Architektur ist Kommunikation
Hans Hollein im Wiener MAK
Text: Fitz, Angelika, Wien
Architektur ist Kommunikation
Hans Hollein im Wiener MAK
Text: Fitz, Angelika, Wien
Es ist die dritte Hans-Hollein-Retrospektive in zwei Jahren. Nach Ausstellungen in Graz und Mönchengladbach widmet sich nun auch das Wiener Museum für Angewandte Kunst (MAK) dem österreichischen Pritzker-Preisträger. Und doch hat die Schau viel Neues zu bieten.
Gleich zu Beginn beanspruchen bunte Fundstücke die Aufmerksamkeit der Besucher: Es dreht sich die orangefarbene Signalkugel der Zentralsparkasse (Wien, 1966), es schaukelt das rote Textil einer mehrere Meter hohen pneumatischen Säule, ein Relikt aus derselben Zeit (Kapfenberg, 1967). Während in der gleichzeitig laufenden Schau im Museum Abteiberg Mönchengladbach die Beziehung des Architekten zu den Künstlern des von ihm entworfenen Hau-ses im Fokus steht (Bauwelt 19), wird in Wien sein Gesamtwerk als mediales Ereignis gefeiert. Denn bei Hollein ist nicht nur alles Architektur, vom Haus über Möbel, Kleider, Schmuck bis zur Zeitschrift. Jede Architektur ist auch Kommunikation – das ist die Botschaft dieser Retrospektive, die der Architekt Wilfried Kühn als Gastkurator gemeinsam mit MAK-Kuratorin Marlies Wirth erarbeitet hat.
Der Universalkünstler Hans Hollein (1934–2014) war schon in jungen Jahren ein Medienprofi. Das belegt ein in der Ausstellung gezeigtes ORF-Fernsehporträt von 1969, bei dem Hollein spürbar selbst Regie führte oder sich zumindest soweit wie möglich einmischte. Im Alter von 35 Jahren inszeniert er sich bereits als internationaler Player. Drei Jahre zuvor hatte er für sein erstes Projekt, den Kerzenladen Retti in Wien (1966), den Reynolds Memorial Award des American Institute of Architects gewonnen. Das Preisgeld, 25.000 Dollar, war höher als das Baubudget. Mit schelmischem Lächeln und souveränen kulturellen Kontextualisierungen präsentiert Hollein seine Ideen vor der Kamera, wie das Minimal Environment in einer Telefonzelle (1965) oder das Mobile Büro für den nomadischen Kreativen (1969). Hollein selbstbewusst: „I am an idea man.“ Viele dieser Ideen haben tatsächlich Entwicklungen wie Internet oder Mobiltelefonie vorweggenommen.
Hochhäuser, Palmen und Fruchtschüsseln
Zu Holleins Medienkompetenz gehört die absolute Kontrolle über die Bildproduktion. Mit Fotografen seines Vertrauens hat er seine Projekte in genau festgelegten Perspektiven dokumentiert und verbreitet. In der Ausstellung wird die Bildregie des Meisters jedoch brutal gebrochen. Das MAK hat die Fotografen Aglaia Konrad und Armin Linke gebeten, Schlüsselwerke wie Vulcania (2002), das Museum Abteiberg Mönchengladbach (1982) oder das für die olympischen Spiele in München entworfene Kommunikationssystem Medialinien (1972) neu zu fotografieren. Die Arbeiten der beiden Künstler besetzen die zentrale Ausstellungshalle des MAK, ohne diese vollständig zu dominieren. Denn die Ausstellungsarchitekten Wilfried Kühn und Michael Wallraff haben die Symmetrie der Halle mit einem präzisen Eingriff gebrochen. Sie zitieren das Hollein’sche Kleeblattprinzip aus Mönchengladbach und verbinden Halle und Umlauf mit einer Serie von diagonal verknüpften Quadraten. Die hierarchische Beziehung zwischen Zentrum und Peripherie ist aufgehoben, alle Räume haben Sichtbezug zueinander, ohne dem Besucher eine Reihenfolge aufzuzwingen.
Zwei dieser offenen Quadrate sind wiederum Ausstellungen gewidmet. Von der Architekturbiennale Venedig 1980 werden Original-Displaytafeln gezeigt, von der Kunstbiennale 1972, als Hollein die Wand des österreichischen Pavillons durchstieß, um den Blick auf den Kanal zu öffnen, sind Originalobjekte und die Katalogseiten zu sehen. Besonders letztere veranschaulichen Holleins Prinzip der assoziativen Form- und Sinnanalogie, das die Kuratoren in der Ausstellung gleichsam aktualisieren. So kommen in einem Raum Modelle von aktuellen Hochhausprojekten neben fiktiven Türmen, neben den Edelstahlsäulen der Feigen Gallery (New York, 1969), neben den Palmen des ehemaligen Verkehrsbüros (Wien, 1979), neben Fruchtschüsseln und Studien für Pianofüße zu stehen. In einem anderen Raum verbinden sich die dicht gedrängten Modelle von Hol-leins Museumsentwürfen zu einer übergreifenden Landschaft. Diese veranschaulicht Holleins Leitmotive von Aushöhlen und Auftürmen, vom Primat des Innenraums und von der Raumerfahrung durch Bewegung besser als jeder pädagogische Text – Texte gibt es in der Ausstellung nur wenige.
Hollein für eine neue Generation
Originalzeichnungen an den Ausstellungswänden begleiten die dreidimensionalen Sinn- und Formballungen assoziativ, viele Skizzen werden zum ersten Mal gezeigt. Manche Projekte tauchen in mehreren Räumen auf. Bezüge werden vielfach variiert, die Bilder im Kopf setzen sich immer wieder neu zusammen. Hollein selbst hat seine Zeichnungen stets einzeln gerahmt präsentiert. Hier sind sie lose in Vitrinen versammelt und erwachen durch überraschende Nachbarschaften zu neuem Leben. Ebenso erfrischend wirken sich die vielen Arbeitsmodelle aus, während Hollein immer bestrebt war, „das schöne Modell“ zu zeigen. Es wird deutlich: Der Architekt hat den Kuratoren freie Hand bei der Zusammenstellung gelassen. Es sollte ja in der Ausstellung da-rum gehen, so MAK-Direktor Christoph Thun-Hohenstein, Hollein für eine neue Generation zu entdecken oder besser entdeckbar zu machen. Das könnte gelingen. Hans Hollein hat diese Neuinterpretation seines kommunikativen Paradigmas nicht mehr erlebt. Er verstarb achtzigjährig kurz vor der Eröffnung.
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