Dänemark – Berlin: Was wäre wenn ...
Ansatz für eine Gegenüberstellung
Text: Buschbeck, Tobias, Berlin; Glade, Susanne, Bremen
Dänemark – Berlin: Was wäre wenn ...
Ansatz für eine Gegenüberstellung
Text: Buschbeck, Tobias, Berlin; Glade, Susanne, Bremen
Anfang 2020 werden den Patienten in Dänemark im Ergebnis des Masterplans 2020 Krankenhäuser einer neuen Generation zur Verfügung stehen.
Sie werden zentraler gelegen und für ambulante Behandlung profiliert sein, gleichzeitig auch kürzere und zugleich behandlungsintensivere Pflege bieten können.
Der Masterplan wird jedoch national und international kontrovers diskutiert, es mischen sich Begeisterung und Skepsis: Begeisterung über die Chancen, die das langfristige Budget für die Schaffung einer in allen Teilen des Landes erneuerten Krankenhausversorgung den Dänen bieten kann; Skepsis wegen der Risiken, die die fast parallele Realisierung von 16 Großprojekten mit sich bringt. Jedes ist quasi ein Prototyp, es gibt wenig Möglichkeiten, von den Erfahrungen der anderen zu lernen. Werden sich die Grundannahmen und die Lösungsansätze in der Praxis bewähren?
Wir haben uns beim Vergleich der Bauten aus den siebziger Jahren mit den Planungen für die Jahre nach 2020 bewusst auf die Darstellung der einfachen Zusammenhänge zwischen System und Gestalt konzentriert. Wir wollen den Blick für den Grundansatz der dänischen Vorgehensweise öffnen, von der dänischen Analyse des medizinisch-technischen Fortschritts bis zu den Grundzügen der neuen Krankenhaustypen. Was können wir daraus lernen?
„Das Hauptproblem in Deutschland sind die zwei getrennten Systeme: ambulant und stationär. In Dänemark hingegen gibt es ein einziges durchgehendes System. Das ist der entscheidende Unterschied“, so hatte es der Architekt und Mediziner Peter Lohfert von Lohfert & Lohfert AS bei unserem Gespräch in Kopenhagen zusammengefasst. Seit nahezu vier Jahrzehnten berät er Krankenhäuser in Dänemark, Deutschland und Österreich. In dem von ihm benannten Systemunterschied mag der Ansatz zum Lernen liegen. Dabei könnte ein Gedankenexperiment hilfreich sein. Dänemark, 5,5 Mio. Einwohner, ließe sich mit einer ähnlich großen deutschen Versorgungseinheit vergleichen. In der Metropolregion Berlin leben über 4,3 Millionen Menschen: „Was wäre, wenn Berlin so handeln würde wie Dänemark?“ Wir haben unsere dänische Gesprächspartner eingeladen, im Sommer nach Berlin zu kommen, um in einem dänisch-deutschen Dialog ein solches Szenario zu diskutieren.
In Vorbereitung darauf sprachen wir mit den Leitungen von drei großen Berliner Krankenhausbetreibern. Es zeigten sich bereits erste konstruktive Anknüpfungspunkte zu den laufenden Entwicklungen in der Berliner Krankenhauslandschaft.
Ulrich Frei, Ärztlicher Direktor des Berliner Universitätsklinikums Charité, sagte uns: „Die dänische Herangehensweise, das Krankenhauswesen von Grund auf neu zu überdenken, interessiert mich, da es, auch wenn die Berliner Situation anders ist, für uns wichtige Impulse geben kann – zum Beispiel für stärkere Schwerpunktbildungen in der Stadt.“ Die intensivere Ausbildung solcher Schwerpunktzentren kann in Berlin aufgrund seines gleichmäßigen städtischen Netzwerks mit guter Erreichbarkeit auch an unterschiedlichen Standorten erfolgen. Der zahlreiche Berliner Bestand an Krankenhäusern müsste zudem als Potenzial zur Stärkung des Dreiklangs aus Forschung, Lehre und Krankenversorgung genutzt werden.
Der Unterschied zwischen den dänischen Planungen und der deutschen Realität wird im Bereich der Bettenstationen besonders deutlich. In aktuellen Ausschreibungen geht es bei uns um Einheiten mit vierzig Betten und mehr, wobei der Schwerpunkt auf Zweibettzimmern liegt. Das Einbettzimmer hat bei uns, neben der Nutzung für schwere oder spezielle Fälle, vor allem eine Bedeutung als Komfortoption – für Privatversicherte oder Zuzahler.
Heidi Schäfer-Frischmann, die Vorsitzende der DRK-Schwesternschaft Berlin e.V. der DRK Kliniken Berlin, wirft in einem Gespräch über die dänischen Planungen und deren Schwerpunkt auf Einbettzimmern und Stationsgrößen von 24–30 Betten Fragen nach der Wirtschaftlichkeit auf, sieht aber auch große Vorzüge aus der Pflegeperspektive. Sie ist seit mehr als dreißig Jahren in den Bau von Krankenhäusern involviert: „Wir müssen über den Tellerrand schauen, gerade im Krankenhausbau, der für die Bedürfnisse der Patienten und Mitarbeiter immer wieder neu diskutiert und modifiziert werden muss. Der stetige kreative Diskurs dazu ist wichtig.“
Joachim Bovelet sieht das dänische Beispiel vor dem Hintergrund des gesamten deutschen Gesundheitsnetzwerks. Dessen Entwicklung gestaltet er als Vorsitzender der Geschäftsführung der Berliner Vivantes Netzwerk für Gesundheit GmbH, des größten kommunalen Krankenhauskonzern Deutschlands, mit. „Wir haben genügend Ideen für Veränderungen. Zum Beispiel bei der Altersmedizin: Wie können wir bessere Orte anbieten, an denen Senioren sich wohl fühlen und altersgerecht versorgt werden?“ Mit Blick auf einen dänisch-deutschen Dialog reizt ihn die Möglichkeit „visionär an einen Sachverhalt heranzugehen. Das kann befreiend wirken. Wir werden uns daher am Austausch beteiligen.“
Gerade die Ausgestaltung des Netzwerkgedankens wird in Dänemark wesentlich für den Erfolg des Masterplans 2020 sein – funktioniert die Einbindung der neuen, zentralisierten Krankenhäuser als Gesamtplanung? Erste Erfahrungen zeigen, dass der Anspruch, innovative Ansätze zu entwickeln, in der Praxis durch zahlenlastige statt zielorientierte Rahmenbedingungen stark behindert wird. Das berichten beteiligte Architekten. Sie seien nicht genügend in die Aufgabenkonzepte einbezogen, dabei haben sie doch ein naheliegendes Interesse, diesen Prozess mitzugestalten.Gut ausgearbeitete Ausgangslagen sind für die Entwurfsarbeit entscheidend.
Um den Gedankenaustausch zu vertiefen, ist neben dem deutsch-dänsichen Dialog im Sommer geplant, den Masterplan 2020 auf der Krankenhauskonferenz hospitalconcepts des Berliner Instituts für Beratung, Fortbildung und Technologien im Gesundheitswesen emtec e.V. am 26. und 27. Oktober in Berlin vorzustellen und zu diskutieren.
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