Bauwelt

Bilderrauschen

Max Regenberg dokumentiert, wie Werbung die Landschaft gebraucht

Text: Brosowsky, Bettina Maria, Braunschweig

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© Max Regenberg / VG Bild-Kunst, Bonn 2013; Courtesy Galerie Thomas Zander, Köln

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Bilderrauschen

Max Regenberg dokumentiert, wie Werbung die Landschaft gebraucht

Text: Brosowsky, Bettina Maria, Braunschweig

Der durchschnittliche Blickkontakt eines Vorbeifahrenden mit einem Werbeplakat beträgt eineinviertel Sekunden, sagt die Statistik. In dieser kurzen Zeit muss die Werbung grundsätzlich funktionieren: Der Rezipient muss die Elemente aus Bild und Text im Ganzen und im Detail dechiffrieren und aufnehmen.
Aber einem einzelnen Werbeauftritt gelingt kaum die unmittelbare Konsumstimulierung. Erst gehäuft im öffentlichen Raum, rapportartig wiederholt, aufgestellt an repräsentativen Orten, in effektvoller Größe, entfaltet das Werbeplakat seine Wirkung. Und diese ist, trotz des verschwindend geringen finanziellen Anteils der Außenwerbung am Gesamtwerbeaufwand – in Deutschland lediglich fünf Prozent – äußerst effektiv. Straßenkreuzungen in den Innenstädten, aber auch frequentierte Ausfallstraßen sind längst zu suggestiven Projektionsräumen mutiert; die Realwelt ist mit den inszenierten Affektwelten eine unauflösliche Symbiose eingegangen. Dabei lässt sich freilich die einzelne Werbebotschaft nur noch als „wohlige Redundanz“ erfahren, mit der Absicht, „das Konsumklima als Trancezustand gesellschaftlich aufrechtzuerhalten“, so beschrieb es der Schweizer Kunsthistoriker Beat Wyss bereits 1999.
Ist die isolierte Betrachtung einzelner Auftritte des Werbeplakats, wie sie Max Regenberg in seinen Foto-Dokumentationen unternimmt, somit überhaupt angemessen? Regenberg, 1951 in Bremerhaven geboren und seit 2000 als freier Fotograf in Köln praktizierend, ist gelernter Werbefachmann, der aber früh auf Distanz zu seiner Branche ging. Und als er 1977 für ein paar Jahre nach Kanada zog, schärfte sich sein Blick auf das Werbefoto. Da er anfänglich nur über unzureichende Sprachkenntnisse verfügte, musste das Bild ihm die gesamte Botschaft vermitteln; zudem war in Kanada die Außenwerbung in ihrer Präsenz und Technik gegenüber Deutschland eine Dekade voraus. Regenberg fing an, Werbeplakate und die in ihnen enthaltenen fotografischen Wirklichkeiten zu dokumentieren. Er tat dies mit professioneller Technik, also Mittelformat- oder Plattenkameras, in sorgfältig komponierten Arrangements. Diese als Langzeitstudien angelegten Reihen führt er nach seiner Rückkehr nach Deutschland fort, erste Systematisierungen ergaben sich, etwa zum menschlichen Abbild in der Werbung. Seit zwanzig Jahren arbeite er nun für sein Archiv, so Regenberg, das mittlerweile auf rund 6000 analoge Aufnahmen angewachsen ist. Hinzu kommt eine ebenso umfangreiche Sammlung von Plakaten ab den 80er Jahren.
So recht interessiert hat sich bislang kaum jemand für Regenbergs groß angelegte Feldforschung, ein paar Ausstellungen und Publikationen lassen sich jeweils gut an einer Hand abzählen. Die Städtische Galerie Wolfsburg zeigt nun einen kleinen Ausschnitt des Konvoluts, der sich thematisch mit der Landschaft befasst – mit der Landschaft, wie sie im Werbeplakat gebraucht wird, aber auch als dessen Kontext im öffentlichen Raum. Regenberg lenkt den konzentrierten Blick des Betrachters einerseits auf die konstruierten Bildwelten der Werbeaufnahmen. Dies ist auch fotohistorisch durchaus anregend, beispielsweise in der Vereinnahmung bekannter Referenzen. Die heroische Landschaft des amerikanischen Westens etwa ist nach wie vor unverzichtbarer Imageträger der Zigarettenwerbung. Wesentliche Bildanteile seiner Fotografien überlässt Regenberg andererseits aber dem umgebenden städtischen oder landschaftlichen Raum der Werbeträger. Hier registriert sein Blick präzise, effektlos und kühl disparate Situationen – die Versprechen der Werbeklischees prallen gegen die Verwerfungen des modernen Lebens. Er habe den Weg in eine Bildgesellschaft früh erkannt, sagt Regenberg von sich selbst. Nun untersucht er mit medienimmanenten Mitteln deren visuelle Macht, entlarvt ihr Scheitern: eine stille ästhetische Kritik. In der Summe der ausgestellten Fotos stellt sich dann wieder das redundante Bildrauschen der Werbebotschaften ein, eigentlich nur mit dem zerstreuten Blick richtig zu würdigen. Aber man hat vorher einmal genauer hingesehen.

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