Bauwelt

Ein selbstreferenzielles System

Anspruch und Wirklichkeit energieeffizienter und klimagerechter Städte in den USA

Text: Spiegelhalter, Thomas, Miami

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Ein selbstreferenzielles System

Anspruch und Wirklichkeit energieeffizienter und klimagerechter Städte in den USA

Text: Spiegelhalter, Thomas, Miami

Die USA gelten als der „bad guy“ in Sachen Klimaschutz und Energieverbrauch. Unter Obama soll alles anders werden, versprochen sind weniger Emissionen und Milliarden für nachhaltige Energieprojekte. Was fehlt, ist der Mut für einen ver­gleichenden Blick über die eigene Grenze.
Die Ursachen und Folgen des Bevölkerungszuwachses, der Erschöpfung der Ressourcen und der Beeinträchtigung der Umwelt sind global. Kollektives Handeln ist gefordert, um eine effektive und faire Lösung in erforderlichem Umfang vor­anzubringen. All das ist allgemein bekannt und wird auch in den USA endlos diskutiert.
Gleichwohl geht die Expansion der Städte ungebremst weiter. Nahezu 81,4 Prozent der US-amerikanischen Bevölkerung leben in städtischen Gebieten – seit 1950 ein Zuwachs von 26,8 Prozent. Im Jahr 2050, besagen Prognosen, werden über 90 Prozent der US-Bevölkerung (und 70 Prozent der Weltbevölkerung) in städtischen Gebieten leben. In den USA gibt es mehr als 260 städtische Gebiete mit einer Bevölkerung von mehr als 100.000 Menschen. New York City ist mit 8,3 Millionen Einwohnern der größte städtische Ballungsraum. Zwischen 1982 und 2003 stieg die Rate der Verstädterung um 48 Prozent an. Das erschlossene Land umfasst rund 437.000 Quadratkilometer beziehungsweise 5,6 Prozent der gesamten Landfläche der USA, während der Anteil der städtischen Fläche von 3,1 Prozent im Jahr 2000 auf 8,1 Prozent im Jahr 2050 steigen soll.
Bei einer Gesamtbevölkerung von rund 312 Millionen Menschen beträgt die durchschnittliche Bevölkerungsdichte
31 Menschen pro Quadratkilometer, verglichen mit 116 Menschen pro Quadratkilometer in den EU-27-Staaten mit einer Gesamtbevölkerung von rund 501 Millionen Menschen. Die durchschnittliche Bevölkerungsdichte in US-Metropolen liegt bei 124 Menschen pro Quadratkilometer, die höchste Konzen­tration gibt es in New York mit 3150 Menschen pro Quadratkilometer, in Barcelona sind es im Vergleich 15.926 Einwohner. Die extrem niedrige Verdichtung in den USA ist eine Folge der traditionell hohen Mobilität und des Wirtschaftsaufschwungs nach dem Zweiten Weltkrieg. Schon 1950 lebten in den USA mehr Menschen in den Vorstädten als irgendwo sonst. Die Ursprünge, das Wachsen, die Typologien, die wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Bedingungen dieser Vorstädte werden ausführlich und kritisch diskutiert, denn diese Siedlungsform bedingt einen stärkeren Verbrauch an Land- und Transportressourcen als traditionelle, in die Städte einbezogene Viertel mit leicht erreichbarem öffentlichem Nahverkehr.
Stadtstrukturen, Energieverbrauch, Treibhausgase
Die niedrige Besiedlungsdichte in den USA erzeugt jährlich pro Kopf 2,5-mal höhere Emissionen von Treibhausgasen und einen verdoppelten jährlichen Energieverbrauch, verglichen mit verdichteten Erschließungen; pro Wohneinheit gerechnet, erzeugen Siedlungen mit niedriger Dichte das 1,5-Fache der jährlichen Treibhausgas-Emissionen stark verdichteter Wohnanlagen und liegen im Energieverbrauch mit diesen gleich. Ein gutes Beispiel dafür ist New York City. Hier verfügen annähernd 55 Prozent aller Haushalte über kein Auto, weshalb die Stadt in den USA (unter Ausschluss von Flug- und Schiffsverkehr) das niedrigste Niveau an Treibhausgas-Emissionen pro Kopf aufweist. 2010 betrug der Ausstoß 5,9 t Kohlendioxid (CO2) pro Kopf und war damit niedriger als in „umweltgerechten“ europäischen Städten wie München mit 6,5 t (2009) oder Freiburg mit 8,5 t (2009), lag aber immer noch höher als in Stockholm mit 3,4 t (2010) oder gar in Barcelona, das mit 2,6 t (2006) den niedrigsten Wert in Europa hat.
