„Die Baumhäuser erschienen uns wie ein Wald ohne Menschen“
Text: Geipel, Kaye, Berlin
„Die Baumhäuser erschienen uns wie ein Wald ohne Menschen“
Text: Geipel, Kaye, Berlin
Interview mit Peter Wilson über die neue Stadtbibliothek in Helmond
Beim Entwurf der Bibliothek von Helmond gab es zwei städtebauliche Herausforderungen: auf der einen Seite der Umgang mit den Baumhäusern von Piet Blom, dem kulturellen Erbe der siebziger Jahre, und auf der anderen Seite mit dem Masterplan von Joan Busquets, der die Stadt aus Einkaufsflächen zusammensetzt. Wie ging das zusammen?
Peter Wilson | Die Auseinandersetzung mit den Baumhäusern hat uns inspiriert. Wir reagieren – das sieht man auf der Seite des Cafés – mit einem Bautyp, der im Schnitt in einen Dialog mit den Häuser von Piet Blom tritt. Die Grundform der Bibliothek hingegen, ihre Umrisse, sind vom Masterplan von Joan Busquets her begründet und gehen auf ihn zurück.
In das Bibliotheksgebäude mussten Sie auch Einkaufsflächen integrieren.
PW | Das ist ein sehr niederländischer Standpunkt. Das Café haben wir auf die Rückseite gelegt, damit reagieren wir auf die Schwierigkeit, dass zur Straße hin die Ladenflächen sind: Wir ziehen die öffentliche Funktion durch das Gebäude. Die Anforderungen, die Shopping Malls stellen, sind im Grunde simpel: Sie wollen a) möglichst viel Fläche, sie brauchen b) eine einfache Anlieferung, und sie haben c) kein Interesse an den Obergeschossen. Wenn man das weiß, kann man es für die eigenen Belange nutzen.
Bleibt für die Bibliothek also nur das Obergeschoss?
PW | Auf keinen Fall! Die Bibliothek braucht selbstverständlich einen großzügigen Erdgeschosszugang. Bibliotheken sind heute ja gerade deshalb so wichtig geworden, weil sie für die Bewohner oft die einzigen Bauten sind, in die man ebenerdig reingehen kann, ohne Geld zu zahlen.
Wie verlief die Auseinandersetzung mit den Bauten von Piet Blom?
PW | Gerade das serielle urbane Entwurfskonzept Bloms ist in Zeiten der digitalen Entwurfsmethoden sehr aktuell: Wie lassen sich bei repetitiven Strukturen die Übergänge und Anschlüsse in den Griff kriegen? Das hat uns gereizt. Es gab ja Zeiten, da wurde Blom – vor allem was die Baummetapher betrifft – eher als Spinner betrachtet. Wir haben aber noch eine ganz andere Seite für uns entdeckt: Seine Baumhäuser sind in ihrem Umgang mit der Kleinheit exemplarisch. Sie entwickeln wirklich einen häuslichen Kosmos, aber eben auf der Basis von ganz wenig Raum. Das Verwinkelte mag nicht mehr zeitgemäß sein, aber das Konzept beeindruckt noch heute.
Gilt diese Wertschätzung auch für das „Speelhuis“, für das Theater von Piet Blom?
PW | Praktisch gesehen fehlt dem Theater heute eine ausreichende Hinterbühne. Aber in der Freundlichkeit seiner Architektur ist es wirklich ein magischer Ort. Das Foyer ist absolut skurril. Stellen Sie sich vor, es gäbe ein solches Theater in Berlin. Das wäre ein Kultort. Aber in Helmond? Da tut man sich schwer.
Städtebaulich deuten Sie mit dem Entwurf der Bibliothek das Blom-Ensemble um: Während Blom seine Bauten immer weiter wuchern lassen wollte – insgesamt 180 solcher Häuser sollte es geben –, behandeln Sie sie als Teil eines großen „Innenhofs“. Warum?
PW | Wir behandeln die Blombauten tatsächlich wie ein Stück Landschaft. Und zwar sehen wir das auf einer morphologischen und nicht auf ei-ner ideologischen Ebene: Die Baumhäuser erschienen uns wie ein Wald ohne Menschen. Ihr heutiges Problem – vielleicht das Problem von Piet Bloms Architektur generell – liegt in der mangelnden Aktivierung der Erdgeschosse. Dem wirken wir entgegen, mit der Durchwegung der Bibliothek, mit dem Café und dem Zeitungslesesaal, die zu diesem „Wald“ hin offen sind. Und Sie sehen ja: Es funktioniert.
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