Bauwelt

Die Prager Straße in Dresden

Fotos von 1871 bis 2013

Text: Scheffler, Tanja, Dresden

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Prager Straße, 1973, nach dem Baustopp, Blick vom Rathausturm in Richtung Hauptbahnhof.
Foto: Asmus Steuerlein

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Prager Straße, 1973, nach dem Baustopp, Blick vom Rathausturm in Richtung Hauptbahnhof.

Foto: Asmus Steuerlein


Die Prager Straße in Dresden

Fotos von 1871 bis 2013

Text: Scheffler, Tanja, Dresden

Die Prager Straße, während der Gründerzeit entstanden, avancierte innerhalb weniger Jahre zu der Flaniermeile Dresdens. Immer wieder wurde die Straße kompromisslos überformt.
Ihre verschiedenen bau­lichen Zustände – vor 1945, während der DDR-Zeit, nach der Wende – veranschaulichen geradezu mustergültig den jeweiligen architektonischen Zeitgeist und seine gesellschaftlichen Rahmenbedingungen. Eine Fotoausstellung im Buchmuseum der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitäts­bibliothek (SLUB) in Dresden wirft Schlaglichter auf diese wechselvolle Entwicklung.
Die Deutsche Fotothek der SLUB gehört mit ihren mehr als 1,5 Millionen Aufnahmen zu den landesweit ersten Adressen für Architekturfotos, gerade auch für Aufnahmen von Dresden. Der Bestand, seit den 1920er Jahren systematisch durch hauseigene Fotografen aufgebaut, wird durch prominente Nachlässe abgerundet: Luftbilder von Walter Hahn, die weltbekannten Aufnahmen des kriegszerstörten Dresden von Richard Peter sen. und das Pressearchiv der jahrzehntelang für die Sächsische Zeitung tätigen Bildjournalisten Walter Höhne und Walter Pohl. Die Kuratoren konnten aus diesem Fundus – allein zur Prager Straße gibt es mehr als 3000 Motive – eine spannende Ausstellung zusammenstellen, mit zum Teil noch nie gezeigtem Bildmaterial.
Die Prager Straße wurde ab 1853, nach der Errichtung des Böhmischen Bahnhofs (dem Vorläufer des heutigen Hauptbahnhofs), südlich der Altstadt auf einem Areal angelegt, das zuvor größtenteils für ausgedehnte Gartenanlagen mit vereinzelten Palais-Bauten genutzt worden war. Sie leitete als stark frequentierte Verkehrsverbindung die Bebauung der angrenzenden Seevorstadt zu einem dicht besiedelten Wohnquartier ein. Die Stadtverwaltung legte klare Gestaltungsregeln fest. Die Grundstücksbesitzer wiederum setzten in Altstadtnähe eine Straßenbreite von nicht mehr als 25 Ellen (gut 14 Metern) durch, lediglich am Bahnhofsvorplatz weitete sie sich auf 17 Meter – Dimensionen die sich schon am Ende des 19. Jahrhunderts als zu gering erwiesen. Eine Verbreiterung scheiterte jedoch – bis zur Zerstörung im Zweiten Weltkrieg – an den Kosten und am Widerstand der Anlieger. Die Prager Straße hatte längst ein vergleichbares Renommee wie der Kurfürstendamm in Berlin. Vor allem das nördliche Ende mit dem auf dem ehemaligen Festungsring errichteten Viktoriahaus, das sich schräg in die Blickachse schob, galt als attraktives, „wohlgeschlossenes Stadtbild“, bei dem sich die historistischen Neubauten harmonisch mit den historischen Gebäuden der Renaissance, des Barock und des Klassizismus verbanden. Doch bereits kurze Zeit später begannen die ersten Überformungen: Eisenbetonskelettbauten wie das Kaufhaus Esders oder das Residenzkaufhaus schossen in den Top-Lagen förmlich aus dem Boden.
Sozialistisch gestaltete Umwelt
Der radikale Abbruch des Stadtzentrums während des Kalten Krieges durch das Ulbricht-Regime ließ die enormen Kriegszerstörungen noch deutlicher sichtbar werden; gleichzeitig sollte der Neuaufbau die Stärke des neuen Gesellschaftssystems demon­strieren. „Wir Dresdner Bauarbeiter beseitigen die Trümmer des 13. Febr. 1945 und bauen ein neues sozialistisches Dresden auf. Der 1. Baggerhub auf der Prager Str. ist unsere Antwort auf den Atomminengürtel der W(est)D(eutschen) Ultras.“ Schon die Baustellenschilder widerspiegeln die ideologische Aufladung der ostdeutschen Prestigeprojekte im Wettstreit der Systeme. Neben vielen Modellfotos der ab 1965 als Fußgängerzone völlig neu errichteten Prager Straße, zeigt die Ausstellung auch die Widersprüche zwischen dem propagierten Anspruch („Kulturvoll leben in sozialistisch gestalteter Umwelt“) und der Wirklichkeit: ein bis zum Ende der DDR ungestaltetes, brachliegendes Umfeld. Denn mit dem Beginn des staatlichen Wohnungsbauprogramms hatte man das erst in Ansätzen realisierte Vorzeigeprojekt schon 1973 wieder gestoppt und später nur noch das Cen­trum Warenhaus vollendet. Trotzdem war die als Tourismus- und Einkaufszentrum geplante ostmoderne Stadtlandschaft bei der Bevölkerung beliebt. Vor allem die sprudelnden Brunnenanlagen sind (auch nach ihrem Abriss) auf unzähligen Fotos weiterhin als prägendes Charakteristikum der sozialistischen Prager Straße präsent.
Den Abschluss der Schau bilden Aufnahmen zu den Auswirkungen der Marktwirtschaft auf das sozialistische Ensemble – von der Wohnwagen- und Container-Verkaufskultur der frühen 90er Jahre bis zur Nachverdichtung des Areals auf die alten Baulinien und Baufluchten im Zuge des neuen Leitbilds der „Europäischen Stadt“. Aus einem abwechslungsreich strukturierten Aufenthaltsraum ist eine unzweideutig an den Kaufhäusern ausgerichtete Verkehrsfläche geworden. Ein bauliches Zeugnis des gegenwärtigen Zeitgeists. 

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