Insgesamt müssten laut Weltklimarat die weltweiten CO2-Emissionen bis 2050 um mindestens 50 Prozent vermindert werden, um die schlimmsten Auswirkungen des Klimawandels zu verhindern. Da die Mehrheit der Weltbevölkerung heute in Städten lebt, werden Städte bei diesen Anstrengungen im Vordergrund stehen. Bislang haben die USA, deren Treibhausgas-Emissionen im Jahr 2008 insgesamt 20,2 t CO2 pro Person betrugen – in der EU waren es 10,2 t, in Deutschland 12,5 t – das Kyoto-Protokoll nicht ratifiziert. Präsident Barack Obama hat bei seiner Amtseinführung 2009 eine Änderung versprochen und will die Emissionen der USA bis 2050 um 80 Prozent auf den Wert der neunziger Jahre reduzieren. Er versprach auch, innerhalb der nächsten acht Jahre 150 Milliarden Dollar in nachhaltige Energieprojekte zu investieren. Das Programm „Solar America Cities“, an dem 25 Städte teilnehmen, treibt im Zusammenarbeit mit dem US-Energieministerium die Einführung der Solarenergie voran. Von Jahr zu Jahr sollen die Gebäude in den USA energieeffizienter werden, nach der Agenda 2030 des American Institute of Architects sollen dann alle Neubauten in den USA CO2-neutral sein. Überdies soll der Anteil des Stroms aus erneuerbaren Quellen am Gesamtstromverbrauch von heute rund 8 Prozent – verglichen mit 18,4 Prozent in den EU-Ländern – auf 10 Prozent im Jahr 2012 und 25 Prozent im Jahr 2025 erhöht werden. Bis 2009 haben 971 Bürgermeister die Klimaschutzvereinbarung US-amerikanischer Bürgermeister (U.S. Mayors Climate Protection Agreement) aus dem Jahr 2005 unterzeichnet und verpflichten sich damit, die Emissionen bis 2012 um sieben Prozent, in einzelnen Fällen sogar um 80 Prozent unter das Niveau der neunziger Jahre zu senken.
Allen diesen Absichtserklärungen zum Trotz wird sich der Gesamtenergieverbrauch der USA nach Voraussagen der Statistikbehörde im US-Handelsministerium weiterhin kontinuierlich erhöhen: Während er 2009 94.578 Billiarden BTU (British Thermal Units) betrug, wird er bis 2035 auf voraussichtlich 114.512 Billiarden BTU ansteigen, also um rund 20 Prozent. Die neue Energie- und Umweltagenda des Weißen Hauses wird zudem von der rechtsliberalen „Tea Party“-Bewegung und von republikanischen Abgeordneten bekämpft, die die Umsetzung landesweiter, auf Nachhaltigkeit setzender Energievorschriften verhindern wollen. In diesem Zusammenhang ist bemerkenswert, dass acht Bundesstaaten bisher keine allgemein gültigen Energievorschriften für Geschäftsbauten und neun keine für Wohnbauten haben.
