„Ein Denkmal für die Angst, kein Denkmal zu bekommen“
Kommentar
Text: Quester, Roland, Leipzig
„Ein Denkmal für die Angst, kein Denkmal zu bekommen“
Kommentar
Text: Quester, Roland, Leipzig
Roland Quester, DDR-Bürgerrechtler und Leipziger Stadtrat, war Mitglied der Jury und des Bewertungsgremiums. Nach Bekanntgabe der neuen Ergebnisse distanzierte sich der Grünen-Politiker vom Verfahren. Warum, erklärt er hier.
Der Mut der Leipziger aus dem Herbst 89 soll mit einem Denkmal gewürdigt werden. Der Bund hatte dafür als Geldgeber eine bindende Vorgabe gemacht: Der Wettbewerb ist nach RPW 2008 durchzuführen, was einen klaren und transparenten Entscheidungsweg sichern sollte. So klar traf dann auch 2012 die Jury ihre Entscheidung. Sie vergab einen 1., 2. und 3. Preis und setzte damit die gewollte Vorentscheidung für das Gesamtergebnis, das sich aus 60 Prozent Jurywertung und 40 Prozent (formales) Verhandlungsverfahren ergeben sollte. Die Leipziger, zumindest die, die sich zu den drei Preisträgern auf Bürgerversammlung und in Internetforen äußerten, hatten aber auch eine klare Meinung, die sich mehrheitlich so äußerte: Das seien keine angemessenen Denkmale. „Wenn schon, dann wollen wir den dritten Preis, den Herbstgarten. Dann haben wir wenigstens eine Grünfläche.“
Was nun? OBM Burkhard Jung will ein Denkmal – und vor allem den brachliegenden Leuschner-Platz mit den Bundesmitteln gestalten. Zudem will der Bund der Stadt die sechsstelligen Wettbewerbskosten nur dann aus der Gesamtförderung begleichen, wenn auch ein Denkmal entsteht. Und der Bund will Ruhe – bloß neben Berlin keine zweite Denkmaldebatte! Daher wurden die drei Büros zu einer Weiterentwicklungsphase bewegt. Verbunden damit, dass aus einem 60/40 nun ein 40/20/40 (Jury/Weiterentwicklung/Verhandlung) wurde. Die Preisträger haben dem im Vertrauen auf ein weiterhin korrektes Verfahren zugestimmt, in dem nur die Weiterentwicklung ihrer Arbeiten anhand der Abarbeitung eines Pflichtenheftes bewertet werden durfte. Von 0 („inakzeptabel, führt zum Ausschluss“) bis 10 Punkte („Optimal“), konnten für die Umsetzung der Anforderungen vergeben werden.
Und was passiert? Obwohl auch im Prüfbericht zu den überarbeiteten Entwürfen die Erfüllung der bindenden Anforderungen dokumentiert ist, hagelt es aus dem neuen Bewertungsgremium für den nun ungeliebten bisherigen Erstplazierten reihenweise 0 Punkte (Ausschluss!), im Schnitt reicht es gerade noch zu 2 Multiplikatorpünktchen. Und der bisherige Dritte bekommt – trotz deutlichster Kritik am überarbeiteten Entwurf – satte 7,1 Punkte als Schnitt. Im Rechenverfahren wird so der Rückstand aus der 40 Prozent schweren Jurywertung in der nur 20 Prozent schweren Weiterentwicklung locker gedreht. Der Dritte ist plötzlich Erster – der Erste Dritter. Argumentativ begründet wurde die geheime Punktvergabe nie! Das Protokoll gibt keine Diskussion, keine Besprechung der Arbeiten und kein Bewertungsschema (weil nicht vorhanden) wieder. Auch von der Punktevergabe gibt es nur den Schnitt. Wie soll man auch erklären, dass dieselbe Arbeit sowohl mit 10 als auch mit 0 Punkten „bewertet“ wurde? Dazu passt, dass mein Protest in der Sitzung so wenig Eingang in das Protokoll fand, wie die wenige Stunden nach der Sitzung übermittelte Distanzierung vom ganzen Verfahren.
Ein Denkmal, das den Mut zur Freiheit ehren soll, droht zum Mahnmal der Kleinmütigkeit in der Mediendemokratie zu werden. Man wünscht sich eines der kleinen, mitnehmbaren Podeste des ehemaligen Wettbewerbssiegers, um sich darauf zu stellen und eine Rede freien Gewissens zu halten.
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