Auf den Dächern von Hongkong
„Portraits from Above“ in Hellerau
Text: Scheffler, Tanja, Dresden
Auf den Dächern von Hongkong
„Portraits from Above“ in Hellerau
Text: Scheffler, Tanja, Dresden
Hier ein Wirrwarr aus Wellblechhütten, Kabeln, Antennen, Pflanzen und Sperrmüll – dort, unmittelbar daneben, eine aufgeräumte Regalwand mit exklusiven Lifestyle- und Design-Magazinen.
Größer könnte der Kontrast kaum sein. In der Galerie der auf gehobenen Innenausbau spezialisierten Deutschen Werkstätten Hellerau wird derzeit die vielfach prämierte Dokumentation „Portraits from Above“ über informelle Dachsiedlungen in Hongkong präsentiert.
Hongkong ist die Stadt mit den weltweit höchsten Wohnungsmieten. Die Dachsiedlungen gehören seit langem zur Geschichte der Metropole. Die Architektin Rufina Wu, die in Hongkong geboren wurde, hat zusammen mit dem Fotografen Stefan Canham 2007/08 einige dieser von ihren Bewohnern in Eigenregie errichteten Siedlungen im hochverdichteten Bezirk Kwan Tong auf der Halbinsel Kowloon untersucht und dokumentiert. Die Fotos, Aufmaße und Zeichnungen der beiden zeigen verschachtelte Labyrinthe aus Korridoren, Treppen, Leitern, Hütten aus Blech, Holz, Ziegeln und Plastik.
Eine der Siedlungen, die seit 1962 nach und nach auf den Dächern von drei benachbarten Hochhäusern entstanden ist, zählt mehr als 35 Haushalte in einem komplexen ein- bis dreigeschossigen Gebilde aus allerlei Wohnzellen. Hier leben meist chinesische Einwanderer, einige bereits seit mehr als 30 Jahren. Sie haben sich daran gewöhnt, dass die überall herumstreunenden Katzen auf den Wellblechdächern einen Heidenlärm machen und dass sich die Baracken tagsüber extrem aufwärmen. Damit die Hüttendächer bei Wind nicht davonfliegen, werden sie mit allerlei „Fundstücken“ (bis hin zu ausrangierten Elektrogeräten) beschwert. Trotz allem sind diese winzigen und teilweise äußerst primitiven Hütten für die Bewohner durchaus eine attraktive Alternative zu den bis heute üblichen „Käfigwohnungen“ in den „richtigen“ Häusern. Sie bieten – im Gegensatz zu den unteren Etagen – Licht in Hülle und Fülle. Hier können Pflanzen wachsen, einige der Bewohner haben kleine begrünte Dachterrassen angelegt. Aufgrund des starken Verfalls sollen die Hochhäuser jedoch in Kürze für eine Sanierung des Areals abgerissen werden.
Auf Stefan Canhams Fotografien beeindrucken nicht zuletzt die kleine Details, wie etwa mehrere sich überlappende Regenschirme, die ein Hüttendach von innen abdichten. Dank der sensiblen Interviews, die Rufina Wu mit den Bewohnern geführt hat, erzählen die Bilder aber auch von den politischen Umwälzungen in China und dem Alltagsleben in dieser hochverdichteten Stadt – jenseits der üblichen Bilder der Finanzmetropole.
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