Nachhaltigkeit, Bewertungslisten, Politik
Trotz schwindelerregender Statistiken und politischer Widerstände hat sich die nachhaltige Entwurfspraxis in den USA in den letzten Jahren dramatisch verändert und ist zu einem etablierten Zweig der Bauindustrie geworden. Eine nennenswerte Organisation in der Kampagne für Nachhaltigkeit ist die auf kommunaler Ebene agierende Organisation „ICLEI – Local Governments for Sustainability“ mit über 600 Gemeinden als Mitgliedern. Der US-ICLEI und die Umweltschutzbehörde EPA betreiben mit dem neuem „2012 STAR Community“ ein Index-Pilotprogramm. Das ehrgeizige Programm gibt Gemeindeverwaltungen durch die Feststellung von Schwachstellen, die Festlegung flexibler Ziele und durch die Entwicklung von Anpassungsstrategien Hilfestellungen. Das ICLEI-STAR-Nachhaltigkeitsprogramm umfasst 81 Indikatoren für Nachhaltigkeit und zehn leitende Prinzipien. Hierin sind Kategorien zur Bewertung umweltgerechter Gebäude, von Infrastrukturen und anderen Eigenschaften in Bezug auf Umwelt, Lebensqualität oder Energie ebenso erfasst wie Kriterien zur „Armutsprävention und Armenhilfe“, zum „sozialen Zusammenhalt“, zur „Verwaltungstransparenz“, zur „Entwicklung und Revitalisierung der Industrien“, zu „Beschäftigungsmöglichkeiten“, zu „kundigem Finanzgebaren“ oder „Kunst und Kultur“. Der „STAR Community Index“ soll als landesweit gültige Norm zur Schaffung nachhaltigerer Gemeinden beitragen.
Ein weiteres Bewertungsinstrument ist das von dem im Jahr 2000 gegründeten gemeinnützigen Verein U.S. Green Building Council entwickelte LEED (Leadership in Environment, Energy and Design). Es ist verpflichtendes Bewertungsinstrument bei öffentlichen Bauprojekten, dessen Einhaltung von unabhängigen Gutachtern überprüft wird. Dabei handelt es sich um eine Verifikation des Anspruchs, dass ein Gebäude nach Prinzipien entworfen und gebaut wurde, die in allen entscheidenden Bereichen – Energieeinsparung, Effizienz des Wassergebrauchs, Reduzierung der CO2-Emissionen, verbesserte Umweltqualität der Räume, sparsamer Ressourcengebrauch – eine Verbesserung darstellen. Der Verein bietet auch privaten Hausbesitzern und -betreibern einen Rahmen zur – freiwilligen – Verwirklichung messbarer ökologischer Entwurfs-, Errichtungs-, Betriebs- und Unterhaltungslösungen. Außerdem integriert „LEED for Neighborhood Development and Retrofit“ die intelligente Gestaltung von Gemeinden, fußgängerfreundlichen, grünen Erschließungen mit Mischnutzung, umweltgerechte Infrastrukturen und Gebäude sowie effiziente öffentliche Verkehrssysteme.
Die Bewertung und Klassifizierung von Gebäuden
Neben dem LEED-Bewertungssystem ist das zweite wichtige Bewertungssystem das staatliche US-Energy Star-Programm (nicht zu verwechseln mit dem ähnlich klingenden ICLEI-STAR für Gemeinden), das seit seiner Einführung 1990 zur US-amerikanischen Norm für die Klassifizierung der Energiebilanz von Gebäuden geworden ist. Das Bewertungssystem schließt detaillierte Messmethodologien ein; die Bewertungen werden jährlich in Auftrag gegeben und gehen teilweise in das LEED für bestehende Gebäude ein. Der Energy Star Portfolio Manager der Umweltbehörde bewertet den Energieverbrauch von Gebäuden nach einer 100-Punkte-Skala. Gebäude, deren Energiebilanz besser ist als die von 60 Prozent des Gebäudebestands, erhalten 60 Punkte. Unklar bleibt dabei allerdings, wie – und ob – die Messgrößen auf weltweiter Ebene vergleichbar sind, da sie sich nur auf die Bewertung von Gebäuden gleichen Typs durch die US-amerikanische Umweltbehörde beziehen. Außerdem bewertete die Untersuchungsabteilung der amerikanischen Bundesbehörde im Dezember 2008 die seitens des Energy Star-Programms behaupteten Energieeinsparungen als unzuverlässig, da sich viele der proklamierten Vorteile nicht verifizieren lassen.
