Bauwelt

Das MoMa zeigt „Architectures of Social Engagement“

Klein, aber wirkungsvoll

Text: Schindler, Susanne, Cambridge

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Siméon Duchoud/Aga Khan Trust

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Das MoMa zeigt „Architectures of Social Engagement“

Klein, aber wirkungsvoll

Text: Schindler, Susanne, Cambridge

Die Projekte in der Ausstellung „Small Scale, Big Chance“ lassen hoffnungsvoll stimmende Rückschlüsse zu über die Rolle von Architekten bei der Gestaltung gesellschaftlicher Veränderungsprozesse.
Englische Version: Die Auswahl wird Architekten kaum überraschen. Sie kennen vermutlich sowohl die kleinen Juwelen der Ausstellung – etwa die Meti-School in Bangladesch von Anna Heringer und Eike Roswag (Bauwelt 32.06) oder die von Studenten des Rural Studio realisierten Wohnhäuser in Alabama –, als auch die beispielhaften Strategien wie die Eingriffe des Urban Think Tank in die informellen Stadtquartiere von Caracas oder die ausbaubaren Kernhäuser in Chile von Elemental. Die Ausstellungsarchitektur ist konventionell. Jedes Projekt wird durch ein großes Wandfoto angekündigt, davor steht ein Holzmodell auf einer Tischvitrine, in der Skizzenbücher oder andere Originale aus Architektenhand liegen. Ergänzend gibt es Videoclips, die den Planungsprozess zeigen oder Architekten und Bewohner zu Wort kommen lassen. Die Kernthese der Kuratoren Andres Lepik und Margot Weller, Architekten hätten ihr „soziales Gewissen und gesellschaftliche Verantwortung“ wiedergefunden, sähen jedoch im Gegensatz zu den Vertretern der frühen Moderne von den großen, die Welt verändern wollenden Eingriffen ab, führen wir uns, angesichts der Aussichtslosigkeit Großes zu denken, gerne zu Gemüte. Und die in den Katalogvorworten ausgeführten theoretischen Überlegungen, ob es sich hier um eine Bewegung handelt, die an die „sozialen Aspirationen der Avantgarde“ anknüpft, oder aber durch ihre punktuellen und pragmatischen Lösungen doch deren „finalen Tod“ darstellt, muss man als notwendige Selbstverortung der Avantgarde-kürenden Institution MoMA verstehen. All das macht die Schau also nicht weiter überraschend. Dennoch verlasse ich sie bestens gelaunt. Warum? „Small Scale, Big Change“ hält doch einige Überraschungen bereit.
Erstens: Die architektonisch überzeugendsten Projekte der Ausstellung haben mit den geringsten Mitteln gearbeitet. Lehm – einmal als ungebrannter Ziegel, einmal als gestampfte, massive Wand – bildet die Grundlage sowohl für die Schule in Bangladesch als auch für die Grundschule in Gando, Burkina Faso, von Diébédo Francis Kéré. Die Armut der Mittel hat keinen ethischen oder ästhetischen Wert an sich. Was sich in diesen Projekten aber abzeichnet, ist ein genau kalibriertes, angemessenes Verhältnis zwischen verfügbaren Mitteln, Idee und Umsetzung. Die Ergebnisse sind nicht nur bezaubernd (ich verlasse mich hier auf die Darstellungen), sondern haben kon­struktive Neuerungen hervorgebracht, die sich in weiteren Projekten anwenden lassen.
Zweitens: Obwohl die Einbeziehung der Nutzer eine zentrale Rolle in der Entwicklung aller gezeigten Projekte spielt, lässt die Ausstellung die gebauten Ergebnisse sprechen. Im Katalog schreibt Lepik zwar: „Um die gesellschaftliche Relevanz von Architektur am Beginn des 21. Jahrhunderts zu steigern, müssen sich Architekten nicht mehr nur als Entwerfer von Gebäuden, sondern als Moderatoren von Wandel begreifen.“ Was die Ausstellung jedoch vermittelt ist, dass die kritische Rolle des Architekten, auch als Moderator, die des Ideen- und Form-gebers ist. Ohne Personen mit der Fähigkeit, zu entwerfen, wären hier keine Projekte entstanden, die das MoMA als ausstellungswürdig erachtet hätte. Architekten bleiben also Autoren. Wichtiger noch: Architekten sind Initiatoren und können damit Erfolg haben. Sowohl Heringer als auch Kéré haben ihre Schulen noch als Studierende konzipiert.
Drittens: Die Ausstellung überwindet die Vorstellung, „sozial engagierte Architektur“ sei nur in Entwicklungsländern von Nöten. Eine Kunstschule in Los Angeles wird gleichwertig wie ein Museum im südafrikanischen Port Elizabeth behandelt, die Péripherique von Paris ist gleichermaßen von ökonomischen Missständen gekennzeichnet wie die Grenzregion zwischen den USA und Mexiko. Tatsächlich könnte eine Stadt wie New York, gekennzeichnet durch eine politische Kultur, die langfristige Investitionen in eine funktionierende Infrastruktur als Luxus begreift, von den Bahnstrecken in Rio de Janeiro oder den Schwebebahnen in Caracas lernen.
Die Frage, inwieweit die Lehren und Ansätze, die aus den elf kleinen Projekten hervorgehen, „skalierbar“ sind, um eine größere Veränderung jenseits der konkreten Zusammenhänge zu bewirken, bleibt ungestellt. Der etwas beiläufige Hinweis auf Netzwerke, die sich der Vermittlung von architektonischen Lösungen für sozial benachteiligte Gruppen zum Ziel gesetzt haben und sich dafür hauptsächlich internet-basierter Kommunikation bedienen, deutet darauf hin, dass die Verbreitung dieser Ansätze ohnehin anderswo stattfindet – nicht im Museum. Dennoch: Die MoMA-Besucher, die hier die Höhepunkte Moderner Kunst einsaugen und sich im Bistro eine Viertelstunde für einen Caffè latte anstellen, könnten durch die Holzmodelle und Handskizzen sehr wohl auf die Idee gebracht werden, dass auch sie einen Anspruch auf eine natürlich belüftete, sonnige und erschwingliche Wohnung in fußläufiger Entfernung zu öffentli­chen Verkehrsmitteln haben.

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