Auf Abstand
Besucherzentrum der Gedenkstätte und des Museums Auschwitz-Birkenau
Text: Osiecka, Kasia, Warschau
Auf Abstand
Besucherzentrum der Gedenkstätte und des Museums Auschwitz-Birkenau
Text: Osiecka, Kasia, Warschau
Innerhalb der vergangenen zehn Jahre hat sich die Besucherzahl in der Gedenkstätte des ehemaligen KZ Auschwitz verdreifacht. Ein neues Eingangsgebäude außerhalb des denkmalgeschützten Areals soll helfen, die Atmosphäre des Ortes zu erhalten.
Im vergangenen Jahr haben das Museum und die Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau einen offenen inter-nationalen Realisierungswettbewerb entschieden. Dabei ging es um ein neues Besucherzentrum und die Neuordnung des Eingangs zum Museumsgelände Auschwitz I. Das ehemalige 20 Hektar große KZ-Gelände Auschwitz I ist der kleinere, in der Nähe der Innenstadt von Oświęcim gelegene Teil der Gedenkstätte, die seit 1979 zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört. Der größere, Auschwitz II-Birkenau, liegt weiter nordwestlich jenseits der Bahngleise. In Auschwitz I kommt der größte Teil der Besucher an, hier sind die Ausstellungen, das Café, der Souvenirladen und die Vortragsräume untergebracht. Die inzwischen 1,3 Millionen Besucher pro Jahr übersteigen jedoch längst die räumlichen Kapazitäten und verbreiten mitunter eine lärmintensive Gruppenausflugsstimmung. Aus atmosphärischen und nicht zuletzt auch aus denkmalschutzrechtlichen Gründen soll die touristische Infrastruktur nun außerhalb der eigentlichen Gedenkstätte angesiedelt werden. Dafür ist ein Areal jenseits der östlich verlaufenden Straße vorgesehen, welches das Museum 2008 gekauft hat. Hier befand sich früher der Lagerschlachthof, zuletzt wurde das Gelände als Busbahnhof genutzt.
Das Wettbewerbsprogramm umfasste neben dem Besucherempfang ein Hotel für freiwillige Mitarbeiter und Museumsgäste sowie Parkplätze für Busse, PKWs und Hubschrauber. Die Auslober suchten Entwürfe, die Rücksicht auf die kontemplative Stimmung des Ortes nehmen, eine klare Wegeführung aufzeigen und den Besucherstrom vom Empfangsbereich zur Gedenkstätte und wieder zurück über ei-nen getrennten Ein- und Ausgang leiten. Der denkmalgeschützte Schlachthof, die Pförtnerloge und das Trafohäuschen sollten erhalten bleiben, das gesamte Konzept in zwei Etappen realisiert werden können – zunächst das Besucherzentrum und die Parkplätze, später Wege, Schilder, Hotel und Gastronomie. 6,25 Millionen Euro sind veranschlagt, voraussichtlich wird das polnische Kulturministerium die Kosten übernehmen. 2012 ist als Termin für die Fertigstellung beider Bauabschnitte angedacht.
Eingereicht wurden 30 Arbeiten, nur wenige aus dem Ausland waren darunter. Mit dem 1. Preis prämierte die Jury das Krakauer Büro KKM Kozień Architekci, das in Polen durch den Bau des Nationalmuseums in Przemysl (Muzeum Ziemi Przemyskiej) bekannt ist. Die sieben Mitglieder des Preisgerichts lobten den Entwurf für sein lapidares und gleichzeitig aussagekräftiges Konzept. Das Besucherzentrum bringen die Architekten im Schlachthofgebäude unter und platzieren gleich dahinter das neue Hotelgebäude mit einer einseitig geneigten begrünten Dachfläche. Von dort führen sie die Besucher unter der Straße hindurch zum Lagertor. Die ruhige Atmosphäre dieses Weges soll auf die Gedenkstätte einstimmen.
Zeit für die Vorbereitung will den Besuchern auch das Krakauer Atelier Loegler (Anerkennung) bieten. Die Architekten trennen das Besucherzentrum von der KZ-Anlage durch eine Mauer, um die eine Rampe gelegt wird. Im Vergleich zum Siegerentwurf schieben sie den Hotelkomplex weiter vom ehemaligen Lager weg. Das Preisgericht lobte den Vorschlag für seine klare Form sowie für die gelungene Verbindung von Architektur und Landschaft. Es fand jedoch, dass die elliptische Form des Weges zu stark mit dem Bestand konkurrieren würde und der Entwurf in zwei Etappen nur schwer realisierbar sei.
Trotz ihrer unterschiedlich starken Betonung der Trennung zwischen Infrastruktur und Gedenken basieren beide Entwürfe auf dem Gedanken einer räumlichen Zäsur und liefern so interessante Antworten auf die Frage, wie ein moderner Eingriff an diesem historisch über alle Maßen belasteten Ort aussehen kann. Denn eine rein funktionale Lösung wäre hier ebenso fehl am Platz wie ein überwältigen der Symbolismus.
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