Auch das LEED-System steht in der Kritik. 2008 verglich das New Buildings Institute (NBI) die gemessene Energiebilanz freiwillig LEED-zertifizierter Neubauten mit ihrem Ausgangsentwurf und Basismodellen. Von den 552 Neubauten, die 2006 LEED-zertifiziert wurden, konnten nur 22 Prozent die geforderten Informationen beibringen. Die gemessenen Energieeinsparungen dieser Gebäude betrugen durchschnittlich 28 Prozent, verglichen mit den zugrunde gelegten Basismodellen, und nahe an die durchschnittlich 25 Prozent an Einsparungen, die die Energie-Modellberechnungen für den LEED-Antrag voraussagten. Rund ein Dutzend der Neubauten ver-
brauchte mehr Energie, als in den Entwürfen und Basismo-dellen vorausgesagt. Die LEED-Messung und -Verifizierung ist keine Vorbedingung für die Zertifizierung, sie verschafft ihr lediglich Glaubwürdigkeit. Selbst das neue chinesische Green Building-Gütesiegel sieht verpflichtend eine Überprüfung nach einjährigem Betrieb vor, ehe die Zertifizierung erfolgt. Die Abweichungen zwischen der vorausgesagten und der gemessenen LEED-Leistungsbewertung wirft gravierende Fragen hinsichtlich der Genauigkeit der geschätzten Lebenszyklus-Bewertungen und der tatsächlichen Energiebilanz jedes einzelnen Gebäudes auf.
Die Bewertung und Klassifizierung von Städten
Die Bewertung von Ressourcen und die Berechnung der Treibhausgas-Emissionen mit dem Ziel eines internationalen Vergleichs von Ländern, Städten und Gebäuden werden seit Jahrzehnten unter dem Dach der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (United Nations Framework Convention on Climate Change; UNFCCC) und des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (United Nations Environment Programme; UNEP) koordiniert.
In den USA existieren neben dem neuen ICLEI-STAR-Pilotprogramm einige weitere erwähnenswerte Systeme zur Bewertung von Städten. „SustainLane“ beispielsweise platzierte 2008 Portland, Oregon, in seinem Städte-Ranking auf den ersten Platz. Die Bewertung beruht auf 16 Kriterien: Qualität von Luft und Wasser, Verkehrswesen (Pendlerdichte, Fahrgastaufkommen), gebaute Umwelt (LEED-konforme Gebäudeplanung, Bodennutzung), städtische Programme (im Bereich Energie, Schaffung von Bewusstsein für den Klimawandel, Kommunikation), grüne Ökonomie (grüne Produktion, Verfügbarkeit bezahlbaren Wohnraums, regionale Nahrungsmittel, ökologischer Landbau), Risiko von Naturkatastrophen, Müllentsorgung, Wasserversorgung. Dieses Bewertungssystem berücksichtigt allerdings nicht den tatsächlich gemessenen Energieverbrauch von Gebäuden, weil es sich auf LEED-zertifizierte Gebäude bezieht, nicht aber auf Gebäude mit dem sogenannten Energy Star, bei dem die tatsächlichen Ablesungen über den Energieverbrauch pro Haushalt zugrunde gelegt sind. 
Welch verzerrtes Bild sich ergibt, wenn wiederum einzig und allein nach der Gebäudeeffizienz bewertet wird, zeigt das „City Ranking of Building Energy Efficiency“ der US-amerikanischen Umweltbehörde, das die Städte mit den effizientesten Geschäftsgebäuden auflistet, die den Energy Star erhielten. Als zehn beste Städte wurden hier in der Reihenfolge der Platzierung Los Angeles, Washington, D.C., San Francisco, Denver, Chicago, Houston, Lakeland, Dallas-Fort Worth, Atlanta und New York genannt – während Portland leer ausging.
