„Die Spur führte zu einer Kiste voller Schaumstoffschnitzel“
Oliver Elser zur Modellschau des DAM
Text: Meyer, Friederike, Berlin
„Die Spur führte zu einer Kiste voller Schaumstoffschnitzel“
Oliver Elser zur Modellschau des DAM
Text: Meyer, Friederike, Berlin
Das Deutsche Architekturmuseum hat für seine aktuelle Ausstellung 300 Modelle auf allen vier Etagen des Hauses versammelt – und begeistert damit nicht nur Architekten. Für die einen ist es eine anregend inszenierte Welt der Ideen, für die anderen die erste wissenschaftliche Auseinandersetzung mit einem vermeintlichen Nebenprodukt des Entwerfens. Oliver Elser, Kurator der Schau, ist erklärter Modellfan.
Oliver Elser, was fasziniert Sie an Modellen?
Die Faszination für Architekturmodelle geht auf einen Moment während meines Architekturstudiums zurück: Plötzlich hatte ich den Verdacht, dass wir gar nicht Architektur studieren, sondern Architekturmodellbau. Alle, die Architektur studiert haben, werden mir sicher bestätigen, dass man als Student mit dem Bauen im Grunde nichts zu tun hat und sich stattdessen an Stellvertretern abarbeitet. Deshalb diskutiert unsere Ausstellung auch die Rolle des Modells als Fetisch.
Als Fetisch?
Das Modell des Resor House von Mies van der Rohe ist ein gutes Beispiel für diese Art von Ersatzhandlung. Mies hatte es 1937 für das Ehepaar Resor in Wyoming als Landhaus entworfen. Es sollte mit wertvollem Zypressenholz verkleidet werden. Das Modell, das wir zeigen, hat Mies für die große Mies-Ausstellung 1947 im MoMA anfertigen lassen – lange nachdem klar war, dass das Haus nie gebaut wird.
Die Ausstellung zeigt 300 Modelle, die seit den 1920er Jahren entstanden sind? Was gab es davor?
Das 19. Jahrhundert war ein Jahrhundert der Zeichnung, der Perspektive. Es gab eher technische Modelle, Brücken und Konstruktionen. Unsere Ausstellung verfolgt die These: Mit der Moderne wird das Modell attraktiver. Dabei spielt das Modellfoto eine zentrale Rolle.
Attraktiver auch in seiner Rolle als Werkzeug und als kleine Utopie, um zwei weitere der von Ihnen ausgemachten Funktionen zu nennen?
Man könnte noch mehr aufzählen, aber das sind die Kernaufgaben. Die Werkzeugfunktion kommt am besten bei den Seifenhaut- oder Hängemodellen von Frei Otto zum Ausdruck. Ohne sie wären viele seiner Entwürfe nicht baubar gewesen. Kleine Utopien haben wir vor allem in den 60ern entdeckt. Modelle eigneten sich damals offensichtlich gut dazu, utopische Planungen machbar aussehen zu lassen.
Es fällt angenehm auf, dass die Ausstellungstexte zum großen Teil als Fragen formuliert sind.
Wir haben eine Menge geforscht. Aber wir wissen von vielen Modellen immer noch nicht, wie sie entstanden sind. Manchmal trieb uns auch die pure Lust an der Spekulation: Das Schnittmodell des Terminal 1 am Pariser Flughafen erinnert uns an den Todesstern aus den Star-Wars-Filmen – ganz unabhängig davon, wie der Architekt es kommentiert.
Es ist auch vom Fotomodell die Rede.
Das ist keine junge Dame, sondern ein Modell, das eigens für ein wirkungsvolles Foto gebaut wurde. Das beste Beispiel sind die Styrodurmodelle von Axel Schultes und Charlotte Frank. Sie sind für die Fotos gebaut, die auf die Pläne montiert werden.
Inzwischen haben Renderings Modelle weitgehend ersetzt. Stirbt das Modell aus?
