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„Da drin schien alles möglich zu sein"

Interview mit Paola Peroni zum Umbau des MACRO-Museums

Text: Redecke, Sebastian, Berlin

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„Da drin schien alles möglich zu sein"

Interview mit Paola Peroni zum Umbau des MACRO-Museums

Text: Redecke, Sebastian, Berlin

Während ihres Berlin-Besuchs im August fragten wir die Autorin Paola Peroni nach ihren Erinnerungen an die Birreria Peroni und ihrer Einschätzung zum Umbau des Museums von Odile Decq.
Als Kinder spielten Sie und Ihr Bruder in der damals leer­stehenden Birreria Peroni. Verbinden Sie damit besondere Erinnerungen?

Die Erinnerungen an die Birreria Peroni gehören zu den deutlichsten aus meiner Kindheit. Nello, der Wachmann, war ein passionierter Gärtner, da es aber auf dem Gelände kein Grün gab, hatte er zahlreiche Töpfe mit Pflanzen auf einen großen Holzkarren gestellt, den er auf den offenen Flächen der Fabrik umherschob, damit die Pflanzen immer Sonnenlicht bekamen. Ich fand es faszinierend, wie er sich klug einen bewegli­chen Garten geschaffen hatte. Da drin schien nichts unmöglich zu sein. Mein Bruder und ich trieben uns in der verlasse­nen Brauerei herum, und wenn wir die staubigen Räume mit all den alten, nicht mehr benutzten Maschinen erforschten, glaubte ich, die Geister all der Menschen zu spüren, die einmal hier gearbeitet hatten. In meiner Phantasie versuchte ich, diesen magischen Ort neu zu beleben. Ich sah die Kupferbottiche gefüllt und die Maschinen wieder in Funktion. Ich hörte den Lärm und roch das Malz, ich sah Menschen, die geschäf­tig ihrer Arbeit nachgingen, und sah mich selbst als eine von ihnen. Meine Phantasie war von alten Bildern angeregt, die ich gesehen hatte, aber die nötigen Details, um innerhalb des Gebäudes eine Welt zu schaffen, malte ich mir selber aus. Ich war damals sieben Jahre alt. Das war das erste Mal, dass mir die Macht der Phantasie, eine andere Realität zu erschaffen, deutlich wurde.
 
Hatten Sie eine Idee für eine neue Nutzung der Brauerei vor dem städtischen Museumsprojekt?

Seit meiner Kindheit hoffte ich, dass das Gelände wieder zum Leben erwacht. So war ich erfreut, als ein Teil der Fabrik der Stadt für museale Zwecke gestiftet wurde. Es erscheint mir an­gemessen, dass daraus ein Ort der Kunst neu erfunden wird, ein Ort der Phantasie. In gewisser Weise wurden damit meine Kindheitsträume wahr.
 
Wie sehen Sie die neue Architektur von Odile Decq?

Mir gefällt ihr Einsatz von Farbe. Farbe ist für die Definition eines Raums von gleicher Wichtigkeit wie Form oder Licht. Auch den Eindruck von Dynamik in ihrer Architektur finde ich faszinierend. Ich lese ihre Bemerkungen über die Psychologie der Formen des Raums, darüber, wie die Form die Funktion des Raums determiniert, wie man sich in diesem Raum bewegt und in ihm Verbindungen aufnimmt.
 
Sie schreiben Kurzgeschichten. Haben die Erinnerungen an dieses Gebäude eine Bedeutung für Ihre Arbeit?

Ich wollte schon immer eine Geschichte über meine Erfahrungen schreiben, die ich als Kind beim Spielen in der verlassenen Fabrik machte. Irgendwann werde ich das tun, aber das lässt sich nicht planen. Erinnerungen spielen bei dem, was ich schreibe, allezeit eine Rolle, auch wenn das nicht immer deutlich auf der Hand liegt. Die Brauerei ist ein Teil meiner Kindheit, genauso wie die Geschichte meiner Familie. Eine meiner Lieblingsautorinnen, Alice Munro, hat eine Geschichte als ein Haus beschrieben, in das man eintritt und in dem man aus jedem Fenster einen anderen Ausblick hat. Das ist mir immer als eine äußerst treffliche Beschreibung des­sen, was eine Geschichte sein sollte, erschienen. Beim Umherstreifen in der alten Brauerei ist mir erstmals klar geworden, dass man sich eine Welt ausdenken kann.
Fakten
Architekten Decq, Odile, Rom
aus Bauwelt 38.2010
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