 
Um nachhaltige Verfahren in Metropolen und bei Gebäuden in den USA bewerten zu können, muss man sich darüber im Klaren sein, dass es in den USA eine viel größere Vielfalt an Klimazonen gibt als in den meisten EU-Staaten. Europäische Ansätze der Nachhaltigkeit sind daher nur schwer zu vergleichen. Das gilt insbesondere für die wärmeren und feuchteren tropischen Regionen, wo ein beträchtlich höherer Bedarf an Kühlung und Entfeuchtung besteht. Für einen landesweiten Vergleich durchschnittlicher Metropolen in verschiedenen Klimazonen wurden Portland (Platz 1 der SustainLane-Bewertung), New York City (Platz 5), Los Angeles (Platz 28) und die Miami Metropolitan Area (Platz 34 von 50) ausgewählt.
„Good practice“: Portland und New York City
Portland, Oregon | hat rund 582.000 Einwohner; annähernd 2,2 Millionen Menschen leben in der Portland Metropolitan Area. Portland war die erste US-amerikanische Stadt, die einen umfassenden Plan zur Reduktion der CO2-Emissionen verabschiedete, und fördert entschlossen Initiativen für ökologisches Bauen. Die Stadt besitzt ein umfangreiches Netz von Bussen, seit 2001 eine Straßenbahnlinie und prunkt mit 372 Hektar Grünflächen und mehr als 118 Kilometer Wander- und Fahrradwegen. Die starke planerische Kontrolle der Bodennutzung reicht bis ins Jahr 1903 zurück, als mit der Anlage des Washington Park und einem der landesweit schönsten Grünzüge, dem 40 Mile Loop, der viele der städtischen Parks mit­einander verbindet, begonnen wurde. Im Oktober 2009 verabschiedete der Stadtrat einstimmig einen Aktionsplan zum Klimaschutz, nach dem die städtischen Treibhausgas-Emissionen bis 2050 um 80 Prozent unter das Niveau der neunziger Jahre gesenkt werden sollen. Obschon Portland damit den ersten Platz im prestigeträchtigen US-SustainLane CityRanking einnimmt und die Stadt zudem viele Umweltauszeichnungen erhalten hat, hat Portland mit 11 t Treibhausgas-Emissionen pro Kopf – verglichen mit der in Europa führenden Stadt Barcelona mit 2,9 t – immer noch einen recht hohen Ausstoß.
New York City | Die Metropolregion New York ist die größte in den USA. Auf 17.400 Quadratkilometern leben hier ca. 22,2 Millionen Menschen. New York ist die einzige Stadt in den USA, wo Haushalte ohne eigenes Auto einen größeren Prozentsatz darstellen als jene mit einem oder mehreren Autos. Fast einer von drei Benutzern von Massenverkehrsmitteln in den USA und zwei Drittel aller Bahnbenutzer des Landes leben in New York und seinen Vorstädten. Im Jahr 2005 nutzten fast 55 Prozent der New Yorker Massenverkehrsmittel für den Weg zur Arbeit. Das bildet einen ausgeprägten Gegensatz zum Rest der USA, wo rund 90 Prozent der Pendler mit dem eigenen Auto zur Arbeit fahren. Die New Yorker U-Bahn ist mit 468 Bahnhöfen das größte Schnellbahnsystem der Welt, mit einem Fahrgastaufkommen von 1,5 Milliarden Passagieren im Jahr. Dank seiner Bevölkerungsdichte, der geringen Automobilnutzung und dem starken öffentlichen Verkehr gehört New York zu den energieeffizientesten Städten der USA: Die Treibhausgas-Emissionen lagen 2009 bei 5,9 t, im Landesdurchschnitt bei 20,1 t. Obwohl in New York 2,7 Prozent der US-Gesamtbevölkerung leben, produzieren sie nur ein Prozent der landesweiten Treibhausgas-Emissionen. New York gehört in den USA zu den führenden Städten beim Bau energieeffizienter, grüner Gebäude. Das 48-geschossige Conde Nast Building am Times Square 4 war 2000 unter den ersten, die vom Energieministerium als Niedrigenergiehaus ausgezeichnet wurden. Die Stadtverwaltung ist verpflichtet, bei städtischen Behörden und im öffentlichen Wohnungsbau die effizienteste Energy Star-Ausstattung und Technik zu nutzen.
