Bauwelt

Der nicht mehr gebrauchte Stall

Ausstellung im vai in Dornbirn

Text: Aicher, Florian, Leutkirch

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Foto: Christian Grass

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Der nicht mehr gebrauchte Stall

Ausstellung im vai in Dornbirn

Text: Aicher, Florian, Leutkirch

Am Anfang war die Erfindung des Heus durch den Menschen. Was folgte: der Stall, die Heugabel, der Städtebau, die Kultur – alles!
Derart forciert ritt Köbi Gantenbein, Chefredakteur von hochparterre und seit seiner Jugend als Hüterbub im Prätigau bestens mit der Materie vertraut – durch die lange Geschichte der Mutmaßungen zum ländlichen Raum und seinen Bauten und tat, was er seinerzeit im Stall gelernt hatte: ausmisten. Ob globale Urhütte oder regionales Unikat, ob sagenumwobene Ruine oder nüchterns­tes Gerät, ob zeitlos oder betriebswirtschaftlichem Kleiderwechsel unterworfen. Gantenbeins Lust am Gegenbild war ansteckend, und bissig führte er vor Augen, wie sehr man hier von aufgepfropften Theorien die Nase voll hat. Dennoch: Der Bauer weiß natürlich, was Mist wert ist. Die Musikwissenschaft­lerin und Volksmusikforscherin Evelyn Fink-Mennel knüpfte mit Johann-Sebastian-Bach-Jodler, mit dem Vorarlberger Volkstanz Rongger und mit Alphorn-Fado vokal, auf Violine und Maultrommel geradeso virtuos an. Und auch Hans-Peter Meier, Ausstellungskurator und Soziologe aus Zürich, dem Ställe, diese kleinen Kathedralen des Alltags, Teil der Landschaft und Lebe­wesen sind, kam auf Musik zu sprechen. Musik, ein Medium, die Kultur-Zerstörung zu ertragen?
Dem nicht mehr gebrauchten Stall galt dieser Abend im Vorarlberger Architekturinstitut (vai) in Dornbirn, der die gleichnamige Wanderausstellung eröffnete, eine Gemeinschaftsproduktion mit dem gelben Haus Flims, der Fundaziun La Tuor Samedan, Kunst Meran Merano Arte und dem Bündner Heimatschutz. Die breite Aufstellung dokumentiert die zunehmende Resonanz, die das Thema des ländlichen Strukturwandels erfährt, erkennbar in ähnlichen Initiativen etwa in Innsbruck oder München (Bauwelt 43.10). Und allem Gerede vom Wandel zum Trotz versichert der Katalog: „Der nicht mehr gebrauchte Stall wird Ausgangspunkt und Metapher einer neu erfundenen Landschaft und Landwirtschaft.“
In drei Schritten – die Annäherung an das Phänomen, die zeitgenössische Verhunzung und die Utopie eines „schönen Gebrauchs“ (Taut) – umkreist die Schau das Thema in Bild und Wort. Allein die Hinweise auf die Umnutzungen lohnen den Besuch. Dabei ist die Abstinenz in Zuschreibung und Deutung unverkennbar, was den Besucher zu engagiertem Schauen zwingt, dem direkten Informations­gehalt aber abträglich ist. Engagement beweist das vai, indem es die Ausstellung mit einer Reihe von Veranstaltungen hinausträgt – über die Stadtgrenzen, in die Täler Vorarlbergs. Und über die Grenzen der Disziplin. In acht „Dorfgesprächen“ treffen Architek­ten von auswärts auf Schriftsteller und Kulturschaffende mit ganz eigenem Blick auf das Land und seine Bauten. Wechselnde Orte, acht ausgesuchte Räume, tragen samt ihrer Planer das Ihre bei. Und bestätigen so, wie einst Rudolf Schwarz, dann doch mit großem Ernst, Architektur verstanden haben wollte: als das Große Gespräch.

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