Christian Kerez ist ein Gegenbeispiel. Wir zeigen ein Modell von seinem Entwurf für das Swiss-Re-Gebäude aus dem Jahr 2006. Fotos davon waren auf seinen Wettbewerbsplänen zu sehen, es gab keine Renderings. Auch Herzog & de Meuron arbeiten nach wie vor mit Modellen. Von ihrem Prada-Store in Tokio gibt es in der Ausstellung 60 Arbeitsmodelle.
Viele Modelle sind erstmals öffentlich zu sehen. Und Sie haben sogar einen Schatz gehoben.
Das „Spiral-Hochhaus“ aus dem Jahr 1963. In unserer Sammlung stieß ich auf ein Foto davon und ging der Geschichte nach. Sie führte in eine Berliner Spedition zu einer Kiste voller Schaumstoffschnitzel. Dort hatte das Modell 24 Jahre gelegen. Der Architekt Conrad Roland hatte bei Mies in Chicago diplomiert und war in Berlin in Kontakt mit Frei Otto und dessen Entwicklungsstätte für den Leichtbau gekommen. Er hat aber nie die Möglichkeit gehabt, seine visionären Ideen umzusetzen. Als er später nach Hawaii ging, lagerte er seine Sachen in Berlin ein. Das Hochhaus ist spektakulär in doppelter Hinsicht: Durch das Netz stabilisiert sich die Konstruktion selbst, wenn man sie zum schwingen bringt, und der Entwurf an sich ist natürlich Aufsehen erregend.
Einige Architekturfotografen sind mittlerweile so bekannt wie Architekten. Modellbauer nicht. Wird sich das mit Ihrer Ausstellung ändern?
Wir bemühen uns sehr, dieses Versäumnis nachzuholen. Ich habe den Eindruck, Modellbauer kursieren immer noch eher als Geheimtipp. Die feinen, gestaffelten Steinfassaden von Hans Kollhoff aus den 90er Jahren zum Beispiel haben Zaborowksy-Modellbau aus Zürich perfekt umgesetzt. Die Musterkollektion dieser Firma zeigen wir in der Ausstellung.
Werden Modelle irgendwann als Kunst verkauft?
Solche Versuche gab es schon mal in den 70er Jahren. Die Modelle von Aldo Rossi hingen um 90 Grad gekippt wie Kunst an der Wand und wurden zum Teil über Galerien verkauft. Peter Eisenmans Modell vom Falk House II, von 1969, ist zehn Jahre nach Fertigstellung als 3er-Auflage produziert worden. Das stieß aber nicht so recht auf Interesse.
Die Faszination für Architekturmodelle geht auf einen Moment während meines Architekturstudiums zurück: Plötzlich hatte ich den Verdacht, dass wir gar nicht Architektur studieren, sondern Architekturmodellbau. Alle, die Architektur studiert haben, werden mir sicher bestätigen, dass man als Student mit dem Bauen im Grunde nichts zu tun hat und sich stattdessen an Stellvertretern abarbeitet. Deshalb diskutiert unsere Ausstellung auch die Rolle des Modells als Fetisch.
Als Fetisch?
Das Modell des Resor House von Mies van der Rohe ist ein gutes Beispiel für diese Art von Ersatzhandlung. Mies hatte es 1937 für das Ehepaar Resor in Wyoming als Landhaus entworfen. Es sollte mit wertvollem Zypressenholz verkleidet werden. Das Modell, das wir zeigen, hat Mies für die große Mies-Ausstellung 1947 im MoMA anfertigen lassen – lange nachdem klar war, dass das Haus nie gebaut wird.
Die Ausstellung zeigt 300 Modelle, die seit den 1920er Jahren entstanden sind? Was gab es davor?
Das 19. Jahrhundert war ein Jahrhundert der Zeichnung, der Perspektive. Es gab eher technische Modelle, Brücken und Konstruktionen. Unsere Ausstellung verfolgt die These: Mit der Moderne wird das Modell attraktiver. Dabei spielt das Modellfoto eine zentrale Rolle.
Attraktiver auch in seiner Rolle als Werkzeug und als kleine Utopie, um zwei weitere der von Ihnen ausgemachten Funktionen zu nennen?