„Bad practice“: Los Angeles und Miami
Los Angeles | ist nach New York die bevölkerungsreichste Stadt in den USA mit einer Fläche von rund 1291 Quadratkilometern und 3,83 Millionen Einwohnern. Die Los Angeles Metropolitan Area hat ca. 17,8 Millionen Einwohner und besteht aus annähernd 80 kleineren Städten, die durch ein umfangreiches Netz von Freeways und Highways erschlossen werden. Im Jahr 2005 bescheinigte das Texas Transportation Institute L.A.s Straßenverkehr die größte Staudichte in den USA. Die Stadt leidet unter Smog, weil die Bucht von L.A. und das San Fernando Valley Inversionswetterlagen begünstigen, bei de­nen die Abgase in Bodennähe gehalten werden. Obwohl die Anzahl der Fälle von Smogalarm der Stufe 1 von mehr als 100 pro Jahr in den siebziger Jahren auf fast null im neuen Jahr­tausend gesunken ist, war L.A. zwischen 2006 und 2008, den Jahresberichten der American Lung Association zufolge, die Stadt mit der landesweit höchsten Feinstaubbelastung.
Trotz des ersten Ranges bei der Luftverschmutzung lag L.A. auch zweimal auf dem ersten Platz im Top-ten-Energy-Star-Ranking U.S.-amerikanischer Metropolen wegen der höchsten Zahl an energieeffizienten Gebäuden, die 2008 und 2009 den Energy Star der Umweltbehörde erhielten. 2008 erließ Bürgermeister Antonio Villaraigosa zur Förderung des ökologischen Bauens eine Verordnung, die der Stadt grünes Bauen nach LEED-Standard vorschreibt. Die 2009 offiziell geschaffene Abteilung für Umweltangelegenheiten wird zudem den künftigen Nachhaltigkeitsplan der Stadt mit einem jährlichen Fortschrittsbericht aufstellen. Die Vision ist, L.A. zum Vorreiter der Revolution sauberer Technologien zu machen und den alten Industriekern im Innenstadtbereich in ein Zentrum grüner Arbeitsplätze und Technologien zu verwandeln. So soll beispielsweise der „Clean Tech Corridor“ Forscher, Designer und Hersteller zusammenbringen, die sich der Entwicklung von sauberen technologischen Produkten und von Lösungen für die Herausforderungen des Klimawandels verschrieben haben. „GREEN LA“ möchte noch weiter gehen und das Ziel festsetzen, die Treibhausgas-Emissionen bis 2030 um 35 Prozent unter das Niveau der neunziger Jahre zu senken und den Anteil erneuerbarer Energien am städtischen Energieverbrauch bis 2020 auf 40 Prozent zu erhöhen. Zahlreiche weitere Initiativen sind vorgesehen, um die CO2-Bilanz der Stadt zu verbessern.
Für viele Maßnahmen fehlt der Stadt jedoch schlicht das Geld: Die gegenwärtig größte Herausforderung für L.A. sind der faktische Bankrott des Bundesstaats Kalifornien und die explodierenden städtischen Sicherheitskosten im Kampf gegen Hunderte gewalttätige und kriminelle Gangs.
Miami | Die Miami Urbanized Area gilt mit gut 5,5 Millionen Einwohnern als die viertgrößte urbanisierte Region in den USA hinter New York City, Los Angeles und Chicago. Mit nur 92 Quadratkilometer Landfläche ist Miami die flächenmäßig kleinste aller größeren Städte in den USA, wobei 52 Prozent der Einwohner von Miami-Dade County in auswuchernden Gated Communities leben. Die Stadt liegt in einer weiten Ebene zwischen den Florida Everglades im Westen und der Biscayne Bay im Osten, die sich von der Florida Bay nordwärts bis zum Lake Okeechobee erstreckt, und ist von Hurrikanen, Tropenstürmen und Überflutungen extrem bedroht. Seit 1886 wurde Florida von 150 Hurrikanen und mehr als 250 Tropenstürmen betroffen. Der Hauptteil der Stadt liegt an den Ufern der Biscayne Bay, die mehrere hundert natürliche und künstliche Barriereinseln mit eigenen Kleinstadtzonen umfasst. Die US-amerikanische Umweltschutzbehörde prognostiziert, dass der Meeresspiegel um Florida bis zum nächsten Jahrhundert um rund acht Zentimeter ansteigen wird.
