Bauwelt

Die Wolke von Aarau

und andere pneumatische Architekturen im Luftmuseum Amberg

Text: Santifaller, Enrico, Frankfurt am Main

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Busbahnhof in Aarau (2013). Architekten: ­Vehovar & Jauslin, Zürich; Ingenieure: formTL, Radolfzell
Foto: Eduard Hueber/Archphoto

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Busbahnhof in Aarau (2013). Architekten: ­Vehovar & Jauslin, Zürich; Ingenieure: formTL, Radolfzell

Foto: Eduard Hueber/Archphoto


Die Wolke von Aarau

und andere pneumatische Architekturen im Luftmuseum Amberg

Text: Santifaller, Enrico, Frankfurt am Main

Bauen mit Luft, das gab es schon mal in den 1960er Jahren, als, inspiriert von Sputnik und Apollo, Avantgardisten wie Haus-Rucker-Co oder Frei Otto mit aufblasbaren Hüllen experimentierten.
Wolf D. Prix und Helmut Swiczinsky etwa ließen in Basel einen PVC-Ballon, vier Meter im Durchmesser, aufblasen und wanderten in der Kugel – selbstverständlich mit Kameramann – durch die Innenstadt. Und Hans Hollein entwickelte eine pneumatische Raumkapsel, die er als mobiles Büro bezeichnete, und nahm damit die Möglichkeiten mobiler Kommunikation um Jahrzehnte vorweg.
Pneumatische Architektur ist heutzutage pragmatischer, aber wie die Allianz-Arena in München oder das olympische Schwimmstadion in Peking zeigen, nicht weniger spektakulär. Die Membrane bestehen vor allem aus EFTE-Folien, die weitaus dünner, aber auch weitaus widerstandfähiger und schmutzabweisender sind als das alte PVC. Die neuesten Entwicklungen beim Bauen mit Luft werden zurzeit im Luftmuseum im oberpfälzischen Amberg präsentiert.
Im Zentrum der Ausstellung steht das amöbenförmige Dach über dem Bahnhofsplatz in Aarau, der Hauptstadt des Schweizer Kantons Aargau. Das über einem Busbahnhof gespannte Dach, geplant vom Zürcher Architekturbüro Vehovar & Jauslin und den Ingenieuren von formTL, Radolfzell, ist derzeit eine der avanciertesten pneumatischen Architekturen. Gegenüber den üblichen Membrandächern oder -fassaden, die aus vielen, meist aneinander geschraubten Luftkissen bestehen, wird es von einem einzigen Luftkissen gebildet, das eine Fläche von 1070 Quadratmetern einnimmt. Die Folien umhüllen eine einzige Luftkammer mit einem Volumen von 1810 Kubikmetern, über die sich oben und unten Stahlseile spannen, um die Form zu halten. Anders als üblich ist auch die Konstruktion: Das Kissen umhüllt nicht – wie etwa bei der Allianz-Arena – eine meist wenig ansehnliche Unterkonstruktion. Das Tragwerk, genauer: der Tragetisch, ist vielmehr integriert. Er wird neben den Stahlseilen und den verschiedenen Bedruckungen zu einer weiteren Schicht unter Schichten, die alle zusammen den von den Architekten gewünschten Eindruck einer flirrenden Lichtung im städtischen Dschungel erzeugen.
Die Ausstellung präsentiert die Genese der Wolke von Aarau, von der Vision über die Montage – mit ebenso großformatigen wie eindrucksvollen Reportagefotografien – bis zur Fertigstellung. Anhand anderer Projekte des Büros formTL zeigt die Schau darüber hinaus die Vielfalt der Membranarchitektur, deren Bogen von einer wieder verwendbaren Messehalle über Stadiondächer in Kiew und Nigeria bis zum pneumatischen Teehaus von Kengo Kuma reicht. Gewebe kamen zum Einsatz, die wie beim Zénith de Strasbourg von Massimiliano Fuksas Licht reflektieren oder wie bei besagter Allianz-Arena von innen leuchten können. Bemerkenswert an der Schau ist, dass mit Musterproben verschiedener Gewebe, mit Modellen und Mock-ups dem Publikum auch haptische Qualitäten geboten werden. Zwar werden Besucher ohne einschlägigen Hintergrund die tatsäch­liche Leistung der Ingenieure wohl kaum verstehen, geschweige denn würdigen können. Über im wahrsten Sinne des Wortes begreifbare Exponate aber bekommen sie eine Ahnung davon, dass Bauen mit Luft keine Luftnummer, sondern bei besonderen Aufgaben eine leistungsfähige architektonische Alternative sein kann.

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