Man könnte noch mehr aufzählen, aber das sind die Kernaufgaben. Die Werkzeugfunktion kommt am besten bei den Seifenhaut- oder Hängemodellen von Frei Otto zum Ausdruck. Ohne sie wären viele seiner Entwürfe nicht baubar gewesen. Kleine Utopien haben wir vor allem in den 60ern entdeckt. Modelle eigneten sich damals offensichtlich gut dazu, utopische Planungen machbar aussehen zu lassen.
Es fällt angenehm auf, dass die Ausstellungstexte zum großen Teil als Fragen formuliert sind.
Wir haben eine Menge geforscht. Aber wir wissen von vielen Modellen immer noch nicht, wie sie entstanden sind. Manchmal trieb uns auch die pure Lust an der Spekulation: Das Schnittmodell des Terminal 1 am Pariser Flughafen erinnert uns an den Todesstern aus den Star-Wars-Filmen – ganz unabhängig davon, wie der Architekt es kommentiert.
Es ist auch vom Fotomodell die Rede.
Das ist keine junge Dame, sondern ein Modell, das eigens für ein wirkungsvolles Foto gebaut wurde. Das beste Beispiel sind die Styrodurmodelle von Axel Schultes und Charlotte Frank. Sie sind für die Fotos gebaut, die auf die Pläne montiert werden.
Inzwischen haben Renderings Modelle weitgehend ersetzt. Stirbt das Modell aus?
Christian Kerez ist ein Gegenbeispiel. Wir zeigen ein Modell von seinem Entwurf für das Swiss-Re-Gebäude aus dem Jahr 2006. Fotos davon waren auf seinen Wettbewerbsplänen zu sehen, es gab keine Renderings. Auch Herzog & de Meuron arbeiten nach wie vor mit Modellen. Von ihrem Prada-Store in Tokio gibt es in der Ausstellung 60 Arbeitsmodelle.
Viele Modelle sind erstmals öffentlich zu sehen. Und Sie haben sogar einen Schatz gehoben.
Das „Spiral-Hochhaus“ aus dem Jahr 1963. In unserer Sammlung stieß ich auf ein Foto davon und ging der Geschichte nach. Sie führte in eine Berliner Spedition zu einer Kiste voller Schaumstoffschnitzel. Dort hatte das Modell 24 Jahre gelegen. Der Architekt Conrad Roland hatte bei Mies in Chicago diplomiert und war in Berlin in Kontakt mit Frei Otto und dessen Entwicklungsstätte für den Leichtbau gekommen. Er hat aber nie die Möglichkeit gehabt, seine visionären Ideen umzusetzen. Als er später nach Hawaii ging, lagerte er seine Sachen in Berlin ein. Das Hochhaus ist spektakulär in doppelter Hinsicht: Durch das Netz stabilisiert sich die Konstruktion selbst, wenn man sie zum schwingen bringt, und der Entwurf an sich ist natürlich Aufsehen erregend.
Einige Architekturfotografen sind mittlerweile so bekannt wie Architekten. Modellbauer nicht. Wird sich das mit Ihrer Ausstellung ändern?
Wir bemühen uns sehr, dieses Versäumnis nachzuholen. Ich habe den Eindruck, Modellbauer kursieren immer noch eher als Geheimtipp. Die feinen, gestaffelten Steinfassaden von Hans Kollhoff aus den 90er Jahren zum Beispiel haben Zaborowksy-Modellbau aus Zürich perfekt umgesetzt. Die Musterkollektion dieser Firma zeigen wir in der Ausstellung.
Werden Modelle irgendwann als Kunst verkauft?
Solche Versuche gab es schon mal in den 70er Jahren. Die Modelle von Aldo Rossi hingen um 90 Grad gekippt wie Kunst an der Wand und wurden zum Teil über Galerien verkauft. Peter Eisenmans Modell vom Falk House II, von 1969, ist zehn Jahre nach Fertigstellung als 3er-Auflage produziert worden. Das stieß aber nicht so recht auf Interesse.
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