Um die Erderwärmung und den Anstieg der Meere einzudämmen, hat sich das kommunale Verwaltungsgremium der Region mit seinem Programm „GreenPrint 2010 Scorecard“ den Zielen des U.S. Cool Counties Program verpflichtet, das vorsieht, die Treibhausgas-Emissionen bis 2050 um 80 Prozent gegenüber dem Niveau von 2008 zu reduzieren und bis 2020 20 Prozent des Energiebedarfs Floridas aus erneuerbaren Quellen zu decken. Auch hier ist jedoch die extreme sozioökonomische Lage nicht gerade förderlich: 2004 hatte die Stadt den dritthöchsten Anteil von Familien, deren Einkommen unter der US-amerikanischen Armutsgrenze lag, während andererseits 2009 eine Studie zu 73 Weltstädten die von Massentourismus besuchte subtropische Strandmetropole Miami hinsichtlich der Kaufkraft als reichste Stadt der USA und fünftreichste Stadt der Welt auflistete. Das mag verständlich machen, warum der Gesamtausstoß von Treibhausgasen hier bei 11,9 t pro Kopf, verglichen mit nur 5,9 t in New York, liegt.
Eine gewaltige Herausforderung
Der Bericht des Weltklimarats aus dem Jahr 2007 fordert eine Reduktion des durchschnittlichen CO2-Ausstoßes um fast
80 Prozent auf ungefähr 1,3 t pro Kopf, während die Emissionen in den USA im Jahr 2010 nicht weniger als 20,2 t betrugen. Bisher gibt es keine Antwort auf die Frage, wie ein Land, dessen Bevölkerung gegenwärtig zu über 80 Prozent in zersiedelten Gebieten lebt, trotz des erwarteten Bevölkerungswachstums seine Treibhausgas-Emissionen reduzieren könnte, ohne Abstriche beim Lebensstandard oder eine Verlangsamung des Wirtschaftswachstums in Kauf nehmen zu müssen. Falls die USA ernsthaft den Ressourcenverbrauch in Städten und Gebäuden reduzieren und energieeinsparende Umgestaltungen, Umrüstungen und Renovierungen durchsetzen wollen, dürfen dabei auch nachhaltige Lebensstile nicht außer Acht gelassen werden, denn die Änderung des Konsumverhaltens ist ein Teil der soziokulturellen Selbsterneuerung einer umweltbewussten Gesellschaft.
Ein Hindernis für Verbesserungen ist zudem die nur eingeschränkt mögliche Bewertung von Städten und Gemeinden, die sich bisher auf eine viel zu provinzielle „Energiedatensammlung“ verlassen muss. Allzu oft beruhen Energiedaten auf theoretischen Modellen und nicht auf einer tatsächlichen Überprüfung. Auch der Gesetzgebung müssen aber tatsächlich gemessene und jährlich erneuerte Energiebilanzen zugrunde gelegt werden und nicht Modellannahmen oder Beispiele in dieser Hinsicht exzellenter, als Demonstrationsobjekte nutzbarer Städte oder Gebäude. Dabei sollte ein systematischer Vergleich mit den weltweit besten Lösungen vorgenommen werden, statt sich auf die Gruppe vergleichbarer Städte und Gebäude in den USA zu beschränken. Entschiedene, landesweit gültige Gesetze zur Offenlegung der Energiebilanzen sind gefordert, damit die Einsparungsziele verwirklicht werden können. Ohne klare, landesweit korrelierende Messgrößen und verpflichtende Richtlinien für Städte, Neubauten und Umbauten, bei denen die örtliche Praxis verlässlich mit den globalen Zielen der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen verknüpft wird, werden die USA niemals in der Lage sein, eine nennenswerte Reduktion des Ressourcen- und Energieverbrauchs und damit der Treibhausgas-Emissionen zu erzielen.

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