Architektur und Ideologie
Interventionen im Berliner Haus der Kulturen der Welt
Text: Kasiske, Michael, Berlin
Architektur und Ideologie
Interventionen im Berliner Haus der Kulturen der Welt
Text: Kasiske, Michael, Berlin
"Between Walls and Windows" - die ehemalige Berliner Kongresshalle wird selbst zum Exponat, angereichert durch Arbeiten von zehn Künstlern und Architekten.
Das Haus der Kulturen der Welt sei nicht vorbildlich, belehrte man uns Erstsemester seinerzeit auf der Berlinexkursion, seine Form wäre nämlich nicht aus der Funktion entwickelt. Das stimmt nur bedingt: Die 1957 als Kongresshalle eröffnete Großskulptur sollte ja nicht das Thema „Versammlung“ abbilden – sie war ein gebautes Symbol für die Freiheit und Modernität der westlichen Welt. Derart politisch konnotiert, wird das Haus zum Schlüssel der aktuellen Ausstellung „Between Walls and Windows. Architektur und Ideologie“. Das Baudenkmal selbst ist Exponat, angereichert durch Interventionen von zehn Künstlern und Architekten.
„Es ging im Wesentlichen um einen Propagandabau“, erinnerte sich der Architekt der Kongresshalle Hugh Stubbins (1912–2006). „Er richtete sich gegen die nur ein paar Hundert Meter entfernten Sowjets.“ Die revanchierten sich, indem sie die Veranstaltungen gelegentlich mit Düsenjets störten. Das gebogene Dach der Kongresshalle war in Ostberlin sichtbar und erschien wie eine Allegorie Westberlins – ein Stachel im Fleisch der unter Sowjeteinfluss stehenden DDR. Ganz ähnlich empfanden die Einwohner von Maputo, der Hauptstadt Mosambiks, das Hotel „4 Estações“. Die Künstlerin Ängela Feirreira zeigt in ihrer Videoinstallation „Collapsing Structures: Talking Buildings“ den Bau, dessen Rohrleitungen die Portugiesen kurz vor ihrem abrupten Rückzug aus der Kolonie mit Beton verfüllten. Es dauerte 35 Jahre, sich dieses letzten Sabotageakts der einstigen Herrscher zu entledigen.
Unübersehbar auf der Dachterrasse des Hauses der Kulturen der Welt ist der Pavillon „Tile Theatre“ von Wang Shu und Lu Wenyu (Amateur Architecture Studio). Sie ließen Materialien wie Bambus, Holz und Backstein handwerklich verbauen – absichtlich „amateurhaft“ im Gegensatz zur weltumspannenden Bau- und Architekturindustrie, die regionale Eigentümlichkeiten ignoriere, wie die beiden kritisieren.
Im Windfang stehen Orchideen in Pflanzbecken. Die nach Staatsoberhäuptern benannten Züchtungen bilden den mit „This is Me, This is My Country“ betitelten „Ideologiengarten“ von Arno Brandlhuber. Ebenso ästhetisch und politisch topaktuell ist „You rate it! Neither poor, nor Standard“ des lateinamerikanischen Architektennetzwerks Supersudaca. In Nationalflaggen gehüllte Fotomodelle präsentieren das ABC der vier wichtigsten Ratingagenturen: A steht für gut, B für eher verwundbar, C für möglichen Ausfall von Anleihen und D für Zahlungsausfall.
Im Auditorium, dem Herz des Gebäudes, fordert der spanische Künstler Iñigo Manglano-Ovalle mit „You Can Say Anything You Want For As Long As You Want“ jeden Besucher zur freien Rede auf. Doch das auf der Bühne aufgestellte Mikrofon verstärkt nicht. Das Gesprochene wird aufgezeichnet und archiviert. Im Internet kann es abgehört werden kann.
Zum Ausstellungskonzept gehört auch die „Reinigung“ des Gebäudes. Befreit von Leitsystemen und sonstigen Ein- und Zubauten, repräsentiert diese Architektur jetzt, nach dem Ende des Kalten Krieges, nur sich selbst – und überstrahlt damit die temporären Kunstwerke. Die Frage nach der richtigen oder falschen Form stellt sich für dieses Denkmal der Nachkriegsmoderne längst nicht mehr.
„Es ging im Wesentlichen um einen Propagandabau“, erinnerte sich der Architekt der Kongresshalle Hugh Stubbins (1912–2006). „Er richtete sich gegen die nur ein paar Hundert Meter entfernten Sowjets.“ Die revanchierten sich, indem sie die Veranstaltungen gelegentlich mit Düsenjets störten. Das gebogene Dach der Kongresshalle war in Ostberlin sichtbar und erschien wie eine Allegorie Westberlins – ein Stachel im Fleisch der unter Sowjeteinfluss stehenden DDR. Ganz ähnlich empfanden die Einwohner von Maputo, der Hauptstadt Mosambiks, das Hotel „4 Estações“. Die Künstlerin Ängela Feirreira zeigt in ihrer Videoinstallation „Collapsing Structures: Talking Buildings“ den Bau, dessen Rohrleitungen die Portugiesen kurz vor ihrem abrupten Rückzug aus der Kolonie mit Beton verfüllten. Es dauerte 35 Jahre, sich dieses letzten Sabotageakts der einstigen Herrscher zu entledigen.
Unübersehbar auf der Dachterrasse des Hauses der Kulturen der Welt ist der Pavillon „Tile Theatre“ von Wang Shu und Lu Wenyu (Amateur Architecture Studio). Sie ließen Materialien wie Bambus, Holz und Backstein handwerklich verbauen – absichtlich „amateurhaft“ im Gegensatz zur weltumspannenden Bau- und Architekturindustrie, die regionale Eigentümlichkeiten ignoriere, wie die beiden kritisieren.
Im Windfang stehen Orchideen in Pflanzbecken. Die nach Staatsoberhäuptern benannten Züchtungen bilden den mit „This is Me, This is My Country“ betitelten „Ideologiengarten“ von Arno Brandlhuber. Ebenso ästhetisch und politisch topaktuell ist „You rate it! Neither poor, nor Standard“ des lateinamerikanischen Architektennetzwerks Supersudaca. In Nationalflaggen gehüllte Fotomodelle präsentieren das ABC der vier wichtigsten Ratingagenturen: A steht für gut, B für eher verwundbar, C für möglichen Ausfall von Anleihen und D für Zahlungsausfall.
Im Auditorium, dem Herz des Gebäudes, fordert der spanische Künstler Iñigo Manglano-Ovalle mit „You Can Say Anything You Want For As Long As You Want“ jeden Besucher zur freien Rede auf. Doch das auf der Bühne aufgestellte Mikrofon verstärkt nicht. Das Gesprochene wird aufgezeichnet und archiviert. Im Internet kann es abgehört werden kann.
Zum Ausstellungskonzept gehört auch die „Reinigung“ des Gebäudes. Befreit von Leitsystemen und sonstigen Ein- und Zubauten, repräsentiert diese Architektur jetzt, nach dem Ende des Kalten Krieges, nur sich selbst – und überstrahlt damit die temporären Kunstwerke. Die Frage nach der richtigen oder falschen Form stellt sich für dieses Denkmal der Nachkriegsmoderne längst nicht mehr.
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