im akademischen Bereich wie auch als Architekt – hat mich davor bewahrt, den Beruf unter betriebswirtschaftlichen Aspekten zu betreiben und die Arbeit zu institutionalisieren. Und darum geht es eigentlich: Hinter jeder Figur des Star-Systems steckt ein hervorragender Verwalter und Betriebswirt. Herzog & de Meuron haben 400, 450 Mitarbeiter, Zaha Hadid 500, Frank O. Gehry 200 ... Ich habe meine Arbeit dagegen immer als persönliche Berufung verstanden, im Guten wie im Schlechten.
Also ein Berufsverständnis der alten Schule gegenüber der Corporate Identity großer Marken?
Den großen „Marken“ geht es letztlich darum, eine eigene Sprache zu entwickeln und zu etablieren. Natürlich gibt es auch da eine gewisse Vielfalt an Herangehensweisen, aber die wird aufgehoben durch eine Gleichmacherei im Arbeitsprozess, begleitet von einer gewissen Ungeniertheit, die eine beeindruckende Produktivität ermöglicht. Ich war nie so produktiv. Meine Arbeitsweise ähnelte eher der Alvaro Sizas, aber auch der zeigte sich in späten Jahren loyal zu einer bestimmten Sprache, durch die er ein erheblich größeres Auftragsvolumen bewerkstelligen konnte als ich. In Spanien arbeiten die meisten Büros allerdings so wie meines, mit Ausnahme von Santiago Calatrava, den ich von seiner Arbeitsweise allerdings einer anderen Kultur zuordnen würde.
Als Dozent haben Sie engen Kontakt zur kommenden Generation. Welche Perspektiven sehen Sie für sie – auch vor dem Hintergrund der Folgen der Krise?
Die neue Generation wird für ein anderes Architekturverständnis eintreten, bei dem sie sich in einer Art „Advocacy Planning“ stärker um einen gemeinsamen Nenner mit dem Nutzer bemühen muss. Dazu kommt, dass es große Bauvorhaben kaum noch gibt. Und will ein Architekt auch bei kleineren, bescheideneren Projekte Ergebnisse erzielen, die auch seinem Berufsethos entsprechen, muss er sehr viel intensiver, sehr viel härter arbeiten.
Die Hälfte der spanischen Architekten ist arbeitslos oder verdient weniger als den Mindestlohn. Kann man da noch jemandem raten, Architekt zu werden?
Architektur ermöglicht eine ganz bestimmte Weltsicht, bei der man sich kontinuierlich fragt, warum die Dinge zu einem bestimmten Zeitpunkt eine bestimmte Form angenommen haben. Wer sich zur Architektur aufgrund dieser Weltsicht berufen fühlt, der sollte diesem Ruf folgen: Denn diese Art, die Welt zu betrachten, macht das Leben interessant und unterhaltsam – im besten Sinn.
Fakten
Architekten Moneo, Rafael, Madrid
aus Bauwelt 43.2013
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