Eine Frage des Lichts
Wohnen in der Hamburger Speicherstadt
Text: Seifert, Jörg, Hamburg
Eine Frage des Lichts
Wohnen in der Hamburger Speicherstadt
Text: Seifert, Jörg, Hamburg
Wohnen in der Hamburger Speicherstadt? Bisher galt dies als unmögliches Vorhaben. Nun untersuchte ein Ideenwettbewerb das Potenzial der denkmalgeschützten Blöcke.
In der Innenstadt von Hamburg gibt es vergleichsweise wenig Wohnungen, nicht zuletzt, weil zwischen 1880 und 1930 für den Bau von Speicherstadt, Mönckebergstraße und Kontorhausviertel mehrere Fachwerkquartiere abgerissen wurden. Vor diesem Hintergrund wollte die zu großen Teilen städtische Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) die Potenziale der zwischen Altstadt und HafenCity gelegenen Speicherstadt ausloten. Rund 300.000 m² Fläche verwaltet sie dort, wobei ein Teil der Lagerböden bereits für Büros, Showrooms, Restaurants sowie Kultur- und Tourismusangebote saniert wurde. Um herauszufinden, welche Wohnformen bei den Auflagen des Denkmalschutzes möglich sind und wie sich diese mit Gewerbenutzungen vertragen, lobte die HHLA gemeinsam mit der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt einen zweiphasigen Ideenwettbewerb aus. Drei Lagerhäuser waren Gegenstand der Aufgabe: die 1887/88 entstandenen Blöcke E und L sowie der nach 1900 errichtete Block X, der erst 2002 mit einem Kopfbau von gmp seinen östlichen Abschluss erhielt. Während es bei L und X lediglich um die Transformation der Dachgeschosse, einschließlich des Bodens darunter ging, waren in Block E vom ersten Obergeschoss aufwärts Wohnungen vorzusehen. Dabei sollten Größen zwischen 50 und 180 m² berücksichtigt werden, auch, um dem Vorwurf vorzubeugen, es handele sich um ein Luxuswohnprojekt.
Aus 127 eingereichten Beiträgen wurden 26 zur Weiterbearbeitung ausgewählt. Im Verlauf des Verfahrens, so das Juryprotokoll, wurde festgestellt, dass der Ideenwettbewerb aus einem Zielkonflikt der Auslober entstanden war. Einerseits bestand der Wunsch, die Speicherstadt zu beleben, andererseits sollte der Bestand gewahrt und zu wirtschaftlich realistischen Konditionen weiterentwickelt werden. Für die Wettbewerbsteilnehmer bedeutete dies, die Quadratur des Kreises zu planen: die Großzügigkeit der Speicherböden erhalten, gleichzeitig aber moderate Wohnungsgrößen anbieten. Die Jury (Vorsitz: Volkwin Marg) konstatierte denn auch, dass keine der vorgeschlagenen Lösungen so ohne weiteres umsetzbar ist. Sie verzichtete auf eine klassische Preisverteilung und verlieh stattdessen fünf gleichrangige Preise und fünf Anerkennungen.
Im Resümee empfiehlt die Jury schließlich, zugunsten der großflächigen inneren Strukturen auf die geforderte Mischung aus großen und kleinen Wohnungen zu verzichten. Diese aus Nutzersicht bedauerliche Empfehlung ist durchaus nachvollziehbar, andere hingegen weniger. Beim Vorschlag von h.s.d. architekten aus Lemgo (Preisträger, Block E), der nur Geschosswohnungen vorsieht, lobt das Gremium die erhaltene Weitläufigkeit, geht aber nicht auf das Belichtungsproblem der 18 Meter tiefen, teilweise nur gut zwei Meter hohen Räume ein, das die Architekten mit Kunstlichtboxen zu lösen meinen.
Das Hamburger Büro asdfg (Preisträger, Block E) schlägt transluzent verglaste Lichtschächte mit Prismen und reflektierenden Elementen vor, die Tageslicht in die unteren Böden transportieren sollen. Abgesehen davon, dass die tatsächliche Lichtausbeute noch nachzuweisen wäre, kappen die Architekten hierfür kurzerhand den First des Walm- bzw. Satteldachs. Der Vorschlag mag von der Dachform der angrenzenden Gebäudesegmente inspiriert sein, die Jury erachtet ihn aber zu Recht als denkmalpflegerisch undenkbar, wenngleich sie die Idee des „Lichtfangs“ als besonders innovativ würdigt.
Während viele Beiträge mit den Fassaden respektvoll umgehen, sehen andere für die unterschiedlich stark geneigten Dachflächen oft großzügige Fensteröffnungen vor, zum Teil mit dezenten Strichstärken kaschiert. Mehr Sensibilität ist vor allem mit Blick auf die für 2014 geplante UNESCO-Bewerbung erforderlich, denn nicht nur von der Elbphilharmonie aus ist die Dachlandschaft der Speicherstadt einsehbar. So vermisst man unregelmäßig kleinteilige Perforierungen der Schieferdächer, schmale, längsgerichtete Schlitze entlang der Blechfalze der Kupferdächer oder auch innovative Lösungsvorschläge zur Reduzierung der Reflexion der Glasflächen.
Das Anliegen der Jury, den weitläufigen Charakter der Speicherböden mit den geringen Raumhöhen zu erhalten, spricht dafür, Wohnen ausschließlich auf die erweiterten Dachgeschosse zu beschränken. Es bietet sich an, die unteren Böden noch umfangreicher für die Kreativwirtschaft zu nutzen, als es derzeit im neuen Entwicklungskonzept für die Speicherstadt verankert ist. Dieses Konzept hat der Hamburger Senat eine Woche nach der Wettbewerbsentscheidung zur Kenntnis genommen und gleichzeitig die Rechtsgrundlage für Wohnungen in der Speicherstadt geschaffen. Bisher unterlag das Gebiet dem Hafenentwicklungsgesetz, das offiziell nur hafennahe Nutzungen erlaubte. Es bleibt jedoch ein weiteres Problem: der fehlende Hochwasserschutz. Allein die 2001/02 von gmp erstellte Kibbelstegbrücke, die auf Niveau des ersten Speicherbodens Altstadt und HafenCity verbindet, ist für Rettungsfahrzeuge ausgelegt. Aus diesem Grund ist Wohnen zurzeit nur in Block E mit seinem direktem Anschluss an die Brücke möglich.
vollständiges Ergebnis:
Zweiphasiger hochbaulicher Ideenwettbewerb
Block E Preisträger asdfg Schmitz Grenz, die etage, Hamburg | Preisträger h.s.d. architekten, Christian Decker, Lemgo | Anerkennung Christine Edmaier Architektin, Berlin | Block L Preisträger behet bondzio lin architekten, Münster | Preisträger Brechwagner Architekten, Stuttgart | Anerkennung LHVH Architekten, Lohner Holschbach Voss, Köln | Anerkennung Max Lauer Architekt, Freiburg | Block X Preisträger Güldenzopf Rohrberg Architektur + Design, Hamburg | Anerkennung Architekten Leuschner Gänsicke Beinhoff, Hamburg | Anerkennung Steinwerder Architekten, Heide
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